Südkurier
....„Es ist wie beim Marathon“, sagt Christine Lemaitre, Chefin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). „Manche Läufer sprinten den in zwei Stunden durch, andere sind in dieser Zeit gerade mal bei der ersten Trinkstation angekommen.“ So sei es auch beim nachhaltigen Bauen. „Es gibt viele, die es einfach und konsequent machen, und wir haben einen großen Teil, der sich gerade erst auf den Weg gemacht hat.“
Die DGNB hat ein Zertifizierungssystem für private Bauprojekte entwickelt, um Umweltauswirkungen besser vergleichbar und transparenter zu machen. Das System ist auf Neubauten und Instandhaltungen anwendbar und hat den Anspruch, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes in den Blick zu nehmen.
..... „Abreißen kann jeder“, sagt der Projektverantwortliche Jens Völkner. „Wir haben uns aber die Frage gestellt, wie wir aus der bestehenden Gebäudesubstanz des Altbaus noch Nutzen ziehen können. 88 Prozent von dem, was im konstruktiven Abbruch anfällt, wird wiederverwendet.“
Die neue Fassade besteht zu rund einem Viertel aus Photovoltaik-Elementen. Auch durch Wärmerückgewinnung verbrauche der künftige Neubau mehr als die Hälfte weniger Energie als das alte Gebäude. Zahlreiche Bohrungen für die Geothermie hätten die Kosten zwar deutlich erhöht. Der Vorstand stehe dem Vorhaben dennoch positiv gegenüber. „Es kostet alles Geld, die Frage ist nur, wie weit wir das nach Abwägung von Kosten und Nutzen treiben“, sagt Völkner.
Trotz der guten Zertifizierung überzeugt das Projekt nicht alle. „Ich sehe Stahlbetonstützen, Stahlbetondecken, ich sehe einen sehr hohen Verglasungsanteil“, sagt Veit Burgbacher vom Verein Architects for Future (AFF). „Das bereitet mir Bauchschmerzen.“ Die Organisation setzt sich dafür ein, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der Baubranche ebenfalls verankert werden. Mit Photovoltaik auf dem Dach und Wärmetausch-Systemen ist es für AFF nicht getan.
„Einer der wichtigsten Grundsätze, die wir vertreten, lautet: Abriss vermeiden“, sagt Burgbacher. „Die graue Energie, die in jedem Gebäude steckt, ist unwiederbringlich verloren, wenn wir abreißen.“ Nur wenige Gebäude seien nicht erhaltenswert, weil beispielsweise die Substanz zu schlecht sei. Es mangele vor allem am Sanierungswillen vieler Bauherren.
....Müll-Rekordhalter: Die Non-Profit-Organisation World Green Building Council geht davon aus, dass rund 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf den Bausektor zurückgehen. Mit rund 53 Prozent der jährlichen Abfallmenge in Deutschland ist die Branche laut Statistischem Bundesamt zudem der größte Müllproduzent des Landes. Der Deutsche Städtetag rechnet vor, dass Neubauten für rund 70 Prozent des jährlichen Flächenverbrauchs verantwortlich sind.
Graue Emissionen: So werden die Treibhausgase genannt, die etwa bei der Herstellung und beim Transport der Baumaterialien wie Beton, Stahl und Zement entstehen. Auch Rückbau und Entsorgung der Materialien fallen darunter. Die grauen Emissionen stehen laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung für im Schnitt ein Viertel der Gesamtemissionen eines konventionell gefertigten Gebäudes. Die Rest entsteht durch die Heizung und sonstigen Energieverbrauch. (dpa)
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