Mittwoch, 24. November 2021

"AGRARREFORM: Chance verpasst"

Südkurier  VON WALTHER ROSENBERGER

Im Ranking der hochsubventionierten Wirtschaftszweige steht die Landwirtschaft ganz vorne. Rund 50 Prozent ihres Einkommens erzielen die Bauern nicht am Markt. Es wird ihnen per Scheck aus Brüssel überwiesen – Steuergeld, das weitgehend ohne Bedingungen ausbezahlt wird.
Es gilt nur die Regel: Je mehr Fläche bewirtschaftet wird, desto mehr Geld gibt es.
An diesem Prinzip ändert die „als großer Wurf“ angekündigte Neuverteilung der EU-Agrarmittel nicht viel. Die EU hat mit dem gestrigen Tag eine Chance verpasst, die Landwirtschaft ökologisch und klimaneutral auszurichten.

Allerdings hat sie auch den Nationalstaaten mehr Einflussmöglichkeiten eröffnet. Kurz gesagt können diese nun stärker selbst bestimmen, ob sie lieber eine auf Masse und Export getrimmte Agrarbranche oder lieber eine regional-nachhaltige Variante haben wollen. Für die Höfe im Südwesten, die allein wegen ihrer Größe nicht mit den Agrarriesen im Osten mithalten können, wäre letztere Lösung nicht die schlechteste.    


Sven Giegold: EU-Parlament stimmt Agrarreform zu: Chance für Agrarwende verpasst

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte, 

die erschreckend schwache neue Gemeinsamen Agrarpolitik wurde heute endgültig vom Europaparlament bestätigt. Mit den Stimmen von Christdemokrat*innen, Sozialdemokrat*innen, Liberalen und Rechtskonservativen wurde die neue Agrarpolitik angenommen (452 Stimmen dafür, 178 dagegen, 57 Enthaltungen). Wir Grüne stimmten dagegen, gemeinsam mit der linken Fraktion und der SPD, die gegen die Fraktionslinie der europäischen Sozialdemokrat*innen stimmte. Denn diese sogenannte Reform ist eine Absage an eine echte Agrarwende.
Die Mehrheit des Europaparlaments stimmte heute für ein weiter-so in der Agrarpolitik, mit dem die gewaltigen Subventionen der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht für mehr Tierwohl, die Eindämmung der Klimakrise, des Artensterbens, und des Höfesterbens sorgen werden. Sie werden stattdessen weiterhin auch an riesige Agrarkonzerne in der industriellen Massentierhaltung ausgezahlt werden. Bis 2027 wird so ein Drittel des EU-Haushalts, oder knapp 387 Milliarden Euro, nicht an die Ziele des Green Deal gebunden sein. Damit droht der europäische Green Deal ein gewaltiges Stück seiner Durchschlagskraft zu verlieren. 

In den Verhandlungen in Brüssel war es allem die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die immer wieder Fortschritte ausbremste. Sie blockierte so mit anderen nationalen Agrarminister*innen jedes Stückchen mehr Klima- & Umweltschutz in der Reform der EU-Agrarpolitik. Wir Grüne im Europaparlament – und insbesondere unser Verhandlungsführer Martin Häusling – haben uns in den Verhandlungen von Beginn an für eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik eingesetzt. Für uns steht fest: Europäische Fördergelder sollen nicht mehr für eine industrielle Landwirtschaft fließen, die die Klimakrise und das Artensterben befeuert und das Tierwohl systematisch verletzt. 

Und dennoch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Mitgliedstaaten haben sich großen Freiraum in der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik erstritten. Was im schlechtesten Fall zu weiteren Schlupflöchern führen könnte, kann in Deutschland zu einer Chance werden. Denn diese erhebliche Flexibilität können wir nutzen, um das schlechte europäische Ergebnis in der deutschen Umsetzung zu verbessern. Europäisches Geld muss an die Landwirt*innen fließen, die umwelt-, tierwohl- und klimaschonend arbeiten oder dies wollen, nicht an eine Landwirtschaft, die unsere Lebensgrundlagen gefährdet. Das ist unsere Chance für die Natur und die Landwirt*innen! 

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