Samstag, 13. November 2021

"Die Staaten haben den Klimapakt von Glasgow beschlossen" - "Wofür war das alles?"

Spektrum der Wissenschaft hier

Die Teilnehmenden der UN-Klimakonferenz in Glasgow haben die Nationen der Welt erstmals dazu aufgefordert, den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten. Die am Samstag gebilligte Erklärung von rund 200 Staaten fordert zudem, »ineffiziente« Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Die Formulierung wurde allerdings in letzter Minute auf Druck von China und Indien abgeschwächt. EU-Kommissar Frans Timmermans äußerte seine große Enttäuschung darüber, würdigte die Forderung zum Kohleausstieg aber dennoch als »historisch«.

Zudem verpflichteten sich die Länder dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne nachschärfen – freiwillig.

Bisher reichen die bei den UN eingereichten Pläne bei weitem nicht aus, das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. In der Erklärung wird festgehalten, dass dafür der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss.

Zugesagt werden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen könen. Zig Millionen Menschen sind schon jetzt mit häufigeren und längeren Dürren und Hitzewellen konfrontiert oder kämpfen mit heftigeren Stürmen und Überschwemmungen. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell etwa 20 auf rund 40 Milliarden US-Dollar, umgerechnet etwa 35 Milliarden Euro.

Erstmals wird die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten einzurichten. Gemeint sind etwa Zerstörungen oder erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen. Die Staaten werden aufgefordert, dafür Geld einzuzahlen. Konkrete Summen dafür werden aber nicht genannt. Es soll nur »technische Unterstützung« nach Schadensereignissen bereitstehen, aber nicht der komplette Schaden beglichen werden.


"Wofür war das alles?"

in der Süddeutschen Zeitung  hier  von Michael Bauchmüller, Glasgow

Wie hält man das bloß aus ? Sie kämpfen seit Jahrzehnten für den Klimaschutz - und werden doch immer wieder enttäuscht. Was treibt Aktivisten und Verhandler von John Kerry bis zur Greenpeace-Chefin an? Gespräche mit Menschen, die nicht aufgeben wollen.

....An diesem Wochenende geht die "COP26" zu Ende, so oder so. Wie Kerry sind viele dabei, die ein Vierteljahrhundert ihres Lebens in dieses Projekt investiert haben. Andere müssen mit ansehen, wie ihre Heimat buchstäblich untergeht, während knapp 200 Staaten über die Spiegelstriche des dritten Subparagrafen der neuen Erklärung debattieren. Denn die Emissionen sind in all den Jahren nicht geschrumpft, sie sind gewachsen. Die Erde heizt sich ungebremst auf.

Dafür arbeiten, dass es besser wird, und dabei wird alles schlechter, Jahr für Jahr: Wie hält man das bloß aus?......

"Man hätte ganz entspannt die Emissionen reduzieren können."

Heute ist Höhne, ein hagerer, sachlicher Typ, so etwas wie der Buchhalter der Katastrophe. Pausenlos rechnet er um, was die Ankündigungen der Staaten übersetzt in Temperaturen bedeuten, auch im Auftrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Aktuell kommt er auf 2,4 Grad Celsius Erderwärmung - weit entfernt von jenen 1,5 Grad Celsius, ab denen die Folgen schwer kontrollierbar werden. "Hätte man den Klimaschutz in den Neunzigerjahren durchgezogen", sagt Höhne, "dann hätte man ganz entspannt die Emissionen reduzieren können." So aber werde die Kurve immer steiler. "Und wenn ich das vergleiche, die alte Kurve mit der neuen", sagt Höhne, "dann frage ich mich manchmal: Was habe ich eigentlich all die Jahre gemacht? Wofür war das alles?"

....Heute ist die Frau mit dem blonden Wuschelkopf Chefin von Greenpeace, sie zählt zu den einflussreichsten Umweltaktivistinnen. Morgan, 55, kann selbst dem Streit um den Spiegelstrich im dritten Subparagrafen etwas abgewinnen. "Wenn man die kleinen Schritte nicht schätzt, fällt man in eine Depression", sagt sie. Die Bremser im Klimaschutz, Länder wie Saudi-Arabien, platzierten in den Verhandlungen geschickt kaum erkennbare Bomben. "Wenn man es schafft, die zu entschärfen - dann hat man gegen das Böse gewonnen." Kleine Siege in einer großen Schlacht.

Auch in Glasgow wache sie manchmal nachts auf, in Panik. "Dann frage ich mich: Reicht das? Mache ich genug?" In solchen Momenten richte sie der Gedanke auf, nicht alleine zu sein, sagt Morgan. Andernfalls würde eine Einzelne unter der Last des Problems zusammenbrechen.

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