Fridays for Future hat einen Katalog mit 101 Fragen zum Klimaschutz an die Fraktions- und Parteiführung der FDP geschickt. «Nachdem die freien Liberalen (FDP) nun seit Monaten gegen schnellen und gerechten Klimaschutz anarbeiten, haben wir (Fridays for Future) Fragen», heißt es in dem an Parteichef Christian Lindner sowie die Bundestagsfraktion und die Freien Demokraten insgesamt gerichteten Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.
Die Bandbreite des Fragenkatalogs reicht von Erkundigungen nach der Haltung der FDP zu zentralen klimapolitischen Konzepten bis zu Polemik. So wollen die Aktivisten unter anderem wissen, wie die Partei die Luftverschmutzung im Verkehr senken will und was sie von Mechanismen zum Ausgleich ausgestoßener Treibhausgase an anderer Stelle hält.
Auch um die Rolle von Wärmepumpen geht es. Weitere Fragen: «Warum sind wenige Porsche wichtiger als Mobilität für alle?» und «Steht das F in FDP für Fossile?». Die Liste schließt mit dem Satz «How dare you!», übersetzt: «Wie könnt ihr es wagen!», den die schwedische Aktivistin Greta Thunberg 2019 den Teilnehmern beim UN-Klimagipfel in New York entgegenschleuderte.
Einen Teil der eingereichten Fragen hat Fridays for Future nach eigenen Angaben aus Hunderten Vorschlägen ausgewählt, die bei der Organisation nach einem Aufruf bei Instagram eingereicht worden seien. Dass die Aktivisten gerade 101 Fragen schicken, kommt nicht von ungefähr.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte im Mai in der «Bild»-Zeitung einen Fragenkatalog seiner Fraktion an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigt, ohne die die Beratungen zum Heizungsgesetz nicht starten könnten. Diese gingen laut Bundeswirtschaftsministerium aber nie ein. Eingereicht wurde eine kürzere Liste aus der FDP-Fraktion sowie eine gemeinsame Liste mit Abgeordneten auch von SPD und Grünen.
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Fridays for Future konfrontiert FDP mit 101 Fragen: "How dare you!"
Watson 07.06.2023, Josephine Andreoli
Fridays for Future hat einen Katalog mit 101 Fragen rund um den Klimaschutz an die Fraktions- und Parteiführung der FDP geschickt: "Nachdem die Freien Liberalen (FDP) nun seit Monaten gegen schnellen und gerechten Klimaschutz anarbeiten, haben wir Fragen", heißt es in dem Schreiben, das watson vorliegt.
Und die reichen von stichelnden und forschenden Fragen bis hin zu den großen Fragen der Zukunft. Deutlich aber wird: Den Aktivist:innen von Fridays for Future entgeht nichts. Sie schauen genau hin – und scheuen nicht, die Fraktionsspitze und Partei damit zu konfrontieren.
Watson hat sich den Fragenkatalog vorgeknöpft – und die lustigsten, provokantesten und drängendsten Fragen herausgesucht und eingeordnet.
Steht das "F" in FDP für Fossile?
Eine Frage, die man durchaus mal stellen kann: Könnte man doch meinen, die FDP – die eigentlich auf Freiheit und Zukunftsfähigkeit pocht – versuche, mit aller Kraft an den fossilen Energien festzuhalten: Da wäre der Versuch der FDP, das Verbrennerverbot ab 2035 zu verhindern. Oder die Blockade gegen das Verbot von Gas- und Ölheizungen ab 2024. Oder die Bestrebung, die Abschaltung der Atomkraftwerke zu verhindern.
Auf welchem Planeten lebt die FDP ab 2045?
Betrachtet man das politische Vorgehen der Partei, sollte man meinen: auf einem anderen Planeten als der Rest von uns. Denn die Klimakrise lässt keine Zeit und keinen Raum mehr, um über ein Tempolimit, das Verbrenner-Aus oder den Austausch von Heizungen zu sprechen. Halten wir uns weiter mit nichtigen Kleinigkeiten ab, schießen wir weiter und weiter über die Klimaziele hinaus, die uns eine lebenswerte Zukunft sichern.
Wie regelmäßig nutzt die Parteispitze den öffentlichen Nahverkehr und gibt es Erfahrungswerte, die die Parteipolitik beeinflussen?
Tja, wer weiß das schon so genau. Vermutlich eher nicht. Klar aber ist: Beim Deutschen Bundestag gibt es eine von der Verwaltung organisierte Serviceeinheit, die Abgeordnete kostenlos innerhalb Berlins von A nach B fährt. Immerhin: Nach einem jahrelangen Kampf um mehr Geld haben Chauffeur:innen des Bundestags endlich einen Tarifvertrag bekommen, wie der "Tagesspiegel" berichtete. Bis vor Kurzem wurden die Fahrer:innen trotz Bereitschaftsdienst und Terminen bis spät in die Nacht nicht angemessen bezahlt.
Warum sind wenige Porsche wichtiger als Mobilität für alle?
Diese Frage ist – aus Sicht der FDP – wohl leicht zu beantworten: Denn in der Wählerschaft der Partei sind überproportional viele Selbstständige, Freiberufler:innen, leitende Angestellte und Beamte vertreten, wie die Bundeszentrale für politische Bildung berichtete. Und diese Wählerschaft, die ihren geografischen Schwerpunkt zudem in ökonomisch prosperierenden Regionen hat, verfügt – wie sollte es anders sein – auch eher über überproportional hohe Einkommen. Und damit Statussymbole, wie etwa teure Autos. Oder andersherum: "Je dicker das Portemonnaie, desto mehr Stimmen für die FDP", wie die "FAZ" nach der Bundestagswahl 2021 berichtete.
Natürlich besitzen nicht alle FDP-Wähler:innen einen Porsche, die Frage ist überspitzt. Aber da sich die FDP eher gegen kostenlosen ÖPNV ausspricht und für den Einsatz von E-Fuels, wenngleich sie energetisch ineffizient – und damit keine sinnvolle Alternative für Diesel und Benzin darstellen – liegt die Frage nahe.
Gratuliert Christian Lindner dem Porsche- und VW-Chef jedes Jahr zum Geburtstag?
Diese Frage kann wohl nur Christian Lindner selbst beantworten. Dass der Finanzminister aber über SMS mit dem Porsche-Vorstandschef Oliver Blume kommuniziert, ist bekannt. Denn auf eine schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Victor Perli (Linke) erklärte das Ministerium, die Textnachrichten nicht zu den Akten zu legen, wie die "Welt" berichtete. Die Konsequenz: Damit können Bürger:innen die SMS nicht einsehen, die sie mithilfe einer Anfrage über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ansonsten anfordern könnten. Herausgekommen war der enge Kontakt zwischen dem Finanzminister und Blume, weil dieser über seinen engen Draht zu Lindner geprahlt hatte.
Christian Lindner hat einmal gesagt: "Lieber nicht regieren, als falsch regieren." Nun regiert die FDP in den Augen vieler recht falsch, wäre es nicht Zeit, aufzuhören?
Gibt man bei Google "FDP blockiert" ein, taucht sehr schnell der Zusatz "alles" auf. Während sich die FDP selbst gern als eine moderne und optimistische Gestaltungspartei sieht, wird sie in der Öffentlichkeit und einem Großteil der Medien gänzlich anders wahrgenommen. Die FDP sei "nicht zur Macherpartei" geworden, sondern setzte allem voran auf ihren "Verhinderungsspielraum", wie der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte gegenüber der "SZ" sagte. Und das bringt Unmut mit sich, auch an der Parteibasis. Fünf Landtagswahlen in Folge hat die FDP seit der Bundestagswahl krachend verloren.
Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gms käme die FDP, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, auf sieben Prozent. Bei der Bundestagswahl im September 2021 erhielt sie noch 11,5 Prozent der Stimmen.
Ihre Beliebtheit unter den Wähler:innen hat also offensichtlich abgenommen. Das gilt allerdings nicht nur für die FDP, sondern auch für die SPD: Statt 25,7 Prozent käme sie nur noch auf 18 Prozent der Stimmen. Die Grünen bewegen sich noch immer auf gleichem Niveau, wie die "Rheinische Post" berichtete. Stärkste Kraft mit derzeit 29 Prozent würde die CDU/CSU werden.
Wieso sind Sie gegen quasi alles, was gut fürs Klima ist?
Eigentlich laufen alle anderen 100 Fragen von Fridays for Future auf genau diese eine hinaus. Warum nur? Es scheint, als wolle die Klima-Bewegung der Parteispitze den Spiegel vorhalten und mit jeder Frage erneut aufzeigen, dass sie sich Mal für Mal wieder gegen den Klimaschutz stellt. Und damit gegen eine lebenswerte Zukunft.
Ob die FDP eine Antwort darauf hat, bleibt abzuwarten. Auf eine Anfrage von watson reagierte die FDP-Bundestagsfraktion nicht.
Eines mussten die Aktivist:innen aber dennoch loswerden: "How dare you!", schreiben sie als letzten Punkt. Damit spielen sie auf die prominente Aussage Greta Thunbergs an, die diesen Satz auf dem UN-Klimagipfel 2019 immer wieder Politiker:innen entgegenschleuderte. Ein Satz, der den großen Konflikt unserer Zeit in nur drei kleine Worte gießt.
TAZ hier
Fridays for Future fragt FDP: Porsche oder Mobilität für alle
Im Heizungsstreit schickte die FDP 101 Fragen an Wirtschaftsminister Habeck. Fridays for Future reagierte mit 101 Fragen an die FDP.
„Nachdem die Liberalen (FDP) nun seit Monaten gegen schnellen und gerechten Klimaschutz anarbeiten, haben wir (Fridays for Future) Fragen“, teilte die Klimabewegung am Mittwoch auf ihrer Website mit. Sie habe der FDP 101 Fragen zur Klimapolitik der Partei zukommen lassen und warte nun gespannt auf eine Antwort, heißt es.
Seit Wochen blockiert die FDP das Heizungsgesetz in der Regierung, das Heizungen bis 2045 klimaneutral machen soll. Ihr Hauptargument: Wichtige Fragen zum Thema, 101 an der Zahl, seien vom Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) bislang unbeantwortet.
Kein Wunder: Das Wirtschaftsministerium hatte letzte Woche mitgeteilt, dass keine Fragen eingetroffen seien. Die FDP reichte daraufhin eine auf 77 Fragen gekürzte Fassung nach. Habeck lieferte drei Tage später Antworten auf alle Fragen.
Diese Debatte gab den Aktivist*innen von Fridays for Future (FFF) nun Anlass, selbst Fragen an die FDP zu richten – die prägnante Zahl 101 übernahmen sie gleich mit. Einige stellen den Witz der Klimabewegung unter Beweis. „Steht das F in FDP für Fossile?“, ist zum Beispiel auf der FFF-Website zu lesen, wo der gesamte Fragenkatalog veröffentlicht wurde. „Warum sind wenige Porsche wichtiger als Mobilität für alle?“, steht da auch noch. Oder: auf welchem Planeten die Partei im Jahr 2045 leben wolle.
Die FDP zur Verantwortung ziehen
Auch inhaltlich arbeitet sich FFF in den Fragen an der Klimapolitik der FDP ab. Die Themen reichen von der Haltung der Partei zu CO2-Budgets über die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens bis zur Beratung der Partei durch den Klimawandelleugner Steffen Hentrich.
Weitere Fragen betreffen die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele, den Schutz der Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen und die Förderung von klimafreundlichen Technologien. FFF kritisiert zudem die Blockadehaltung der FDP bei klimapolitischen Gesetzen und hakt nach, ob die Partei den IPCC-Klimabericht wirklich verstanden habe.
Die Fragen spiegeln das Bestreben von Fridays for Future wider, die FDP zur Verantwortung zu ziehen und ihre Positionen in Bezug auf den Klimaschutz zu hinterfragen. FFF fordert von der FDP eine klare Strategie zur Bekämpfung der Klimakrise und möchte wissen, wie die Partei die Freiheit in einer eskalierenden Klimakrise sichern will.
Einen Teil der eingereichten Fragen habe FFF auf Grundlage einer Befragung in einem Instagrampost formuliert, wie die dpa am Mittwoch mitteilte. Außerdem will die Bewegung mit der Aktion die Aufmerksamkeit auf den Globalen Klimastreik lenken, der für den 15. September angesetzt ist. Für den Streik sollen weltweit Umweltaktivist*innen mobilisiert werden, gegen Greenwashing politischer Akteur*innen wie dem „selbsternannten Klimakanzler Olaf Scholz“.
Letzte Generation protestiert auf Sylt
Auch andere soziale Bewegungen starten aktuell Aktionen gegen Entscheidungsträger*innen und Besserverdiener*innen: Die Letzte Generation kündigte letzte Woche an, ihre Blockaden würden sich die nächsten Wochen auf Reiche konzentrieren. Eine Aktion setzten sie auf Sylt in die Tat um.
Am Wochenende besprühten die Klimaaktivist*innen dort einen Privatjet und klebten sich an den Tragflächen und auf dem Asphalt vor dem Flugzeug fest. FDP-Parteichef Christian Lindner feierte auf der Insel zuletzt seine Hochzeit mit der Welt-Reporterin Franca Lehfeldt. Zu der Hochzeit reiste CDU-Chef Friedrich Merz mit einem Privatjet an.
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