hier Artikel von Jürgen Winzer •
Bei ARD-Recherchen zur Holzmafia herrscht plötzlich Lebensgefahr: "Wir sind am A..."
Wo kommt eigentlich das Holz für mein Regal her? Rabiat-Reporter und Filmemacher Johannes Musial hat recherchiert und entdeckte mehr Missstände, als ihm lieb sein können.
"Sie arbeiten, als würden sie den Wald hassen." Umweltschützer Gabriel Paun ist verzweifelt. Das stört aber kaum jemanden. Die Holzmafia gar nicht, sie hat beste Beziehungen. Und den End-Verbraucher wenig, denn der will sein Sofa, möglichst günstig. Ein Dilemma. Am Ende verliert, mal wieder, die Natur.
"Mein Freund, der Baum, ist tot." Der Hit von Alexandra müsste bis ans Ende der Welt in Dauerschleife laufen, wollte jeder illegal gefällte grüne Riese besungen werden. Die eindringliche Dokumentation "Rabiat: Das brutale Geschäft der Holzmafia" (Radio Bremen) dauerte am Montagabend im Ersten nur knapp 45 Minuten. Trotzdem, so sagt Reporter Johannes Musial, würden innerhalb dieser Dreiviertelstunde weltweit 380 Hektar Wald illegal abgeholzt, eine Fläche größer als Gibraltar. Das kann schon bestürzen. Tut es aber die Wenigsten.
Ist doch bloß Holz. Von wegen: Was die meisten nicht wissen: Das illegale Schlagen und Handeln mit Holz ist ein Riesenmarkt. Interpol-Ermittler Sasa Braun schätzt ihn auf einen Umsatz von über 150 Milliarden Dollar. Pro Jahr! Damit rangiert, so Braun, die Umweltkriminalität direkt hinter Drohgenhandel und Produktfälschungen auf Rang drei. Kein Wunder, dass die Holzmafia alles tut, ihr "Business" zu schützen.
Auf Umweltschützer wurde Kopfgeld ausgesetzt
"Rabiat"-Reporter Musial hat an Brennpunkten des internationalen illegalen Holzhandels recherchiert. Natürlich ist es weniger spannend, wenn er mit Johannes Zahnen bei IKEA unter Holztischen rumkrabbelt. Zahnen ist vom WWF und genießt international als "der" Holzdetektiv einen großen Ruf. Er analysiert Holz und versucht zu klären, ob das Holz illegal gehandelt wurde beziehungsweise von wo es stammt. Denn für 120 Millionen Tonnen Holz in Europa gibt es keinen Herkunftsnachweis.
Aufregender sind für den Zuschauer Musials Abstecher nach Rumänien und Kambodscha. Denn da wird deutlich, wie gefährlich es ist, wenn man den Holz-Gangstern ins Gehege kommt. Als Musial mit Gabriel Paun und seinen Männern von der Umweltschutz-Organisation "Agent Green" im letzten europäischen Urwald in den Karpaten nach illegalen Holzfällern sucht, wird es nicht brenzlig, sondern lebensgefährlich. Die Holzfäller verfolgen das Recherche-Team, Paum wird panisch: "Wir sind am Arsch, die haben meinen Namen genannt. Die haben ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt."
Probleme für Leute, die kein Bestechungsgeld nehmen
Was klingt wie ein Dialog aus einem Action-Film, ist bittere Realität. Paun wurde wegen seines Kampfes gegen die Holzmafia schon mehrfach bedroht. 2015 wurde er fast totgeschlagen, überlebte nur "aus Zufall", wie er sagt (und wie Bilder belegen). Dass er seinen Kampf trotzdem fortführt, übersteigt Idealismus. Denn Schutz, etwa von der Polizei oder Behörden, bekommt nicht er - sondern eher die Holzmafia. Korruption ist in Rumänien weitverbreitet. Ein Holzarbeiter sagt, er werde vom Chef bedroht, weil er sich weigere, Bestechungsgeld anzunehmen.
Das ist in Kambodscha nicht anders. Hier begleitet Musial eine Patrouille von Männern, die versucht, Holzfäller aufzustöbern, die die Wälder um ihr Dorf herum illegal abholzen. Das geschieht systematisch: In den letzten 20 Jahren verschwand ein Viertel der Wälder von Kambodscha, 99 Prozent davon illegal. Schon 30 Jahre lang setzt sich der Deutsche Marcus Hardtke im Kampf für die Umwelt und gegen die Holz-Gangster ein. Obwohl einer seiner besten Freunde von einem Militärpolizisten erschossen wurde, nachdem er die Beteiligung des Militärs an der illegalen Abholzung angeprangert hatte.
"Das ist Politik. Wünsche haben wir viele"
Otto Normalverbraucher erfährt davon in Europa und Deutschland nichts, obwohl zum Beispiel Deutschland einer der größten Abnehmer von aus Rumänien stammendem Holz ist. Jedes Möbelhaus würde die Nutzung illegal geschlagenen Holzes gerne zu 100 Prozent ausschließen. Nur, das ist unmöglich, sagt Johannes Zahnen. Der Holzdetektiv geht eher davon aus, dass in fast jedem Möbelhaus illegales Holz landete - durchaus ohne Wissen der Firmen. "Die günstigen Angebote lassen einfach darauf schließen", meint Zahnen.
Natürlich gibt es Handelsverordnungen. Und Prüfungen. Die hierzulande zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) meldet, dass es dabei noch nie illegales Holz gefunden hätte. Das kann nicht wundern, wenn es nur 217 Prüfungen bei insgesamt 27.000 Holz importierenden Händlern gab. Und nur 23 BLE-Mitarbeiter, die zur Überwachung zur Verfügung stehen. Wären nicht mehr Men-Power, mehr Gelder für das Amt wünschenswert? Staatssekretärin Claudia Müller vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), dem die BLE untersteht: "Das ist Politik. Wünsche haben wir viele."
Große Margen, geringe Strafen: Holzkriminalität boomt
Gabriel Paun, Johannes Zahnen, Marcus Hardtke, selbst Interpol-Mann Sasa Braun - sie kämpfen gegen Windmühlen. Das Holzgeschäft bietet einen Milliardenmarkt, die Strafen - das BLE verhängt Bußgelder in Höhe von 1.800 Euro, wenn es denn mal was zum beanstanden fände - sind im Vergkleich lächerlich. Auch vor Ort in Kambodscha oder Rumänien träfe man nicht die Richtigen, wenn man die Holzfäller, egal wie rabiat sie zu Werke gehen (Braun: "Es ist Verwüstung und Zerstörung. Als würden sie den Wald hassen"), dingfest machte. Sie würden am nächsten Tag durch andere ersetzt, die für jeden Job dankbar seien. Die Großen werden aber gedeckt und haben beste Beziehungen bis in die Regierung.
Claudia Müller sagt, in der Politik brauche man leider "ein dickes Fell und einen langen Atem". Sie ist bei den Grünen. Eigentlich müsste sie in ihrer politischen DNA haben, dass der Planet zumindest den langen Atem nicht mehr lange haben wird, wenn es so weitergeht.
Aber man darf auch nicht alles der Politik anhängen: Wer hat sich denn schon mal gefragt, wo das Holz von seinem neuen Esstisch, Stuhl oder Sessel herkommt? Eben. Jeder will sein Sofa haben. Vor allem, wenn es so schön günstig ist.
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