Donnerstag, 27. Juli 2023

Ein Tempolimit würde fast so viel CO2 sparen wie das Heizungsgesetz

Handelsblatt Kommentar  hier  Peter Brors  17.07.2023

Die Ampel-Koalition zerreibt sich an einem komplizierten Gesetz. Dabei lässt sie eine simple Lösung leichtfertig liegen, die im Rest der Welt eine Selbstverständlichkeit ist.

Bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h würde es nach Angaben des Umweltbundesamtes zu einer jährlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 1,6 Millionen Tonnen kommen. 

....Nun gab und gibt es um das sogenannte Heizungsgesetz ja weiter tüchtiges, mithin auch ideologisch motiviertes Geschrei. Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz vorübergehend zurück in die politischen Ausschüsse verwiesen – wobei die Union ja schon jetzt für den Fall eines Siegs bei der nächsten Bundestagswahl angekündigt hat, das Gesetz, wie immer es am Ende dann auch formuliert sein sollte, wieder zu kassieren. So weit, so demokratisch und damit völlig in Ordnung.

1,7 Millionen Tonnen CO2 will Robert Habeck nach Berechnungen seines Klimaministeriums schon im ersten Jahr damit sparen und im Verlauf der Jahre noch deutlich mehr. Das ist eine beachtliche Größe, für die es sich natürlich lohnt, politisch lauthals zu streiten. Wobei ich mich, und jetzt zurück zum Pendeln über Deutschlands Autobahnen, wundere, dass insbesondere die Grünen, aber auch alle anderen zukunftsorientierten Parteien bei einem anderen (Klima-) Thema zuletzt seltsamerweise große Ruhe bewahrt haben: beim Tempolimit. 

Tempolimit: Muss die Freiheit da wirklich weiter grenzenlos sein?

Bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von sagen wir 130 Kilometern pro Stunde würde es nach Angaben des Umweltbundesamtes zu einer jährlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 1,6 Millionen Tonnen kommen und damit zu einer sehr ähnlichen Größenordnung wie beim so heftig umstrittenen Heizungsgesetz im ersten Jahr.

Diese Berechnung basiert unter anderem auf den von der Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlichten Daten zu den mittleren Geschwindigkeiten und Geschwindigkeitsverteilungen auf Bundesautobahnen. 

„Mein Maserati fährt 210, schwupp, die Polizei hat’s nicht gesehen. Das macht Spaß. Ich geb’ Gas“: Dabei ist der Neue-Deutsche-Welle-Klassiker von Markus aus den 80er-Jahren mit Blick auf die ungezählten Baustellen und täglichen Staus doch sowieso längst ein Anachronismus.

Wo lässt sich überhaupt regelmäßig noch schneller als 130 fahren? Auf den (relativ kurzen) Autobahnabschnitten durch das Sauerland? Den Westerwald? Im Spessart? Muss die Freiheit da wirklich weiter grenzenlos sein? In den Ballungszentren ist sie es schon lange nicht mehr.

Niemandem würde etwas weggenommen. Schneller und günstiger ließe sich ein ernsthaftes, weil wesentliches Stück Transformation kaum umsetzen.

Auf dem Weg zwischen dem südlichen Rheinland und Düsseldorf beispielsweise, das sind etwa 80 Kilometer, müsste auch der frühere Wahlbonner und bekennende Porsche-Fahrer Christian Lindner aktuell je nach Streckenführung zwölf Baustellen passieren. Manche davon sind seit Jahren eingerichtet, und es wurde dort noch nicht an einem einzigen Tag kraftvoll gearbeitet. Aber das ist eine andere Geschichte. 

Dass es indes kaum noch ein anderes (westliches) Land auf der Welt ohne Tempolimit gibt, will im politischen Berlin aktuell offenbar niemand mehr wissen. Eine kleine Auswahl gefällig? Italien: 130 Kilometer pro Stunde, Spanien: 120, Norwegen: 100 oder unsere direkten Nachbarn: Schweiz 120, Österreich: 130, Frankreich: 130, Belgien: 120 und in den ach so superfreiheitlichen Niederlanden je nach Tageszeit: 100. 

Jetzt sagen Sie vielleicht, dass das eine typische Sommerloch-Diskussion ist, die jedes Jahr zur Ferienzeit von irgendeinem Schlaumeier (wie mir) vorgebracht wird. Und wahrscheinlich haben Sie damit auch recht. 

Und trotzdem: Ich verstehe als Bürger dieses Landes einfach nicht, dass diese so leicht umzusetzende und kostengünstige Maßnahme fast gar nicht (mehr) diskutiert wird. Niemandem würde wirklich etwas weggenommen. Schneller und günstiger ließe sich ein ernsthaftes, weil wesentliches Stück Transformation kaum umsetzen – und mein Pendlergewissen wäre umgehend etwas reiner.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen