Unternehmen heute hier 12. Juli 2023
Petition zum Renaturierungsgesetz erreicht über eine Million Unterschriften
Vor der Abstimmung im EU-Parlament über das Renaturierungsgesetz haben über eine Million Menschen in einer Online-Petition einen ambitionierten Einsatz für die Natur gefordert.
Die von mehreren Umweltgruppen gestartete Petition unterzeichneten bis Mittwochvormittag 1,048 Millionen Menschen, wie der Umweltverband Nabu mitteilte. Darin fordern sie die Abgeordneten in Straßburg auf, sich für ein "starkes EU-Renaturierungsgesetz" einzusetzen und dieses bis Ende 2023 zu verabschieden.
"Wir haben Angst: Der Verlust der biologischen Vielfalt und der Kollaps des Klimas bedrohen das Überleben unseres Planeten und der Menschheit selbst", heißt es in dem über die Petition veröffentlichten Brief an die EU-Abgeordneten. "Sie haben die Chance, eine Zukunft zu sichern, in der Natur und Menschen gemeinsam wachsen können."
Der Gesetzentwurf sieht vor, bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Flächen und Meeresgebiete in der EU eine Renaturierung zu veranlassen. Geplant sind etwa eine Wiederbewässerung von Fluss-Auen und Mooren, um die Folgen von Dürren zu mindern, und eine Reduzierung des Pestizideinsatzes zur Förderung der Artenvielfalt....
Die "degradierten Moore, Wälder, Auen und Flüsse in Europa" müssten dringend wieder in einen guten Zustand gebracht werden, erklärte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Dafür sei ein ambitioniertes EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur nötig. "Gelingt das nicht, steht unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlage auf dem Spiel."
WiWo hier von Henrike Adamsen 12. Juli 2023
Warum Greta Thunberg in Straßburg protestiert
Ein zentrales Gesetz des Green Deals droht am Mittwoch im Europäischen Parlament zu scheitern. Es wäre das erste Mal, dass die Abgeordneten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Unterstützung verwehren.
Wenn es ernst wird, kommt Greta Thunberg. Die Ikone der Klimaschützer ist zum Protest vor dem Europäischen Parlament in Straßburg angereist, um für das Renaturierungsgesetz zu werben. Aber auch die Gegner des Gesetzes wissen um symbolische Wirkung. Sie haben sich Gummistiefel angezogen und ihre Traktoren vor dem Parlament geparkt.
Die Szenen vor dem Parlamentsgebäude in Straßburg zeigen: Es geht um viel bei der Abstimmung am Mittwoch. Das Renaturierungsgesetz, das Europas wertvolle Naturräume in einen besseren Zustand versetzen soll, mag einen sperrigen Namen haben, aber es ist so etwas wie das Herzstück des Green Deals. Das Votum wird zum Gradmesser, mit wie viel Unterstützung EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen für ihre grüne Politik noch rechnen kann.
Die Logik hinter von der Leyens Gesetz ist schnell erklärt. Aktuell schützt Europa gut ein Viertel seiner Wiesen, Seen und Wälder. Doch 81 Prozent der schützenswerten Lebensräume sind beschädigt, warnt die Europäische Umweltagentur. Ursache sind die intensive Landwirtschaft und Pflanzenschutzmittel, aber auch Outdoor-Sport und Tourismus.
Umsetzen sollen die Mitgliedsländer
Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur will die Kommission den Negativtrend umkehren. Die Zielvorgabe: 30 Prozent der Naturflächen in schlechtem Zustand sollen eine Gesundheitskur bekommen. Doch über den Ansatz streiten die Europaabgeordneten seit Monaten erbittert. Bei der Abstimmung im Umweltausschuss im Juni gab es keine Mehrheit.
Genau die wollen die Grünen nun zugunsten des Umweltschutzes organisieren. Acht Anrufe sollen den Naturschutz in Europa retten. Denn genauso viele Abgeordnete versuchen die Grünen im Europäischen Parlament noch auf ihre Seite zu ziehen. Und die Zeit drängt. „Mit den anstehenden Wahlen in Spanien und Polen werden sich die Mehrheitsverhältnisse ändern und der Naturschutz nicht einfacher werden“, sagt Terry Reintke, Co-Vorsitzende der Grünen Fraktion.
Die Details sind hochkomplex. Welche Flächen etwa ausgewählt werden, will die EU den nationalen Regierungen überlassen. Damit beginnt aber schon der Streit: Die Abgeordneten müssen über ein Gesetz abstimmen, ohne zu wissen, wer davon im Einzelnen wie stark betroffen sein wird. Das lässt Spielraum für Interpretation.
Den nutzt die größte Fraktion im Parlament. Die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) hatte das Gesetz auf ihrem Parteitag im Mai auf die „Kill-Liste“ gesetzt. Darin zählt die Partei alle Gesetze der Kommission auf, die sie nicht unterstützen will. Die EVP-Abgeordnete Christine Schneider prognostiziert: „Das Gesetz wird zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen führen und damit unsere Ernährungssicherheit gefährden.“
Damit erntet sie Widerspruch, auch wenn die Logik „weniger Fläche, weniger Ertrag“ zunächst erst einmal eingängig erscheint. In einem offenen Brief unterstreichen 6000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Renaturierung langfristig Lebensmittelsicherheit fördere und eben kein Ende der Bewirtschaftung bedeute. Die Grünen-Abgeordnete Jutta Paulus erklärt, was Renaturierung konkret bedeute könnte: „Die intensive Landwirtschaft soll runtergefahren werden.“ Stattdessen könne die Fläche für extensive Landwirtschaft, den Obstanbau oder Fischteiche genutzt werden. Das sei eine Veränderung, aber kein Bewirtschaftungsverbot.
„Es wird niemand hungern“
Unterstützung für das Gesetz kommt auch aus der Wirtschaft. Ein breiter Zusammenschluss von Unternehmen, darunter Coca-Cola, der Outdoor-Ausrüster Patagonia und der Konsumgüterhersteller Unilever stellt sich ausdrücklich dahinter. Unilever positioniert sich auch klar gegen eine intensive Landwirtschaft: „Industrielle Anbaumethoden verbrauchen viel Wasser und lassen Böden erodieren.“
Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, blickt dagegen verhalten auf den Gesetzesvorschlag: „Es wird in Europa niemand hungern.“ Aber er befürchtet, dass die Erzeugung von Lebensmitteln und Biomasse ins Ausland abwandert zu Bedingungen, die Europa nicht kontrollieren kann. Außerdem kritisiert er, dass das Gesetz über die Köpfe der Bauern hinweg entscheide. Auch zu möglichen Kompensationszahlungen schweige das Gesetz....
Erstaunlich ist der Widerstand im Europäischen Parlament einmal, weil die EU-Mitgliedsländer, darunter Deutschland, bereits Ende Juni mehrheitlich einer abgeschwächten Version des Gesetzes zugestimmt haben. Fünf Länder, darunter die Niederlande, Italien und Polen, votierten gegen das Gesetz. Damit positionieren sich die CDU-Europaabgeordneten gegen die Regierungslinie - vor allem aber gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU)....
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