Donnerstag, 7. Juli 2022

Taxonomie: Sturm der Empörung über diese Entscheidung

11 Auszüge aus Presse- Kommentaren zur Entscheidung  im EU-Parlament gestern.
Sie dürfen sich ihr Lieblings-Presseorgan aussuchen...


SWR3  hier zur EU-ABSTIMMUNG

Kommentar zu Taxonomie: „Vertane Chance für mehr Klimaschutz“

Das EU-Parlament hat beschlossen, im Rahmen der sogenannten Taxonomie auch Gas und Kernkraft zeitweise als umweltfreundlich einzustufen. Keine gute Entscheidung für den Klimaschutz, aber auch kein Weltuntergang – kommentiert Werner Eckert aus der SWR-Umweltredaktion.



Nachrichten.at  hier

"Grüne" Atomkraft in der EU: Kritik und Klage aus Österreich

Nach der Entscheidung im EU-Parlament zeigt sich Österreichs Politik entsetzt über die umstrittene Einstufung von Gas und Atomkraft als klimafreundliche Investitionen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) kündigte rechtliche Schritte an.


RND  hier  Kritik am EU-Ökosiegel für Gas und Atomkraft

Twitter-Trend „NotMyTaxonomy“:
Atomkraft ist nachhaltig aber Hafermilch darf nicht „Milch“ heißen

Das EU-Parlament hat entschieden, Investitionen in Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen – und hat sich mit dieser Entscheidung nicht mit Ruhm bekleckert – so spiegelt es zumindest die Twitter-Community. Im Netz zeigen sich die Userinnen und User fassungslos über die neue klimapolitische Ausrichtung.

...Auf Twitter zog ein Sturm der Empörung gegen diese Entscheidung auf. Unter dem Hashtag #NotMyTaxonomy (#NichtMeineTaxonimie) machten viele ihrem Ärger Luft, darunter auch Aktivisten, Politiker und Umweltverbände.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer beschrieb die Entscheidung auf Twitter als einen harten Schlag für die EU-Klimapolitik: „Die EU-Klimapolitik ist nun nachhaltig geschwächt. Ein harter Tag für alle, die sich nach einer sichereren & nachhaltigen Welt sehnen. Wir haben gekämpft & werden weiterkämpfen. Es ist notwendiger denn je.“...

Auch private Userinnen und User ließen keinen Zweifel daran, dass ihnen die neue Taxonomie-Regel absurd vorkommt. „Willkommen in Europa, hier ist es verboten, Hafer- und Soja-, milchähnliche Flüssigkeiten – als Milch zu bezeichnen, aber Erdgas und Atomkraft darf man „nachhaltig“ nennen.“, schrieb eine Userin auf Twitter.

An ähnlichen Vergleichen, die die Absurdität der neuen Einstufung verdeutlichen sollen, mangelte es nicht. „Nachdem das EU-Parlament Gas und Atomenergie zu nachhaltigen Energiequellen erklärte, erließen die Parlamentarier eine neue Richtlinie für Schulfrühstück in der EU und erklärten Schnaps und Kippen zu dessen unabdingbaren Bestandteil“, schrieb ein anderer User. Ein anderer Nutzer bezeichnete die Entscheidung als „eine Katastrophe“, für die es keine Entschuldigung gebe.


auch der Postillon schlägt in die Kerbe:

EU-Einstufung von weißen Socken in Sandalen als sexy



ZDF hier von Christian Deker   06.07.2022 

EU-Öko-Label für Atom und Gas: Beschädigte Glaubwürdigkeit

Das EU-Parlament hat gebilligt, dass Atom und Gas zeitweise als nachhaltige Energieträger eingestuft werden. Damit schwächt die EU sich selbst und den Kampf gegen die Klimakrise.

Die heutige Entscheidung des EU-Parlaments kann nur als eine offizielle Empfehlung für Investitionen in Atomkraftwerke und Gasprojekte verstanden werden. Dabei planen angesichts der Klimakrise inzwischen selbst große Banken, freiwillig aus der Finanzierung von fossilen Energieträgern auszusteigen. Und nun soll Gas plötzlich als "nachhaltige" Anlageform gelten?

Schlechte Verhandlungsposition für EU

Wenn die EU andere Länder wie China oder Indien vom Ausstieg aus fossilen Energien überzeugen will, dürfen die eigenen Investitionen in fossile Energieträger nicht erhöht, sondern müssen massiv reduziert werden. Für eine starke Verhandlungsposition muss das eigene Vorgehen konsistent und glaubwürdig sein.

Die Industriestaaten hatten bei der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow dem Rest der Welt versprochen, ab Ende 2022 nicht mehr in fossile Energie im Ausland zu investieren. Die G7-Staaten haben ihr Versprechen letzte Woche unter Verweis auf die Energiekrise wieder zurückgenommen - schon bevor der Investitionsstopp überhaupt in Kraft treten konnte. Die heutige Entscheidung des EU-Parlaments ist ein weiterer Schritt in diese Richtung: weg von der Glaubwürdigkeit.

Die Zeit  6. Juli 2022 hierÖsterreich will Klage gegen Ökolabel für Atom- und Gaskraft einreichen

Gegen die EU-Taxonomieverordnung will Österreich vor Gericht ziehen. Die Bundesregierung betrachtet Kernenergie als nicht nachhaltig, will aber nicht klagen.

Standard  hier Tanja Traxler, David Rennert 6. Juli 2022
Grünes Label für Gas- und Atomkraft: Forscher sehen "fatales Signal"

Fachleute kritisieren die politische Entscheidung und führen Sicherheitsbedenken und falsche Anreize ins Treffen

Tagesspiegel hier EU-Parlament erklärt Gas und Atom für nachhaltig
von 
Die Entscheidung der EU ist eine vertane Chance für den Klimaschutz

Deutschland drückt Gas als nachhaltig durch, Frankreich die Atomkraft: Die Taxonomie-Entscheidung führt uns weiter in die Klimakrise. Ein Kommentar. 

Warum Gas und Atom nicht nachhaltig sind

Damit ist die jahrelange Arbeit an den detaillierten Vorschriften für die Katz.
Grund war die Not der Franzosen, Geld für die Reparatur ihrer maroden Atomkraftwerke einzusammeln. Deutschland drückte im Gegenzug Gas als Brennstoff für den Übergang durch.

Atomkraft kann aber wegen der immer noch ungeklärten Entsorgung des strahlenden Mülls nicht nachhaltig sein. Gas ist es wegen der Klimawirkung nicht. Durch den ständigen Schlupf des starken Treibhausgases in der Förderkette ist es nicht besser als Kohle.



Wirtschaftswoche   Kommentar von Silke Wettach  06. Juli 2022  hier
Die EU schwächt sich selbst

Gas und Atom gelten jetzt als klimafreundlich. Die Entscheidung verlief obskur. Will Brüssel mehr Akzeptanz, darf es keine Black Box sein. Ein Kommentar.

Nicht nur das offensichtliche Greenwashing ist ärgerlich, auch der Weg dahin war es. Eine wegweisende Entscheidung wie die Taxonomie sollte nicht im Komitologie-Verfahren entschieden werden. Diese Methode erfüllt alle Vorurteile, die gerne gegenüber Brüssel geäußert werden. Sie ist undurchsichtig und undemokratisch. Das Europäische Parlament kann dabei einen Rechtsakt nur in Gänze annehmen oder mit absoluter Mehrheit zurückweisen, nicht aber ändern. Und so wird der Hinterzimmerdeal zwischen Frankreich und Deutschland zu Atom und Gas nun Gesetz.

Die EU ist demokratischer, als das gemeinhin wahrgenommen wird. Einen so wichtigen Beschluss wie die Taxonomie in die Black Box der Komitologie zu schieben, ist ein Fehler. Ein Fehler, der die Akzeptanz der EU schwächt und Stereotype fördert.


Stuttgarter Nachrichten hier
Die Abgeordneten sind verärgert

Die Parlamentarier waren verärgert über das in ihren Augen selbstherrliche Vorgehen der Kommission. Viele der Abgeordneten machten danach ihre eigene Position deutlich und es zeigte sich, dass sich die Grenzen bei diesem Thema quer durch alle Fraktions- und Ländergruppen ziehen. Selbst viele der als sehr wirtschaftsfreundlich eingestuften konservativen Abgeordneten lehnen den Leitfaden ab. „Am Markt gibt es schlichtweg keinen Appetit für eine Taxonomie mit Kernenergie und Gas“, erklärte Markus Ferber nach der Abstimmung im Wirtschaftsausschuss. Der CSU-Europaabgeordnete ist wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. „Eine Taxonomie, die vom Markt nicht akzeptiert wird, ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben ist“, lautet sein vernichtendes Fazit.

Eine Klage gegen die Taxonomie ist möglich

Die EU-Kommission hat den Aufstand der Abgeordneten allerdings nicht nur durch das provozierende Timing der Veröffentlichung befeuert. Die Taxonomie wurde als sogenannter Delegierter Rechtsakt angelegt. Das heißt, dass das Parlament und auch die Mitgliedstaaten dem Rechtsakt nicht zustimmen müssen. Sie können ihn lediglich durch ihren Einspruch blockieren. Das aber hat viele der Abgeordneten zusätzlich empört, weil sie sich schlicht übergangen fühlten. Auch wenn die Blockade im Europaparlament am Mittwoch scheitern sollte, wollen die Gegner der Taxonomie weiterkämpfen. Sie haben bereits eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt.


Und zu guter Letzt noch der Südkurier hier  06.07.2022  |  VON DIETER LÖFFLER  hier

KOMMENTARE: EU-PARLAMENT : Unbelehrbar

Das war keine Sternstunde für das EU-Parlament. Eine Mehrheit der Abgeordneten in Straßburg vergibt alle Chancen, in Sachen Klimaschutz ernst genommen zu werden, und erklärt Atomenergie und Gas für nachhaltig. Damit hat sich Frankreich durchgesetzt, das unverdrossen auf Strom aus Kernkraftwerken setzt – künftig mit dem Segen Europas und der Aussicht auf Milliarden-Investitionen.

Gerade der Krieg in der Ukraine sollte anderes lehren. Was bitte ist an Gas nachhaltig? In welche Nöte sich Europa mit seiner Abhängigkeit von dieser fossilen Energieform gebracht hat, war noch nie so klar wie heute. Auch wer das Loblied auf Kernenergie singt, sollte einen Blick ins Kriegsgebiet werfen, wo Putins Artillerie auf ukrainische Atommeiler vorrückt. Die EU-Abgeordneten müssten diese Risiken kennen und unter dem Eindruck des Krieges neu bewerten. Sie haben sich anders entschieden. Die Investitionen fehlen künftig dort, wo sie dringender gebraucht würden, bei Sonne und Wind. 

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