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Umweltverschmutzung
Im Kampf für mehr Klimaschutz will das EU-Parlament den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten.
Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg dafür, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss sich das Parlament darüber noch mit den EU-Staaten einig werden.
Ende des Monats wollen die Mitgliedstaaten ihre Position zu einem Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselautos festlegen. Danach müssten beide EU-Institutionen einen Kompromiss finden, damit die Vorgabe in Kraft treten kann.
Nach der Abstimmung sagte der deutsche Grünen-Abgeordnete Michael Bloss am Mittwoch:
«Damit haben wir uns für die Zukunft des Automobilstandort Europa entschieden.»
Künftig würden die besten Elektroautos und neuesten Batterien aus Europa kommen. Ganz anders sieht das sein CDU-Amtskollege Jens Gieseke. «Grüne, Liberale und Sozialdemokraten setzen leider lieber alles auf die Karte Elektromobilität.» Er fürchtet nach eigenen Worten um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und zahlreiche Arbeitsplätze. Er räumte aber ein: «Das Verbrennerverbot 2035 wird wohl nicht mehr zu verhindern sein.»
Automobilverbände üben Kritik
ADAC und der Verband der Automobilindustrie (VDA) sehen die Entscheidung ebenfalls kritisch. Es wäre besser gewesen, auch eine Perspektive für klimaneutral betankte Verbrennungsmotoren zu öffnen. Die Entscheidung wolle nicht wahrhaben, so VDA-Präsidentin Hildegard Müller, dass es in weiten Teilen Europas keine ausreichende Ladeinfrastruktur für E-Autos gebe.
Die Abgeordneten sprachen sich am Mittwoch auch dafür aus, dass keine klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffe angerechnet werden können. Mit diesen könnte ein klassischer Verbrenner klimaneutral betrieben werden. Kritiker befürchten jedoch, dass es von dem «grünen» Kraftstoff schon zu wenig für Luft- und Schifffahrt gibt, die weniger leicht als Autos oder Transporter elektrisch betrieben werden können.
Umweltorganisationen begrüßten das Ergebnis zumeist. «Heute wurde vom Europäischen Parlament ein klares Signal Richtung Antriebswechsel gesetzt», so Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND. Der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Vom Nabu heißt es: «Das EU-Verbrenner-Aus 2035 ist ein großer Schritt und Arbeitsauftrag zugleich.» Die Bundesregierung müsse nun dringend Maßnahmen ergreifen, damit das Ziel erreicht werde. Der Deutschen Umwelthilfe geht die Maßnahme nicht weit genug, sie fordert ein Verbrenner-Aus schon ab 2030.
Emissions-Paket scheiterte zunächst
Am Mittwoch fanden auch weitere Abstimmung zum Gesetzespaket «Fit for 55» statt, mit dem die EU bis 2030 klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent senken und bis 2050 klimaneutral zu werden will. Eine Reform des EU-Emissionshandels, das Herzstück der europäischen Klimapolitik, scheiterte zunächst. Eine Mehrheit der Abgeordneten lehnte eine geplante Ausweitung des Systems auf Gebäude und Verkehr ab - weil sie die Vorgaben zu lax finden. Das Gesetz wurde zurück an den Umweltausschuss verwiesen, um einen neuen Kompromiss zu finden. Wichtige Abstimmungen über einen CO2-Zoll an den EU-Außengrenzen und den Klimasozialfonds für einkommensschwache Haushalte wurden verschoben.
Der CDU-Abgeordnete Peter Liese (CDU), der für die Verhandlung des Dossiers im EU-Parlament zuständig ist, sagte: «Die Sozialdemokraten und die Grünen sind ihrer Verantwortung für Klimaschutz nicht gerecht geworden.» Nach seiner Ansicht hätte der Vorschlag an vielen Stellen den Kommissionsvorschlag verschärft und mehr Klimaschutz bedeutet.
Aus Sicht der Grünen und Sozialdemokraten dagegen war der Text schlussendlich nicht ehrgeizig genug. «Das Europäische Parlament lehnt den von der fossilen Lobby und Allianz aufgeweichten Emissionshandel ab», sagte Grünen-Politiker Michael Bloss.
Änderungsvorschlag von konservativer und rechter Seite
Der Umweltausschuss hatte zuvor dafür gestimmt, den vom Emissionshandel abgedeckten Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 67 Prozent zu senken. Eine Mehrheit im Parlament stimmte letztendlich jedoch für einen Änderungsvorschlag der konservativen EVP für eine Reduktion von 63 Prozent.
«Die christdemokratische EVP hat mit der rechten Seite des Hauses versucht, den Kommissionsvorschlag zu verwässern, wo es nur möglich war», sagte Wölken von der SPD.
Der Emissionshandel ist eines der wichtigsten Instrumente zur Senkung von klimaschädlichen Emissionen und im Kampf gegen den Klimawandel. Dabei müssen etwa Teile der Industrie oder Stromproduzenten für den Ausstoß von Gasen wie Kohlendioxid (CO2) bezahlen. Vorgesehen war unter anderem die Ausweitung auf kommerzielle Gebäude und den Verkehr sowie eine schnellere Drosselung der Emissionen.
Auch der geplante EU-Grenzausgleichsmechanismus - eine Art Importzoll auf CO2-Emissionen von Waren - und der Klimasozialfonds für einkommensschwache Haushalte liegen erstmal auf Eis, da sie eng mit dem Emissionshandel zusammenhängen. Wie lange es dauern könnte, bevor das Parlament über einen neuen Kompromiss abstimmen kann, ist offen.
© dpa-infocom, dpa:220608-99-593187/5
"Fit for 55" im EU-Parlament 08.06.2022 - Vor der Abstimmung
von Holger Beckmann, ARD-Studio Brüssel
Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035?
Das EU-Parlament will heute ein umfassendes Gesetzespakt zu den Klimazielen auf den Weg bringen. Dazu zählt auch das Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035 - gegen das Lobbyverbände bis zuletzt Druck machen.
Es ist das umfangreichste Gesetzespaket zum Klimaschutz, über das im EU-Parlament jemals binnen eines Tages abgestimmt worden ist. Um insgesamt acht entscheidende Teile für den gesamten europäischen "Green Deal" geht es, der selbst mehr als 50 Gesetzesvorhaben umfasst. Eine Mammutaufgabe, sagt der liberale Abgeordnete Pascal Canfin, Vorsitzender des Umweltausschusses: "Dieses Paket ist eines der größten im gesamten europäischen 'Green Deal', auch wenn der an sich noch weit umfangreichere legislative Regelungen hat", sagt er. "Wir nehmen uns jetzt aber dieses eine große Stück vor."
Ein Stück, in dem es um die ganz großen Fragen mit Blick auf den Klimaschutz geht: um den europaweiten und einheitlichen CO2-Handel, um den sogenannten Klimaschutz-Zoll, mit dem etwa Stahleinfuhren in die EU reduziert werden sollen, die mit hohem Kohlendioxid-Ausstoß produziert wurden. Und um die CO2-Grenzwerte für Autos und Flugzeuge oder um den Sozial-Klimafonds, der besonders hohe finanzielle Belastungen durch den Umbau hin zur 55-prozentigen CO2-Reduktion bis 2030 für Konsumentinnen und Konsumenten sowie für die Mitgliedsstaaten abfedern soll. Denn das ist ja der erste handfeste Schritt auf dem Weg zur vollständigen Klimaneutralität der EU in der Jahrhundertmitte.
Widerstand in den Detailfragen
Im Europäischen Parlament gibt es grundsätzlich viel Unterstützung für diesen Kurs, der sich "Fit for 55" nennt, sogar in der christdemokratischen EVP-Fraktion oder bei den Liberalen in der sogenannten Renew-Gruppe. Unterstützung kommt auch von den Sozialdemokraten und von den Grünen ohnehin.
Allerdings, sagt Bas Eikhout, niederländischer Abgeordneter der Grünen: Je mehr es um die Details gehe, um so größer werde der Widerstand - vor allem bei den Konservativen. Tatsächlich hatte das EU-Parlament vor zweieinhalb Jahren mit großer Mehrheit und in einer symbolischen Erklärung den Klimanotstand in Europa ausgerufen - jetzt, so Eikhout, gehe es aber eben nicht mehr nur um Symbolpolitik: "
Als das Parlament damals über den Klimanotstand abstimmte, da war es offenbar für viele ausgemachte Sache, dass das eine Abstimmung ohne Konsequenzen sei. Das war es aber nicht. Jetzt, wo wir der Gesetzgebung immer näher kommen, sehen wir, dass viele zunehmend nervös werden. Und genau da stehen wir im Moment."
Dabei lasse sich mit dem Ziel 55 Prozent weniger CO2 bis 2030 nicht einmal mehr verhindern, dass die Durchschnittstemperatur auf dem Globus weiter steige. Wenn es Europa also ernst meine mit dem Klimaschutz, dann sei es das Minimum dessen, was man erreichen müsse, um noch Schlimmeres zu verhindern.
Lobbyverbände steigern den Druck
Tatsächlich verstärkten die großen Lobby-Organisationen in den vergangenen Tagen offenbar den Druck auf Parlamentsmitglieder, um Klimaziele in diesem Gesetzespaket weniger streng ausfallen zu lassen. In einem offenen Brief von fast 400 Industrieunternehmen aus der EU, zu denen auch der internationale Stahlkonzern Acelormittal oder die BASF gehören, heißt es etwa, dass die EU-Absichten - den Emissionshandel zu verschärfen oder einen CO2-Grenzzoll einzuführen - zu weit gingen. Die Industriegewerkschaft Metall aus Deutschland oder das Unternehmen Bosch verlangen, das geplante Verbot von neuen Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu kippen.
Das stößt bei Christdemokraten auf offene Ohren. Von dort kommt die Forderung, mehr synthetische und CO2-neutrale Kraftstoffe zu entwickeln oder den Wasserstoff-Antrieb voranzutreiben - dann hätten Verbrenner im Auto durchaus eine Zukunft.
Der SPD-Europaparlamentarier und Umweltpolitiker Tiemo Wölken hält das für keine gute Idee. "Um auch nur fünf Prozent des Straßenverkehrs mit eFuels zu dekarbonisieren, bräuchten wir mehr als das gesamte EU-Wasserstoffaufkommen für 2030. Zudem bringt Wasserstoff in der Industrie vier Mal so viel wie im Straßenverkehr", erklärt er. "Und mit dem EU-Ziel beim Wasserstoff für 2030 könnten wir zum Beispiel den gesamten EU-Stahlsektor dekarbonisieren und damit 200 Millionen Tonnen CO2 einsparen." Wenn man den Wasserstoff für Autoantriebe einsetzen würde, könne dieses Ziel nicht erreicht werden.
So zeigt sich bei diesen entscheidenden Abstimmungen im EU-Parlament zum künftigen Klimaschutz in Europa, wie schwierig es ist, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, wenn es konkret wird. Hinter die Vorschläge der EU-Kommission dürfe man deshalb nicht zurückfallen, heißt es. Damit rechnet auch kaum jemand - ganz sicher ist das allerdings nicht.
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