Spiegel hier kurze Auszüge unten , Ein Interview von Johann Grolle
»Es waren zwei Bilder, die die Welt aufgerüttelt haben«
SPIEGEL: Herr Staatssekretär Flasbarth, die Uno-Umweltkonferenz in Nairobi hat gestern ein internationales Plastikabkommen auf den Weg gebracht. Was bedeutet das?
Flasbarth: Diese Vereinbarung ist, neben all den schrecklichen Dingen dieser Tage, eine wirklich gute Nachricht. Die Verhandlungen wurden schon gestern, gleich am ersten Konferenztag, abgeschlossen. Die in Nairobi versammelten Nationen haben damit einen Auftrag für die Aushandlung eines rechtsverbindlichen Abkommens erteilt. Das ist ein wichtiger Schritt hin zur globalen Plastikmüllvermeidung.
SPIEGEL: Der Plastikmüll ist nur eine von vielen Herausforderungen für eine globale Umweltpolitik. Klimawandel, Artensterben, Überdüngung der Meere, um nur einige zu nennen. Wie dringlich ist da das Plastikproblem?
Flasbarth: Es hängt alles mit allem zusammen. Beim gegenwärtigen Trend der Plastikproduktion würden sich die Treibhausgasemissionen aus diesem Bereich bis 2050 verdreifachen. Plastik hängt also mit dem Klimawandel zusammen. Und wenn Sie sich die Vermüllung der Küsten ansehen, dann wird schnell klar: Das ist auch ein für die Biodiversität relevantes Thema. In der Lagune von Lagos wiederum habe ich mir angeguckt, wie Müllberge in die Lagune geschoben werden, um darauf Siedlungen oder, besser gesagt, Slums zu errichten. Man sieht: Das reicht auch in soziale Themen hinein. Plastik ist ein zentrales Problem, das wir lösen müssen, um auch viele andere Probleme lösen zu können.
SPIEGEL: Es wird aber, verglichen etwa mit dem Klimaproblem, erst sehr spät angepackt.
Flasbarth: Das stimmt. Das liegt daran, dass die Öffentlichkeit erst in den letzten Jahren das Augenmerk so richtig darauf gerichtet hat. Es waren vor allem zwei Bilder, die den Ausschlag gaben. Das eine zeigt den Plastikstrudel im Pazifik, den man auf Satellitenaufnahmen aus dem Weltall sehen kann, in seiner gigantischen Größe. Das hat viele aufgerüttelt. Daneben sind es die Bilder von Schweinswalen und Seevögeln, die im Plastik stranguliert werden. Da kamen zwei sehr emotionale Botschaften zusammen, die einen Bewusstseinswandel bewirkt haben.
SPIEGEL: Wie haben Sie diesen Bewusstseinswandel erlebt?
Flasbarth: Als ich vor neun Jahren Staatssekretär im Umweltministerium wurde, hätte ich es für ausgeschlossen gehalten, dass es einmal ein Verbot von Einwegplastik in der Europäischen Union geben wird. Ein Politiker, der so etwas hätte betreiben wollen, hätte sich einer ungeheuren Hetze gegenüber gesehen. Und dann kippte die Stimmung, und plötzlich konnte es gar nicht schnell genug gehen, gegen das Einwegplastik vorzugehen.
SPIEGEL: Wie wichtig ist die Tatsache, dass das Abkommen rechtsverbindlich gestaltet werden soll?
Flasbarth: Sehr wichtig. Das, was ausgehandelt wird, beruht nicht auf Freiwilligkeit, sondern es geht um Vereinbarungen, die dann für die Unterzeichner eines solchen Abkommens verbindlich sind.
SPIEGEL: Soll der gesamte Lebenszyklus von Plastik geregelt werden, also alles von der Kunststoffproduktion bis hin zur Vermüllung der Meere?
Flasbarth: Im Prinzip ja. Das Abkommen selbst muss ja jetzt erst ausgehandelt werden, aber im Verhandlungsmandat ist ausdrücklich enthalten, dass auch die Abfallvermeidung – und da geht es ja um die Produktion – durch das Abkommen adressiert werden soll.
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