Mittwoch, 7. Juli 2021

"Neue Landwirtschaft – nachhaltig aber viel teurer"

 06.07.2021  |  Von Felix HOFFMANN, AFP  hier  Gastbeitrag im Südkurier

Nach rund zehnmonatigen Beratungen hat die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ihren Bericht an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben. Nachhaltiger soll die Landwirtschaft werden – und gleichzeitig ein „erfolgreiches Geschäftsmodell“ für die Landwirte. Worauf sich die 31 Kommissionsmitglieder aus Agrarbranche, Wissenschaft und Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz geeinigt haben:

Ziel: Die Landwirtschaft habe eine enorme Produktionssteigerung verzeichnet und so ein starkes Wachstum der Bevölkerung ermöglicht. Die Kehrseite: Übernutzung von Natur und Umwelt, von Tieren und Ökosystemen „bis hin zur gefährlichen Beeinträchtigung des Klimas“. Zukünftig, so die Experten der Kommission, solle sich ökologisches Handeln der Landwirte auch wirtschaftlich wieder lohnen. Die deutsche Landwirtschaft muss grundlegend transformiert werden.

Maßnahmen: die ZKL empfiehlt eine Reduzierung des Konsums tierischer Produkte. Insgesamt sollen wesentlich weniger Nutztiere unter deutlich besseren Bedingungen gehalten werden.
Um die Kosten für diese Maßnahmen zu tragen, fordert die ZKL eine gesamtgesellschaftliche Beteiligung – die erforderlichen Mittel werden die aktuell zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel übersteigen. Eine der empfohlenen Maßnahmen ist deshalb auch die Schaffung eines faireren Lebensmittelmarkts – Preise für Lebensmittel sollen deren tatsächliche Produktionskosten abbilden. Auch auf europäischer Ebene fordern die Experten Reformen: So sollten sich Förderungen für Landwirtschaft künftig nicht mehr nach bewirtschafteter Fläche, sondern nach den konkreten Beiträgen der Landwirte im Sinne der Nachhaltigkeit richten.

Kosten: Wie teuer wird eine grundlegende Transformation der Landwirtschaft? Eine klare Aussage dazu gibt es im Abschlussbericht nicht, aber klar ist: Nichts zu tun ist keine Option. Die negativen externen Kosten der derzeitigen Landwirtschaft, also Kosten, die die Gesellschaft als Ganzes zu tragen hat, belaufen sich laut einer aktuellen Studie auf 40 Milliarden Euro jährlich. Um die im Abschlussbericht vorgeschlagenen Maßnahmen zu finanzieren, kommt die ZKL in einer Modellrechnung auf einen Betrag von sieben bis elf Milliarden Euro im Jahr – deutlich weniger also als der Betrag, den die Gesellschaft derzeit indirekt tragen muss.

Verbraucher: Übertragen auf die Lebensmittelpreise kommen die Autoren der im Abschlussbericht zitierten Studien zu dem Schluss, dass sich beispielsweise die Erzeugerpreise für ein Kilo Rindfleisch um das fünf- bis sechsfache erhöhen müssten. Die Preise anderer tierischer Produkte müssten sich um das zwei- bis vierfache steigern, Preiserhöhungen pflanzlicher Produkte fallen geringer aus. Andere Studien gehen hingegen von geringeren Preissteigerungen aus. 


Anmerkung:
Was schon ziemlich nervt: Der Bericht kommt jetzt Anfang Juli heraus und bestätigt alle Forderungen der Naturschutzverbände bezüglich der GAP -Verhandlungen in der EU als vollkommen richtig.
Noch Ende Mai verantwortete unsere Agrar-Ministerin Klöckner die Unterbrechung  der GAP-Verhandlungen  hier und hier und war an der wesentlichen Verwässerung der o.g. Ziele EU-weit höchst aktiv beteiligt. Im Juni blockierte die Union das dringend notwendige Insektenschutzgesetz.

Und noch ein Gedanke dazu: Es heißt " Übertragen auf die Lebensmittelpreise kommen die Autoren der im Abschlussbericht zitierten Studien zu dem Schluss, dass sich beispielsweise die Erzeugerpreise für ein Kilo Rindfleisch um das fünf- bis sechsfache erhöhen müssten" - es ist also immer davon die Rede, wie teuer es plötzlich werden wird.  Man sollte sich bei dieser Argumentation jedoch vor Augen führen: das sind die reelen Fleisch-Erzeugungskosten bei denen der Verursacher (in diesem Fall der Fleischkonsument) den fairen Preis bezahlt. Bisher hat es genauso viel, wenn nicht weit mehr gekostet - nur zahlte die Allgemeinheit den Preis für Tierleid und Umweltverschmutzung. 

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