Freitag, 23. Juli 2021

Klimafreitag

 Newsletter der Süddeutschen Zeitung

Insul im Ahrtal nach dem Hochwasser.Foto: Thomas Frey/dpa

seit bald zehn Jahren schreibe ich – unter anderem – über den Klimawandel. Ich war dabei manchmal hoffnungsvoll, manchmal wütend, manchmal traurig und sehr oft frustriert. Wenn man als Journalist befürchtet, dass einem die eigene Bedeutung zu Kopfe steigen könnte, kann ich nur empfehlen, es mal mit Klimaberichterstattung zu probieren. Man merkt dann schnell, wie groß der Einfluss ist, den man selbst mit den flammendsten Kommentaren auf das politische Geschehen hat: Er liegt in den meisten Fällen so ungefähr bei Null. Es weiß ja längst jeder, der es wissen möchte, was Sache ist. Nur folgt aus „wissen“ eben nicht auch „handeln“, das jedenfalls habe ich in den vergangenen Jahren gelernt.

Auch die Hochwasser kamen und gingen in dieser Zeit. Das große Elbhochwasser 2002, von dem jetzt wegen Gerhard Schröders Gummistiefeln wieder oft die Rede ist, habe ich verpasst, aber 2013 und 2016 waren auch nicht schön. „Nichts ist so machtlos wie eine Idee, deren Zeit gerade nicht ist“, hat mein Kollege Detlef Esslinger vor Jahren mal in diesem immer noch sehr lesenswerten Text über all das geschrieben, was im Klima- und Naturschutz so schief läuft. Der Satz gilt auch für vieles, was seit Langem über die naheliegenden Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Bodenversiegelung und Hochwasser geschrieben wird.

Und jetzt also wieder eine Unwetterkatastrophe, nur dass die Folgen nun noch viel schrecklicher sind. Mehr als 170 Menschen sind tot, viele weitere werden noch vermisst; Tausende stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.

Aber diesmal scheint etwas anders zu sein: Dieses große Unglück, nicht direkt verursacht, aber befördert durch die Klimakrise, ist in einem Moment passiert, in dem die Zeit der Klimaschutzidee vielleicht doch endlich mal gekommen oder wenigstens im Anmarsch ist. Plötzlich fordern selbst Politiker mehr Klimaschutz, die solchen Engagements bislang eher unverdächtig waren. Das führt bisweilen zu unfreiwilliger Komik, etwa wenn ausgerechnet CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt, man müsse den Klimawandel „weiter ambitioniert bekämpfen“. Aber ich will nicht kleinlich sein, wenn man das „weiter“ streicht, stimmt der Satz.

Ich frage mich schon, warum es für solche Einsichten erst eine Unwetterkatastrophe brauchte. Waren der stete Anstieg der Temperaturen, immer extremere Hitzewellen, immer längere Dürren, ein immer schnelleres Artensterben nicht erschreckend genug? Offenbar nicht.

Noch mehr aber beschäftigt mich die Frage, wie es jetzt weitergeht. Die Erfahrung zeigt leider, dass selbst der größte Schock nicht lange anhält; die Erinnerung verblasst schnell, und dann wird doch wieder nichts aus den guten Vorsätzen, weder im Hochwasser-, noch im Katastrophen-, noch im Klimaschutz. Aber wer weiß, vielleicht ist es diesmal nicht so, ich hoffe es. Was meinen Sie? Schreiben Sie uns gerne an klimafreitag@sz.de.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Marlene Weiß

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