Montag, 4. Juli 2022

FRIEDRICHSHAFEN: E-Scooter: Probleme im Vorfeld im Blick

Folgend auf eine mehrmonatigen Pilotphase beschloss der Gemeinderat nach längerer Debatte Ende April, ein E-Sharing-Konzept zu etablieren. Künftig sollen 250 E-Roller und 200 Pedelecs, also Elektrofahrräder, an Einheimische und Gäste verliehen werden. Doch wegen Vandalismus, Unfällen und schlechter Ökobilanz gelten Elektro-Tretroller als umstritten. Jetzt sucht die Stadt einen Verleiher, mit dem sich potenzielle Probleme lösen lassen. 

30.06.2022  |  VON SABINE WIENRICH SABINE.WIENRICH@SUEDKURIER.DE  hier

Probleme mit E-Scootern vorab im Blick

...Doch bereits in der Pilotphase wurde deutlich, dass ein solches Konzept nicht nur Probleme löst, sondern auch welche schafft. Diese Probleme sollen jetzt mit Hilfe einer neuen sogenannten Sondernutzungssatzung gelöst werden, die am kommenden Montag, 4. Juli, im Finanz-und Verwaltungsausschuss des Gemeinderates vorberaten wird. In seiner Sitzung am 20. Juli trifft der Gemeinderat die endgültige Entscheidung über die Sharing-Satzung.

.Problem Verkehrschaos: In den meisten größeren Städten gibt es mehrere Anbieter, die E-Roller und Pedelecs verleihen, teilweise düsen hunderte Menschen damit durch Innenstädte. Fußgänger, Radfahrer, E-Rollerfahrer – das kann schnell unübersichtlich werden .....

.Problem Parken: E-Roller im Straßengraben, unachtsam irgendwo hingeworfen – das war zu Beginn der Testphase auch in Friedrichshafen ein großes Problem. Gelöst wurde es durch fest zugewiesene Abstellplätze, die wiederum aber dafür sorgten, dass die Roller relativ unflexibel genutzt werden konnten. Künftig soll dieses Thema ebenfalls über Park- und Verbotszonen gelöst werden, die die Stadt vorgibt.....

.Problem Vandalismus: Nicht nur falsch abgestellt, sondern teilweise auch nicht mehr fahrtüchtig, im schlimmsten Fall sogar mutwillig zerstört.....

.Problem Umweltbilanz: Das Urteil des Umweltbundesamts ist ernüchternd: „Elektrische Tretroller, wie sie aktuell in Innenstädten zum Verleih angeboten werden, sind zurzeit kein Gewinn für die Umwelt.“ Der Hauptgrund: Die E-Roller würden nicht statt dem Auto genutzt werden, also als umweltfreundlicher Autoersatz, sondern eher den längeren Fuß- und Fahrradweg ersetzen – auf deutlich umweltschädlichere Weise. ....

.Problem Spaßfaktor statt Nutzfahrzeug: Betrunken auf dem E-Roller, mit 20 Stundenkilometern auf dem E-Scooter durch die Fußgängerzone – dagegen helfen nur engmaschige Kontrollen. ....



Dazu einen Artikel in Futurezone  hier  Don Dahlmann vom 4.7.22

E-Scooter sind nicht das Problem – unsere Infrastruktur ist es

Zugeparkte Bürgersteige, rücksichtslose Fahrmanöver und kein Gewinn für die Umwelt – E-Scooter sind für viele Menschen ein großes Ärgernis. Das gilt insbesondere für Menschen, deren Sinne oder Bewegung eingeschränkt sind, wie das kürzlich veröffentlichtes Foto eines Rollstuhlfahrers zeigt. Auf der anderen Seite sind E-Scooter ein praktisches Fortbewegungsmittel, das Lücken im öffentlichen Nahverkehr schließen kann. E-Scooter einfach verbieten – das wäre auch keine Lösung.

Anbieter von E-Scootern sind ohnehin kaum zu beneiden. Die Bewirtschaftung einer Stadt ist mit massiven Kosten verbunden, zudem kämpfen sie mit Vandalismus. Wie hoch die Quote hier ist, lässt sich nicht genau sagen, aber angesichts der Tatsache, dass Scooter gleich zuhauf aus Seen und Flüssen geborgen werden, dürften die Verluste nicht gering sein. Und dann sind da eben noch egoistische und rücksichtslose Nutzer, die die Fahrzeuge einfach abstellen, wie und wo es ihnen passt. Viele Städte und Kommunen verweisen zudem auf die gestiegenen Unfallzahlen von E-Scootern.

Platzproblem im städtischen Raum

Das Hauptproblem sind jedoch nicht die Fahrzeuge – es ist die vorhandene Infrastruktur. Die Nutzfläche auf Bürgersteigen war schon vor der Einführung der E-Scooter knapp bemessen. Fast überall streiten sich Passanten, Cafés, Restaurants, abgestellte Fahrräder, Motorräder und E-Motorroller um den knappen Platz. Dass es da zu Konfrontationen kommt, ist klar und dass die Städte auf die Klagen der Wählerinnen und Wähler schnell mit Verboten reagiert, ist auch nicht verwunderlich.

Die Klagen der Städte wären aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie gleichzeitig etwas unternehmen würden, um die Zahl der Autounfälle mit ungeschützten Verkehrsteilnehmern zu verringern. Gefährliche Straßengestaltung, immer schwerere und größere Pkws und ein Mangel an Mobilitätsalternativen – das sind die eigentlichen Treiber der Krise. Zu schmale Bürgersteige sind nur einer davon.

Weg mit den Parkplätzen

Die jahrzehntelang auf das Auto ausgerichtete Infrastruktur stößt immer mehr an ihre Grenzen. Sichtbar wird das vor allem am Straßenrand. Dort ist vielerorts sehr viel Platz für Parkplätze, also für Autos, die diesen Platz stunden- und tagelang in Anspruch nehmen. In Paris hat man das Problem mit den Scootern und den Parkplätzen schon früh erkannt und gehandelt. An Kreuzungen beispielsweise wurden ein oder zwei Autoparkplätze umgewidmet. Dort parken nun ausschließlich E-Scooter, Leihräder oder Leih-Motorroller. Dafür dürfen diese nicht mehr auf dem Bürgersteig abgestellt werden.

Eine einfache Lösung, die man in jeder deutschen Stadt umsetzen könnte. Doch es passiert nichts. Der Grund ist häufig, dass die Verantwortlichen in den Ämtern den Zorn der Autofahrer und Wähler fürchten. Das ist verständlich, aber zu kurz gedacht. Denn E-Scooter haben das Potenzial, den innerstädtischen Verkehr deutlich zu reduzieren. Laut einer US-Studie des Scooter-Anbieters Bird ersetzen bis zu 45 Prozent aller mit dem E-Roller zurückgelegten Strecken das Auto. Allerdings müssen die Scooter-Startups auch dafür sorgen, dass Angebote in den Außenbezirken einer Stadt zu gewähren.

Zusammengefasst: E-Scooter allein werden Menschen nicht dazu bringen, ihr Auto abzuschaffen. Die Fahrzeuge können jedoch dabei helfen, ein multimodales Verkehrsnetz aufzubauen, das zu einer guten Alternative zum eigenen Auto werden kann. Dafür müssen die Städte aber endlich umdenken. Die Infrastruktur darf nicht mehr nur um das Auto herum geplant werden. Statt also zu fragen, was man für Autofahrer tun kann, muss man überlegen, wie die Mobilität aller Menschen verbessert werden kann.

Don Dahlmann ist seit mehr als 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

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