Tagesspiegel hier Ein Gastbeitrag JÜRGEN TRITTIN
Die Globalisierung wird politischWie der Markt bei Klima, Krieg und Corona versagt
Der Markt regelt das schon? Längst ist klar, dass das für viele Menschheitskrisen nicht gilt. Was daraus folgen muss.
Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Global Challenges" - eine Marke der DvH Medien. Das Institut möchte die Diskussion geopolitischer Themen durch Veröffentlichungen anerkannter Experten vorantreiben. Heute schreibt Jürgen Trittin, der außenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Weitere regelmäßige AutorInnen sind: Prof. Dr. Ann-Kristin Achleitner, Sigmar Gabriel, Prof. Veronika Grimm, Dr. Werner Hoyer, Günther H. Oettinger, Prof. Dr. Bert Rürup und Prof. Dr. Renate Schubert.
Jüngst ging das Davoser Weltwirtschaftsforum zu Ende. Es war das erste seit zweieinhalb Jahren – und das erste, das vor grüner Kulisse statt weißer Pracht stattfand. So wie die Maisonne den Schnee dahinschmelzen ließ, so haben Klimakrise, Corona und Krieg die zentralen Glaubenssätze von drei Jahrzehnten marktgetriebener Globalisierung hinweggefegt. Allen voran das Mantra: Der Markt regelt das schon.
Das Satellitenbild der vor Shanghai auf Reede liegenden Containerschiffe wurde zum Symbol für global gestörte Lieferketten. Verzögerungen und Materialmangel, von Chips über Kabelbäume bis zum Bauholz, treiben heute die Inflation in Europa wie in den USA.
Die Coronakrise zeigt, wie wenig resilient eine Weltwirtschaft ist, die aus Kostengründen die Produktion von Pharmazeutika und Medizinprodukten auf wenige Standorte konzentriert hat. Und wie wenig ein ungeregelter Markt in der Lage ist, essentielle Güter wie Impfstoffe pandemiegerecht zu verteilen. Während im reichen Norden Impfstoffe jenseits des Verfallsdatums ungenutzt vernichtet werden, fehlen sie im globalen Süden. Dort drohen neue Mutationen, mit denen die Impfstoffe auch im Norden ihre Wirksamkeit einbüßen könnten.
Die Klimakrise ist das größte Marktversagen
Das größte Marktversagen aber, die Klimakrise, erfasst immer mehr Länder. In Indien stiegen schon im Mai die Temperaturen auf bis zu 50 Grad. In Sri Lanka führten Hitzewellen und steigende Energiepreise zu Aufständen und dem Sturz der Regierung. In Nahost droht wegen Dürre und fehlender Weizenlieferungen eine ähnliche Entwicklung.
Die Weizenkrise ist auf ausfallende Transporte aus der Ukraine und Russland zurückzuführen – eine Folge von Wladimir Putins Angriffskrieg. Aber die für viele Gesellschaften verheerende Entwicklung des Weizenpreises hat auch spekulative Ursachen: An den Börsen wird weltweit das Vielfache des global vorhandenen Weizens gehandelt. So werden die Nachfrage und damit den Preis hochgehalten.
Offensichtlich regelt der Markt nicht alles. Die Welt steht vor einer neuen Hungerkatastrophe. Die von Putin ausgelöste Weizenkrise erhöht die Spannungen zwischen dem globalen Norden und dem Süden. Dass nun das reiche Europa, beim Versuch sich von Russland zu emanzipieren, als massiver Nachfrager fossiler Energien auf den Weltmarkt tritt, hält den Ölpreis hoch und treibt Kohle- wie Gaspreise. So wachsen die Spannungen mit dem globalen Süden weiter.
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