Mittwoch, 4. Mai 2022

NRW: "Land unterliegt im Kiesstreit vor Gericht"

Wäre das bei uns auch möglich? Der uralte LEP stammt aus dem Jahr 2002 und die Abwägung bei der Regionalplan-Fortschreibung war alles andere als vertrauensbildend.... Die Wahrscheinlichkeit ist groß dass der Plan einer Klage nicht standhalten wird.
Der BUND hat diesbezüglich bereits Gutachten eingeholt und bereitet sich auf eine Klage vor.


RP Zeitung  hier  VON JULIA HAGENACKER, ANTJE HÖNING, UWE PLIEN UND MARTIN RÖSE

Das Oberverwaltungsgericht stoppt die Ausweitung des Abbaus.
Das Land NRW habe Rohstoff- und Umweltinteressen zu wenig abgewogen. Am Niederrhein herrscht Erleichterung, Minister und Unternehmen warnen vor Baustoffmangel.

Land und Wirtschaft haben vor Gericht eine Niederlage erlitten. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster kippte am Dienstag die geplante Verlängerung der Zeiträume für den Sand- und Kiesabbau. Bei der Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) 2019, mit der die schwarz-gelbe Regierung die Ausweitung ermöglichen wollte, seien öffentliche und private Belange nicht ausreichend abgewogen worden, entschied das Gericht.
Geklagt hatten die Kreise Viersen und Wesel sowie die Kommunen Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg und Alpen. Sie führten an, dass das Land der Rohstoffsicherung zu Unrecht Vorrang vor Belangen von Umweltschutz, Städtebau, Land- und Forstwirtschaft gegeben habe.

Das OVG folgte den Argumenten und gab den Normenkontrollanträgen statt. Eine Revision ließ es nicht zu; dagegen könnte das Land aber Beschwerde einlegen.
Das Gericht übte klare Kritik: Das Land habe argumentiert, dass die Verlängerung bessere Planungssicherheit für die Kiesbetriebe ermögliche: „Tatsächliche Erkenntnisse zum Bedarf liegen aber nicht vor.“ Es fehle schon an Ermittlungen, ob die im LEP vorgesehene Verlängerung des Abbauzeitraums von 20 auf 25 Jahre für die Rohstoffversorgung der Bevölkerung notwendig sei und welcher Flächenbedarf dafür anfalle.

Die Kommunen reagierten erleichtert. „Die Entscheidung begrüßen wir als Kreis Viersen ausdrücklich“, sagte Landrat Andreas Coenen (CDU). „Der Abbau von Sand und Kies im Kreis Viersen ist eine Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung, aber er darf nicht zu einer uneingeschränkten Ausbeutung unserer Lagerstätten führen, sondern muss im Einklang mit weiteren Belangen wie dem Wohnen, der Landwirtschaft und dem Naturschutz erfolgen.“ Von einem „guten Tag für den Kreis Wesel“ sprach Landrat Ingo Brohl (CDU): „Wir haben nun ein deutliches Signal, dass die Bedarfsermittlung von Kies und Sand auf andere Füße gestellt werden muss.
Der Bürgermeister der Stadt Kamp-Lintfort, Christoph Landscheidt (SPD), betonte: „Unser gemeinsamer Weg war der richtige, um die unverhältnismäßige Auskiesung am Niederrhein zu reduzieren.“ Dietmar Heyde (Grüne), Bürgermeister von Rheinberg, betonte: „Das Urteil zeigt, dass wir Rechte haben, wenn es um unsere Flächen geht.“

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) kündigte an, die Urteilsbegründung zu prüfen. „Die Sorgen der am unteren Niederrhein lebenden Menschen durch den Kiesabbau sind nachvollziehbar. Für das Ministerium ist aber auch die Rohstoffsicherung für den notwendigen Infrastrukturausbau und den Ausbau der Windenergie von großer Bedeutung“, sagte Pinkwart unserer Redaktion. „Die Gesellschaft braucht ausreichend Baustoffe wie Sand und Kies für den Hausbau sowie den Ausbau der Infrastruktur.“

Sascha Kruchen, Chef des Verbands Zukunft Niederrhein, einer Initiative der Sand- und Kiesunternehmen, warnte: „Die Entscheidung wird negative Auswirkungen auf die Rohstoffversorgung in NRW haben. Nicht nur die Unternehmen sind betroffen, auch die politischen Ziele beim Wohnungsbau, bei der Energie- und Verkehrswende werden gefährdet.“ Es könne zu einer Verknappung bei Sand und Kies und damit zu deutlichen Preissteigerungen kommen. Das treffe am Ende auch Verbraucher.

Auch die IHK Mittlerer Niederrhein ist besorgt: „Für die Rohstoff-Unternehmen ist es schade, denn sie benötigen eine lange Perspektive für ihre Investitionen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Dietzfelbinger. „Wenn wir Wohnungen und Häuser bauen und Brücken sanieren wollen, benötigen wir Beton und damit Kies und Sand. Dieser Aufgabe müssen wir uns gemeinsam in NRW und im Dialog stellen.“ Norwich Rüße, Umweltexperte der Grünen-Fraktion, sprach von einer „schallenden Ohrfeige“ für schwarz-gelbe Planungspolitik.

Immer wieder wird der Konflikt zwischen Wirtschaft und Naturschutz vor dem OVG ausgetragen. Oft hat die Wirtschaft das Nachsehen: Im Kampf um den Braunkohleabbau im Hambacher Forst erlitt RWE eine Schlappe. Bei Unipers Steinkohle-Kraftwerk Datteln kippte das OVG den Bebauungsplan.

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