Samstag, 7. Mai 2022

Greenwashing: Die Sonne, der Wald und das große Geld

Industriell betriebene Landwirtschaft mit Massentierhaltung will keiner außer den Profiteuren. Doch noch weniger wollen wir die Rodung von Wädern zur Energiegewinnung. Nichts wurde verstanden von den Verantwortlichen, die sehen nur ihren Profit auf Kosten des Klimas, der Umwelt, der Menschen und Tiere. Es kann doch nicht sein, dass die einfach so weiter machen können!
Dieser Post hängt mit diesem vorigen  hier thematisch zusammen, falls man noch mehr lesen möchte.

Correctiv  hier   Von Gabriela Keller und Isabel Knippel  04.05.2022

So sieht Greenwashing aus: Die Lindhorst-Gruppe hat mit intensiver Landwirtschaft und Massentierhandel ein Vermögen gemacht. Recherchen von CORRECTIV und RBB zeigen auf, wie sie nun versucht, mit Solarparks Rendite und Image aufzupolieren. Aber dabei droht der Verlust von mehreren Hundert Hektar Wald.

Wer die Sonne einfangen will, braucht Platz. Und kaum einer hat mehr Platz als der Agrarkonzern Lindhorst. Die Frage ist nur, was dafür verschwindet.

Da ist dieser Wald, rund 80 Kilometer nordöstlich von Berlin, kurz vor der polnischen Grenze. Er breitet sich hinter rostigem Maschen- und Stacheldraht aus. Auf der anderen Seite, neben der Straße, hat Martin Krüger sein Auto geparkt. Krüger, Vorsitzender des Bundes deutscher Forstleute Brandenburg, deutet ins Astwerk der Bäume: „Da, unter den Kiefern, sieht man wie Ahorn und Buchen einwandern, man sieht mehrere Generationen Bäume“, sagt er. „Wir haben hier Altbäume dabei, die über 100 Jahre alt sind.“

Zwar ist das Gebiet dominiert von Kiefern. Aber wenn Krüger durch den Zaun schaut, sieht er ein Potenzial, das selten geworden ist: Ein zusammenhängender Wald, etwa 680 Hektar groß und so weit entwickelt, dass er sich in einen hochwertigen Mischwald umwandeln ließe. Schon jetzt biete das Areal einen Rückzugsraum für Schwarzstörche und Uhus, ein Biotop, wo die Natur lange weitgehend sich selbst überlassen war.

Der Wald liegt nahe dem Örtchen Hohensaaten. „Betreten verboten“ steht auf Schildern am Zaun, auf dem Areal dahinter soll es gefährlich sein: Im Dritten Reich wurde auf dem Gelände Sprengstoff hergestellt, zu DDR-Zeiten nutzte die NVA es als Tanklager. Seither betreten nicht viele Menschen den Wald – eben deshalb zog er viele geschützte Tiere an, sagt Förster Krüger: „Für den Naturschutz ist das Gebiet sehr wertvoll.“

 Solaranlagen mit „Öko“-Industriepark statt Wald 

Aber nun haben nach Recherchen von CORRECTIV und RBB Investoren das Gebiet für sich entdeckt. Die Lindhorst-Gruppe, ein Agrarkonzern mit Sitz in Niedersachsen, plant ein gewaltiges Projekt: Eine Solaranlage soll entstehen, rund 250 Hektar groß, dazu ein Gewerbe- und Industriepark für Firmen, die, so heißt es in den Planungsunterlagen, einen „hohen Bedarf an Elektroenergie haben“. Zum Beispiel ein Rechenzentrum und Betriebe, die sich mit „Energieumwandlung“ oder der Gewinnung von „Alternativ- oder Synthesekraftstoffe“ wie Wasserstoff befassen.

Als Planungsbüro agiert die Gicon Grossmann Ingenieur Consult GmbH. Inhaber der Firma ist Jochen Großmann. Der ehemalige Technikchef des Hauptstadtflughafens BER wurde 2014 wegen Bestechlichkeit und Betrugs rechtskräftig verurteilt.

Auch in Hohensaaten geht es um ein Großvorhaben. Nach derzeitigen Planungen soll es mehr als 350 Hektar umfassen – das ist größer als die Tesla Gigafactory in Grünheide.

Damit steht das Projekt für ein heikles Dilemma der Energiewende: Solaranlagen verwandeln Sonnenlicht in Strom, sauber, günstig und effizient. Aber der Solar-Boom hat eine wenig beachtete Kehrseite: Die Anlagen brauchen Platz, je größer, desto mehr. Der große Bedarf an Flächen führt zu neuen Konflikten und einer immer rabiateren Konkurrenz um Boden. Die Zeit drängt: Fachleute gehen davon aus, dass Deutschland seine Solarenergie-Leistung um das Fünf- bis Sechsfache steigern muss. Und je stärker der Druck, umso mehr politischen Rückhalt haben Großinvestoren wie Lindhorst, die über Geld, Planungsbüros und Flächen verfügen. 

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine soll es plötzlich ganz schnell gehen: Deutschland muss einen Weg finden, sich mit Energie zu versorgen, unabhängig, sauber und am besten sofort. Aber wo sollen die Anlagen hin?

Mit der Energiewende öffnet sich ein Geschäftsfeld für Agrarkonzerne 

Der Bau von Solarfarmen auf Ackerland ist heftig umstritten, weil die Flächen vor allem für den Anbau von Lebensmitteln verloren gehen. Gleichzeitig stockt der Ausbau auf den Dächern. Dabei gäbe es dort noch viel Platz: Studien zufolge sind fast 90 Prozent aller geeigneten Dachflächen ungenutzt. Aber die Umsetzung ist kompliziert, auch dezentrale Projekte wie Mieterstrommodelle erschöpfen sich an bürokratischen Hürden. 

Damit öffnet sich ein Geschäftsfeld für Konzerne, die renditegetriebene Megaprojekte auf freier Fläche planen. Solaranlagen auf Ackerland versprechen inzwischen lukrative Erträge, sehr viel lukrativer jedenfalls als der Anbau von Gerste oder Winterroggen.

Der Agrargigant Lindhorst bewirtschaftet in Ostdeutschland riesige Flächen mit minimalem Personal. Der Konzern sprach 2019 von 22.000 Hektar insgesamt. Ob das noch stimmt, lässt sich nicht prüfen. Auf die Fragen von CORRECTIV und RBB hat Lindhorst trotz mehrere Versuche nicht reagiert. Der Ausverkauf der ostdeutschen Landwirtschaft wird längst als Problem wahrgenommen; der Begriff „Landgrabbing“ macht die Runde.

In den Augen vieler Menschen steht die Lindhorst-Gruppe für eine Landwirtschaft, die auf Kosten von Natur und Umwelt geht; Anwohner, Kommunalpolitikerinnen und Fachleute sprechen von großflächigem Mais-Anbau, Glyphosat und Bodenerosion. 

Seit einiger Zeit steuert die Gruppe um und präsentiert sich als Öko-Konzern. „Wir denken grün“, heißt es auf der Webseite. Aber wer den Strängen des Firmennetzwerks folgt, bekommt einen anderen Eindruck. Die Recherche führt an Orte, an denen Moorböden absacken, Bäume verschwinden und Schafe neben Solaranlagen verenden.

Die Lindhorst-Gruppe nimmt gegenüber CORRECTIV und RBB zu keinem der Vorwürfe Stellung. Auf ihrer Webseite steht, sie setze sich für „gesunde Böden, intakte Wälder und Insektenvielfalt“ ein; als nachhaltige Maßnahmen sind Blüh- und Brachstreifen, Nisthilfen, Baumpflanzungen und die Bereitstellung von Flächen für Photovoltaik genannt. 

Der Solarausbau trifft auf eine heikle Gemengelage   

Zurück nach Hohensaaten, ins Untere Odertal. Förster Martin Krüger läuft entlang des Zaunes um das Lindhorst-Areal. „Ich verstehe die Welt nicht mehr“, sagt er. „Eigentlich müssten wir Biosysteme aufbauen, die Kohlenstoff binden. Jetzt roden wir Wälder, um Industrieanlagen zu bauen.“ 

Die Pläne sehen vor, neben dem Gewerbegebiet einen Randstreifen Wald stehen zu lassen. Aber das, meint Krüger, werde die Umweltschäden nicht auffangen: „Die angrenzenden Bestände werden leiden, man würde die Wanderwege mancher Tierarten zerschneiden“, sagt er, „es wäre wirklich verheerend.“

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