Sonntag, 1. Mai 2022

Die Neubauförderung muss dringend reformiert werden – fünf Möglichkeiten

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GASTKOMMENTAR – HOMO OECONOMICUS

Der Autor:Ulrich Kriese ist Sprecher für Bau- und Siedlungspolitik des Naturschutzbunds (Nabu) und Mitbegründer der Reforminitiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“.

Die bisherige Förderpraxis belohnt einseitig das Energiesparen während der Nutzungszeit. Eine Folge ist, dass die gesamten CO2-Emissionen steigen, kritisiert Ulrich Kriese.

Nachdem auch die von der Bundesregierung zusätzlich bereitgestellte Milliarde Euro für die Förderung energieeffizienten Neubaus am 20. April schon am ersten Antragstag aufgebraucht war, gibt es bis Jahresende nur noch das Förderprogramm für die Effizienzhaus-Stufe 40 mit Nachhaltigkeits-Klasse. Noch folgt die Förderung  der alten, auf eine Reduktion des Energieverbrauchs in einem sehr engen Sinne fixierten Förderphilosophie.

Von dieser Einseitigkeit möchte sich die Bundesregierung erfreulicherweise verabschieden. Ab 2023 sollen nur noch Gebäude gefördert werden, die auch in erweiterter Betrachtung als nachhaltig gelten können. Das könnte einen Paradigmenwechsel für den Bausektor bedeuten, der zur Verschwendung von Energie, Land und Ressourcen neigt.
Noch sind die Prinzipien, die für eine reformierte KfW-Förderung gelten sollen, nicht formuliert. Was beim Bauen ist nachhaltig und damit förderwürdig – und was nicht? 

Fünf wichtige Verbesserungsmöglichkeiten gegenüber der bisherigen Förderung fallen ins Auge:

Treibhausgasemissionen als maßgebliche Kriterien

Erstens müssten künftig die Treibhausgasemissionen zu den maßgeblichen Kriterien zählen, nicht nur der Energieverbrauch. Und zwar nicht nur die Emissionen während der Zeit der Gebäudenutzung, sondern auch jene, die bis zur Fertigstellung eines Gebäudes anfallen, etwa bei Gewinnung und Herstellung der Baustoffe.

Damit sänke die Förderwürdigkeit eines Gebäudes, für das reichlich Beton verbaut wurde und das nach heutigen Regeln problemlos förderwürdig ist. Es kann derzeit sogar als „Nullenergiehaus“ deklariert werden. Dagegen würden klimafreundliche Bauweisen endlich angemessen honoriert, wie beispielsweise der Holzbau, bei dem Kohlenstoff dauerhaft eingelagert und damit klimaneutralisiert wird.

Emissionen auf Wohnfläche beziehen

Zweitens sollten die Treibhausgasemissionen eines geplanten Gebäudes auf den Quadratmeter Wohnfläche bezogen werden. Bisher wird der Energieverbrauch mit dem eines theoretischen Referenzgebäudes gleicher Bauart und Größe verglichen.

Der Energiebedarf des geplanten Gebäudes muss lediglich den Energiebedarf des Referenzgebäudes unterschreiten, selbst wenn es aus energetischer Sicht sehr ungünstig gestaltet ist. Dieses Berechnungsverfahren führt dazu, dass kleine Gebäude mit viel Fensterfläche und energetisch ungünstiger Form pro Quadratmeter mehr Energie verbrauchen dürfen als klimafreundlicher gestaltete Gebäude. Der Quadratmeter als einheitliche Bezugsgröße würde Schluss machen mit Boni für klimaschädliche Verschwendung.

Gebäude nur noch innerorts fördern

Drittens sollten nur noch Gebäude innerorts gefördert werden. Der Erhalt der Artenvielfalt, der Schutz der Humusschicht des Bodens als Kohlenstoffspeicher und eine gesicherte Nahrungsmittelproduktion dürfen nicht länger durch staatlich gefördertes Bauen auf der grünen Wiese torpediert werden.

Schlimm genug, dass viele Kommunen in der heutigen Zeit, trotz großer Nachverdichtungspotenziale in Form von Brachen und Baulücken, neue Baugebiete ausweisen. Wer dort unbedingt bauen will, mag das tun, aber ohne staatliche Förderung.

Fördermittel sollten in Sanierung fließen

Öffentliche Unterstützung sollte nur bekommen, wer innerorts baut – und vor allem, wer saniert. Deshalb sollten, viertens, Fördermittel überwiegend und vorrangig in die Sanierung fließen. Denn die wichtigste Maßnahme, um den Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral zu machen, ist eine markante Erhöhung der Sanierungsquote. Sanierung spart im Vergleich zu Abriss und Neubau Rohstoffe und Energie. In weniger nachgefragten Regionen hilft sie gegen die Verödung der Ortskerne.

Wiederverwendung von Bauteilen

Fünftens sollte auch die Wiederverwendung von Bauteilen gefördert werden. Wiederverwendung schont Klima und Ressourcen mehr als jedes Recycling. Es gibt bereits Bauteilbörsen, aber wegen oft mangelnder Verfügbarkeit und des insgesamt noch zu geringen Angebots an Bauteilen ist der logistische und planerische Aufwand für Wiederverwendung sehr hoch. Hier würde eine Förderung die nötigen Anreize setzen.

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