Die
Unternehmenswelt und insbesondere die Finanzindustrie beschäftigen sich derzeit
unter Hochdruck mit der Implementierung der EU-Taxonomie-Vorgaben der ersten
Stufe. Hier sind mittlerweile die Kriterien für die Messung und Offenlegung der
Emission von Klimagasen erarbeitet.
Weniger
bekannt ist außerhalb der Expertenkreise, dass sich die Taxonomie auch auf
weitere Bereiche des Wirtschaftslebens bezieht, unter anderem auf die
Zielsetzung, die Volkswirtschaften zu sogenannten Kreislaufwirtschaften (auf
Englisch „circular economies“) weiterzuentwickeln.
Kern
dieses Ansinnens ist es, die Verschwendung von natürlichen Ressourcen durch
einmalige Verwendung und nachfolgend die Entsorgung zu unterbinden. Denn das
Wegwerfen von Artikeln verursacht nicht nur das weithin bekannte Müllproblem,
beispielsweise die Müllstrudel in den Ozeanen, sondern die weggeworfenen
Gegenstände binden auch – teils wertvolle – Rohstoffe, die für die Herstellung
neuer Produkte unter hohem energetischen Aufwand oder unter Belastung der Umwelt
(zum Beispiel der Abbau von Kobalt und seltenen Erden für Mobiltelefone) wieder
neu gefördert werden müssen. Wir sehen also einen massiven politischen
Rückenwind.
Verluste
bei Lebensmitteln
Um
die Breite der Anwendbarkeit der Kreislaufwirtschaft zu illustrieren, sollen
hier einige Beispiele genannt werden. Denn sie betreffen praktisch alle Lebens-
und Wirtschaftsbereiche. Für die Verbraucher unmittelbar begreifbar ist die
Tatsache, dass circa ein Drittel aller Lebensmittel auf dem Weg vom Acker bis auf
den Teller verloren geht, durch Verderben, Nichtkonsum oder anderes. Es gibt
bis auf wenige Ausnahmen bislang keine systematische Verwertung von nicht
konsumierten Lebensmitteln, sondern sie werden vielfach einfach über den Müll
entsorgt.
Gleiches
gilt für Verpackungsmaterialien, denn trotz des in Deutschland vor Jahrzehnten
eingeführten Recyclingsystems „Grüner Punkt“, der von jedem Verbraucher durch
eine Umlage mit finanziert wird, liegt die tatsächliche Wiederverwertung je
nach Kunststoffsorte unter 10 oder 20 %. Elektro- und Elektronikgeräte werden
überwiegend gar nicht recycelt, trotz der Tatsache, dass in Konsumelektronik
sehr wertvolle Ressourcen verbaut sind (Gold, Platin, weitere Metalle).
In
der Theorie ist die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft sehr eingängig
und höchst wünschenswert, denn sie hilft massiv dabei, die Beanspruchung der
natürlichen Ressourcen durch das menschliche Wirtschaften abzumildern.
Es gibt
jedoch zwei mächtige Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.
Das eine ist
das Thema Innovation. Bisher sind Kreislaufüberlegungen nur in einer Minderheit
der Produkte umgesetzt worden, beispielsweise in der Automobilindustrie, wo
bereits im Design neuer Fahrzeuge die komplette Wiederverwendung der
Komponenten mit geplant wird.
Andere Lebensbereiche wie z. B. die zuvor genannte
Konsumelektronik-Branche sind hingegen weniger systematisch auf Recycling
vorbereitet, häufig auch aufgrund der Tatsache, dass es im Design der Produkte
nicht mit bedacht wurde.
Die
große Hürde bei der Wiederverwendung von einzelnen Komponenten von Produkten
besteht häufig darin, dass das Endprodukt nur schwer wieder in seine
Einzelteile zu zerlegen ist. Ohne den Schritt der Abtrennung ist die Gewinnung
der Rohstoffe unmöglich. Ein alltägliches Beispiel ist die
Tetra-Pak-Milchverpackung. Lange Zeit als sehr umweltfreundliches
Verpackungsmaterial gepriesen, sind die Einzelbestandteile (Karton,
Innenbeschichtung aus Kunststoff) praktisch nicht zu trennen, so dass die
Mehrzahl der Verbundverpackungen eher der „thermischen Verwendung“ (sprich
Verbrennung) zugeführt werden als der Aufteilung in Einzelrohstoffe.
Die
gute Nachricht ist, dass sich in Sachen Innovation beim Recycling in den
vergangenen Jahren viel getan hat. In immer mehr Bereichen setzt sich die
grundlegende Bereitschaft durch, Recycling zum Teil des Produktzyklus zu
machen.
Die
zweite große Herausforderung ist die Kostenfrage. So lange der Abbau von
Rohstoffen – teilweise unter entsetzlichen menschlichen oder ökologischen
Bedingungen – günstiger ist als die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus
Altprodukten, wird der Anteil recycelter Rohstoffe überschaubar bleiben. Aber
auch hier sorgt die Innovation für sinkende Kosten und höhere
Wettbewerbsfähigkeit, die gepaart mit regulatorischen Vorgaben für einen
Durchbruch sorgen kann.
Abseits
der Börse
Ist
damit die Kreislaufwirtschaft bereits das
neue Anlagethema für den Investor? Diese Frage kann nicht eindeutig
bejaht werden, denn das Potenzial für künftige Wachstumsstorys ist riesig.
Allerdings spielt sich ein guter Teil der Innovation und der „neuen“
Geschäftsmodelle bei nicht-börsengelisteten Unternehmen ab, so dass dieser
Bereich für den normalen Anleger nicht leicht zugänglich ist. Auch bei größeren
Konzernen spielt das Thema Recycling eine wichtige strategische Rolle.
Allerdings stellt sich dann die Frage, wie „thematisch rein“ ein Investment in
ein solches Unternehmen ist, wenn der Anleger gezielt in Kreislaufwirtschaft
investieren möchte.
Aus
unserer Sicht stehen wir in diesem neuen Anlagethema noch am Anfang, es
benötigt noch mehr investierbare Unternehmen. Das Potenzial, mittelfristig zu
einem ertragreichen Thema zu werden, ist jedoch eindeutig gegeben.