Zunehmende Hitze- und Dürreperioden setzen mancher Baumart zu. Weshalb der Druck steigt, neue Strategien für den Forst zu entwickeln.
Markus Weisshaupt geht stracks auf ein unscheinbares Bäumlein zu, offenbar erst kürzlich gepflanzt. „Eine Elsbeere“, sagt der Förster stolz. Schön, denkt man sich und schaut auf das kleine, von hölzernen Mini-Verstrebungen geschützte Gewächs.
Worauf die Überlegung folgt, was genau denn eine Elsbeere ist. Fichte, Tanne, Buche oder Eiche sind weitaus gängigere Arten - und deshalb auch ohne tieferes forstwissenschaftliches Wissen bestimmbar. Aber die Elsbeere? „Sie könnte ein Baum der Zukunft sein“, meint Weisshaupt.
Dies ist das Thema, um welches es geht: Was wird denn in den nächsten Jahrzehnten auf forstlichem Grund wachsen? Welche Baumarten kommen mit dem im Wandel befindlichen Klima besser zu Recht als andere? Weisshaupt will dazu Erklärungen geben. Er hat in einen oberschwäbischen Landstrich nordöstlich von Ravensburg eingeladen: den Altdorfer Wald. So nennt sich auch der dortige Forstbezirk von Forst BW, dem Landesbetrieb zum Bewirtschaften des baden-württembergischen Staatswaldes.
Weisshaupt ist hier stellvertretender Forstbezirksleiter. Er lobt mögliche Vorzüge der Elsbeere: „Sie verspricht, ein trockeneres und wärmeres Klima besser auszuhalten.“ ...
Neue Strategien werden dinglicher
... Förster drückt eher die Frage, wer Kandidat für den künftigen Wald sein kann. Nicht dass eine andere Wetterwelt den uralten Sehnsuchtsort der Deutschen zum künftigen Albtraum macht. „Wir berücksichtigen auch zunehmend Bäume, die bisher nicht so verbreitet waren“, berichtet Weisshaupt beim Ortstermin an einem sonnigen Morgen. Es fallen weitere Namen: Zitterpappel etwa, Wildapfel, auch Schwarzdorn und Esskastanie.
Neu ist dies alles nicht. Aber wer mit Forstwirtschaft zu tun hat, merkt, dass neue Strategien dringlicher werden. Dem Wald sollen sie auf mehreren Ebenen dienlich sein: als Erholungsort, als CO2-Speicher, als traditionelles Wirtschaftsobjekt. Oberster Verantwortlicher für den Staatswald in Baden-Württemberg ist dabei Agrarminister Peter Hauk, selber gelernter Förster. Der CDU-Politiker verkündet: „Wenn wir den Wald und seine vielfältigen Funktionen für die Gesellschaft erhalten wollen, müssen wir ihn jetzt aktiv an den Klimawandel anpassen!“
Die baden-württembergische Forstkammer als Verband der Privatwaldbesitzer zeigt sich ebenso alarmiert. „Extremwetterereignisse sowie die Einwanderung von Neophyten, schädlichen Insekten sowie Pilzen aus anderen Regionen und Klimazonen machen eine Planung für Forstbetriebe immer schwieriger“, warnt sie eindringlich.
Die Fichte in der Krise
Auch Weisshaupt weiß, was die Stunde geschlagen hat. Als Erklärung dazu darf ein zentraler Baum in deutschen Wäldern nicht fehlen: die Fichte, relativ schnell wachsend, gutes Bauholz, über Generationen hinweg der forstwirtschaftliche Brotbaum. ....prinzipiell hat die Fichte in jüngster Zeit eher den Ruf eines Totenbaumes bekommen: trocken- wie hitzeempfindlich, dadurch gestresst und deshalb leichte Beute des gefürchteten Borkenkäfers. „Wir haben hier aber eine Staulage an den Alpen“, erinnert der Förster an regionale Umstände. ....
Apokalyptisch anmutende Bilder
Als schlagendes Beispiel dient wie so oft der Harz, einst wegen der Holzwirtschaft mit Fichten zugepflanzt. .....
„Noch nie sind so viele Bäume abgestorben“, hat Heinrich Spiecker von der Universität Freiburg in einem TV-Interview betont. Er ist Experte für Waldwachstum und hat zusammen mit einem Kollegen eine Studie über das Baumsterben im Schwarzwald publiziert. Das, was vor sich geht, fasst er in kurzen wie naheliegenden Sätzen zusammen: „Hohe Temperatur und geringer Niederschlag fördern die Sterberate. Geringe Temperatur und hoher Niederschlag erhöhen die Vitalität der Bäume.“
Man könnte von einer Binsenweisheit reden, gültig zu allen Zeiten. Aber die Statistik der vergangenen zehn Jahre verzeichnet eben verstärkt Trockenphasen, dazu noch Hitzezeiten. Der Deutsche Wetterdienst wiederholt mit fast schon nervender Regelmäßigkeit Prognosen, hierzulande werde es weiterhin „heißer und auch trockener“. Schlechte Nachrichten für jene Botanik, die dies nicht gewohnt ist.
Weg von alten Gewissheiten
Im Altdorfer Wald sagt Förster Weisshaupt, man müsse generell von alten Gewissheiten wegkommen, von Lehrsätzen, die sich in 300 Jahren Forstwirtschaft gebildet hätten:
„Es ist eben nicht mehr so, wie es einmal war.“ Siehe die Fichte, die sich bisher in Deutschland auch dort halten konnte, wo sie nicht heimisch ist. Zum einen hätte sie von Natur aus bloß einen geringen Anteil am Wald. Zudem ist ihr ursprünglicher Verbreitungsschwerpunkt in den Mooren Oberschwabens, den Bergwäldern der Alpen und der höchsten Mittelgebirge, also unter anderem im Schwarzwald am 1494 Meter hohen Feldberg, aber weniger in den Tallagen. ...
Der Wald soll von selber wachsen
Grundsätzlich setzt Forst BW in seiner Strategie auf die oft propagierte Naturverjüngung.
Der Wald soll von selber wachsen - zumindest weitgehend. „Manchmal helfen wir aber mit Pflanzungen nach“, erklärt Weisshaupt, „gerade wenn es sich um mögliche Zukunftsbäume handelt.“ Er führt tief im Wald zu entsprechenden Flächen. An einem Flecken sind es Lärchen und Kiefern, die wegen ihrer Pioniereigenschaften inzwischen mehr berücksichtigt werden. Woanders stehen junge Zitterpappeln, vom Holz her zwar nicht hochwertig, dafür widerstandsfähige Wegbereiter für Aufforstungen......
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