BR24 hier Alexander Dallmus
Plastik hat keinen guten Ruf. Es gibt zu viel. Doch als Verpackungsmaterial ist es oft nachhaltiger als vergleichbare Alternativen. Vor allem, wenn es Lebensmittel davor schützt, weggeworfen zu werden.
Kaum einer würde in der kleinen Ortschaft Burgheim im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen den bayerischen Marktführer in Sachen Netzsäcken vermuten. Michael Schliebe vertreibt mit seinem Familienunternehmen vorwiegend Plastiknetze für Kartoffeln und Zwiebeln. Die Papier-Alternative wäre in diesem Falle nicht nachhaltiger, erklärt er. Denn für 2,5 Kilo Kartoffeln bräuchte es allein 30 Gramm an speziellem Kraftpapier. Sein Renner bringt ein Vielfaches weniger auf die Waage: "Da haben wir, im Vergleich, beim Raschelsack gerade mal 5,5 Gramm", sagt Michael Schliebe, "klar ist das Plastik, aber ich glaube schon, dass man da abwägen kann, ob das mehr Sinn macht oder nicht."
Wenn das PE-Material richtig entsorgt wird, nämlich im gelben Sack, der gelben Tonne oder mit dem Verpackungsmüll auf der Wertstoffinsel, könnte es zudem weiter aufbereitet werden. Michael Schiebe hat getüftelt und seine Netze neu geknüpft, mit nachhaltigem Erfolg: "Unser größter Sprung in dem Bereich war 2015. Da sind wir im Materialverbrauch einen gehörigen Schritt nach unten gegangen. Und dadurch sparen wir jedes Jahr um die 200 Tonnen aufwärts an Kunststoff ein."
In verdorbenen Lebensmittel stecken viele Ressourcen
Aber: Müssen Lebensmittel denn überhaupt immer verpackt werden? Gerade während der Pandemie hat Deutschland einen Boom bei den Unverpackt-Läden erlebt. Richtig eingesetzt wirkt Kunststoff allerdings durchaus nachhaltig: "Das heißt, wenn ich mir die Verpackung spare, aber dann das Lebensmittel wegschmeiße, habe ich zehnmal mehr Ressourcen verbraucht", sagt die Lebensmittelchemikerin Professor Carolin Hauser. Sie forscht an der Technischen Hochschule Nürnberg am Standort Neumarkt an nachhaltigen Verpackungen.
Immer noch sind Verpackungen sehr oft überdimensioniert, sind Produkte mehrfach ummantelt oder ganz unterschiedliche Materialien und Schichten verhindern eine eindeutige stoffliche Zuordnung, wenn es an die Wiederverwertung geht. Aber es tut sich auch was, sagt Hauser: "Bei PET-Flaschen schaut es schon mal wirklich sehr, sehr gut aus. Da wird viel investiert, da wird auch viel geforscht. Auch in Projekten, wo wir jetzt tätig sind. In Richtung Monomaterialien, um dann eben ein gescheites Recycling zu gewährleisten."
Der Verbraucher zieht nicht immer mit
Die Verbraucher spielen dabei auch eine ganz gewichtige Rolle. Denn leider stimmen Aussagen bei Umfragen und das Verhalten beim Einkauf nicht immer überein. Stefan Weist, Leiter der Abteilung Obst und Gemüse bei der REWE-Group, einem der großen vier marktbeherrschenden Handelskonzerne in Deutschland, kann davon ein Liedchen singen. Er hat 2019 einen der größten Unverpackt-Tests in über 600 REWE-Filialen im Südwesten Deutschlands begleitet.
Beispielsweise wurden Bio-Karotten entpackt und lose verkauft. Das Resultat: Der Absatz ging massiv zurück und die Kunden kauften lieber wieder konventionelle aber verpackte Ware. "Acht Gramm Plastik gespart, 600 Gramm entweder weniger oder mehr konventionell verkauft. Das wollten wir auch nicht", sagt Stefan Weist rückblickend. "Wir wollten ja durch Bio Auspacken nicht erreichen, dass die Leute wieder auf konventionelle, verpackte Ware gehen."
Nur etwa die Hälfte der Testprodukte bei Obst und Gemüse blieb nach zwei Monaten auch unverpackt. Aber, sagt Stefan Weist, es gab auch positive Überraschungen: "Beispiel Bio-Paprika, wo wir immer ein bisschen Sorge hatten, wenn wir die auspacken, wird die dann verwechselt? Was passiert an der Kasse? Kann die Kassiererin den Artikel überhaupt noch unterscheiden mit den kleinen Aufklebern. Da haben wir positive Verbraucherreaktion, wenn wir es am Umsatz ablesen, gesehen."
Nicht immer einfach: Nachhaltige Verpackungen
Für die meisten Verbraucher sind die nachhaltigen Unterschiede bei Verpackungen nicht immer klar ersichtlich. Papier oder auch die vielbeworbenen, angeblich kompostierbaren Verpackungen scheinen auf den ersten Blick besser zu sein als Kunststoff. Aber Papier ist im Lebensmittelbereich oft beschichtet und kompostierbare Verpackungen sind im Biomüll verboten und können nur verbrannt werden. Umso wichtiger sind Verpackungen, die sehr sparsam eingesetzt werden, sagt Chemikerin Hauser, funktional und möglichst aus nur einem Stoff, der damit leicht wiederverwertbar ist.
Es macht beispielsweise auch keinen Sinn, Einweg-Plastikbesteck, -Teller oder –Trinkhalme – seit Mitte des Jahres in der EU verboten – durch andere Einweg-Materialien zu ersetzen. Ob sie nun aus Zucker-Milchsäureverbindungen, dem Holzbestandteil Lignin oder Bambuspulver (in Deutschland ebenfalls nicht erlaubt) sind – nur Mehrweg ist hier wirklich nachhaltig.
Und noch etwas ist entscheidend: Regionales und saisonales Obst und Gemüse muss wegen der kurzen Transportwege und der Frische der Produkte meist gar nicht erst übermäßig verpackt werden.
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