Samstag, 1. November 2025

Blick in die USA: „mill, baby, mill“

WiWo hier Sebastian Schug 31.10.2025 

Erneuerbare Energien trotzen Trump und schlagen die Konkurrenz

Windräder statt Ölbohrtürme: „Drill, baby, drill“? Die Devise lautet eher „mill, baby, mill“
Donald Trump Liebe zu Windkraftanlagen und Solarparks zu unterstellen, wäre an den Haaren herbeigezogen. Trotzdem kennen die Kurse der Erneuerbaren nur eine Richtung: nach oben.

Schaut man sich die Aktienkurse von Energieunternehmen in den USA an, könnte man überraschter kaum sein. Die Kurszuwächse von Unternehmen aus dem Sektor der Erneuerbaren schlagen nicht nur ihre fossilen Brüder und Schwestern, sondern auch den breiten Markt. 

Statt Donald Trumps markigem Aufruf „drill, baby, drill“ wirkt es eher, als laute die Devise „mill, baby, mill“ – Windkraftanlagen statt Ölbohrtürme. Der US-Branchenindex WilderHill Clean Energy machte seit Jahresbeginn ein Plus von über 60 Prozent.

Dabei sprechen die politischen Maßnahmen eine ganz andere Sprache: Die US-Regierung hat nach Amtsantritt alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihr Versprechen einzuhalten. Genehmigungen für große Windprojekte vor der US-Küste wurden zurückgezogen, Förderung für Erneuerbare zusammengestrichen, Umweltregeln, die den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung lukrativ machen sollten, geschliffen und Öl- und Gasprojekte an allen Fronten angeschoben.

Doch die Marktkräfte sind offenbar stärker als Donald Trump. 

Nicht nur leidet der internationale Ölmarkt bereits unter einem perspektivischen Überangebot, was auch Einmaleffekte wie die Russlandsanktionen nicht ändern, zum anderen liegt die Profitabilitätsschwelle insbesondere bei US-Schieferöl mit rund 65 Dollar besonders hoch. Berichten zufolge rebellieren nun auch republikanisch regierte Bundesstaaten an der Ostküste gegen neue Ölbohrungen im Meer – aus Sorge um den Tourismus.

Windkraft- und Solaranlagen hingegen profitieren von chinesischen Dumpingpreisen und können ihre Investitionskosten in kurzer Zeit einspielen. Das heißt nicht, dass das nicht auch seine Kehrseite hat. Im Zuge der gestiegenen Zinsen litten vor allem Firmen, die sich auf die Installation von Solaranlagen spezialisiert hatten. Etliche rutschten in die Insolvenz. Auch US-Hersteller haben es traditionell schwer, mit den Preisen aus Ostasien mitzuhalten.

Rechenzentren brauchen schnell viel Energie

Wieso die Erneuerbaren an der Börse jedoch unter dem Strich dennoch nicht nur die breite Energiebranche, sondern auch den Gesamtmarkt schlagen, liegt vor allem an einem Trend: künstliche Intelligenz. Die gigantischen Investitionen in Rechenzentren, die Technologiefirmen wie Meta, Microsoft, OpenAI oder Oracle ankündigen, sorgen nicht nur für regen Absatz bei den Chip-Herstellern, sondern auch bei den Energielieferanten.

Die US-Regierung setzt hierbei vor allem auf Atomstrom – und namhafte Tech-Konzerne folgen diesem Ruf. Mit den Meilern Palisades in Michigan, Three Mile Island in Pennsylvania und Duane Arnold in Iowa sollen gleich drei stillgelegte Kraftwerke explizit zum Stillen des KI-Stromhungers reaktiviert werden. Das Problem, neben Milliarden an Investitionskosten: Der erste der Reaktoren soll voraussichtlich Mitte 2027 Strom liefern, Duane Arnold erst 2029.

Erneuerbare Energien – insbesondere Solarkraftwerke – können dagegen schnell installiert werden und liefern mit den passenden Großbatterien auch nachts ausreichend Strom. Kein Wunder also, dass der WilderHill-Index profitiert. Denn dort sind nicht nur Wind-, Wasserkraft- und Solarfirmen präsent, sondern auch Batteriedienstleister, Netzanbieter und Produzenten von Kraftstoffen auf Wasserstoff- und Biobasis. Den Rechenzentren ist am Ende egal, woher der Strom kommt. Hauptsache, er ist verfügbar und er ist möglichst billig.

Spannt man die Zeitleiste des Branchenindex auf, wird jedoch klar, dass auch die Erneuerbaren nicht vor einem Zuviel an Euphorie gefeit sind. Während der Pandemie erreichte der Index Anfang September 2021 bei 281 Punkten seinen bisherigen Höchststand. Bis August 2025 verlor er daraufhin fast 90 Prozent an Wert. Wo die sogenannte goldene Mitte liegt, müssen Anleger auf dem Markt nun herausfinden.

Solange die Befürchtungen einer KI-Blase sich nicht bewahrheiten, dürfte der perspektivische Strombedarf jedoch weiter steigen. Die Unternehmen, die diese Nachfrage bedienen können, haben bis auf Weiteres keine Subventionen nötig. Für Investoren zudem beruhigend ist: Während Rechenzentren schnell an Wert verlieren dürften, sollte der KI-Boom ausbleiben, müssen Kraftwerke, die konkurrenzfähig Strom produzieren, lediglich den Kunden auswechseln.

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