Dienstag, 2. Juli 2024

Der Wunschtraum vom ungebremsten Autobahnbau in Zeiten der notwendigen Transformation

Nicht nachzuvollziehen : Wissing kündigt weniger Geld für Autobahnbau an und vollzieht publikumswirksame Kürzungen, nachdem er mal eben so die Gelder für die Autobahn-AG massiv erhöht hatte (hier) Und dann wird 10-spurig geplant. Die notwendige Sanierung der vorhandenen Brücken wird aber ganz still und heimlich zurückgestellt - die sind ja auch nicht halb so spannend für die Porsche-Traumtänzer unserer Zeit.


Frankfurter Rundschau  hier 01.07.2024  Von: Joachim Wille

Volker Wissings Autobahn-Wahn

Deutschland verfügt schon über das dichteste Highway-Netz Europas und will es trotzdem erweitern.  Ein breites Bündnis warnt: FDP-Verkehrsminister verschleudere Steuergeld für unwirtschaftliche und klimaschädliche Straßenprojekte.

Deutschland verfügt über das dichteste Autobahnnetz Europas. Trotzdem will der Bund 850 Kilometer neue Autobahnen bauen und die Bundestraßen um 2000 Kilometer erweitern, während gleichzeitig Geld für die Erneuerung der auf Verschleiß gefahrenen vorhandenen Verkehrswege und den Ausbau der Bahn fehlt.

Angesichts der aktuellen Beratungen über Einsparungen im Bundeshaushalt 2025 fordert daher ein breites Bündnis von Gewerkschaft Verdi, Autoclub ACE, Umweltverband BUND und NGO Klimaallianz das Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) auf, Neubauprojekte im Umfang von 20 Milliarden Euro zu streichen und das Geld in die Straßensanierung und den Ausbau der Schiene zu investieren. Nur so könnten auch die Klimaziele eingehalten werden.

Das Bündnis wirft der Ampel-Bundesregierung vor, mit der Umsetzung des „Bundesverkehrswegeplans 2030“, in dem die Ausbaupläne für Autobahnen und Bundessstraßen stehen, Steuergeld für tatsächlich unwirtschaftliche Projekte zu verschleudern. Laut einer aktuellen Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) beruhen die positiven Wirtschaftlichkeitsprognosen in dem bereits 2016 verabschiedeten Plan auf veralteten Kostenannahmen.

Massive Kostensteigerungen im Verkehrswege-Bau seither hätten dazu geführt, dass das Gesamtvolumen der geplanten Projekte die dafür zur Verfügung stehenden Mittel um über 40 Prozent übersteige. Darunter litten auch die ohnehin belasteten Länder und Kommunen, die die teuren Planungen finanziell mittragen müssten.


Das FÖS ist von dem Bündnis mit der Studie beauftragt worden.
Laut der FÖS-Analyse sieht der Bundesverkehrswegeplan
insgesamt 133 Milliarden Euro für Straßenprojekte vor,
während nur 112 Milliarden Euro für die Schiene bereitgestellt werden.


Dies steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, in dem es heißt, die Bundesregierung werde „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren“.

Außerdem seien, so die Studie, mit der bisherigen Ampel-Politik weder die Klimaziele im Verkehrssektor noch die von der Ampel geplante massive Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene zu erreichen, darunter die Verdoppelung der Fahrgastzahlen bei der Bahn bis 2003. Unterstützt wird die Kritik an den Straßenbauplänen von einer weiteren, jüngst von europäischen Dachverband der Verkehrs-NGOs, Transport and Environment (T&E), und der Umweltorganisation Greenpeace vorgelegten Analyse. Danach sind zwei von drei geplanten Autobahnen und Bundesstraßen unwirtschaftlich.

Neben den gestiegenen Baukosten schlägt hier zu Buche, dass die CO2-Kosten des Autoverkehrs vom Bundesverkehrsministerium bei Aufstellung des Bundesverkehswegeplans mit 145 Euro pro Tonne angesetzt wurden, während das Umweltbundesamt inzwischen von Langfristschäden in Höhe von 791 Euro pro Tonne ausgeht. Zudem werde der durch den Straßenau induzierte Verkehrsanstieg stark unterschätzt, wodurch die daraus resultierenden Kosten vor allem durch steigende CO2-Emissionen unterbelichtet sind.

Alle Faktoren zusammengenommen führen laut der Analyse dazu, dass sich 665 der im Bundesverkehrswegeplan verzeichneten 1045 Straßenprojekte nicht mehr rechnen, also 64 Prozent. Das heißt: Die Kosten übersteigen den wirtschaftlichen Gewinn durch die neuen oder ausgebauten Straßen, der beispielsweise durch Zeitersparnis wegen kürzerer Strecken oder weniger Staus entsteht.

Zahlreiche milliardenschwere Autobahnprojekte dürfen schon nach dieser offiziellen Berechnungsweise nicht mehr gebaut werden, darunter die Fortführung der „Ostsee-Autobahn“ A20 durch zahlreiche Naturschutz- und Moorgebiete in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Tatsächlich müsset die Bewertung sogar noch negativer ausfallen, da die Zerstörung von natürlichen CO2-Speichern wie Wäldern oder Mooren in der Kalkulation des Bundesverkehrswegeplans nicht berücksichtigt wird.

Das Vierer-Bündnis kritisiert aufgrund solcher Neubewertungen, Wissing führe die autozentrierte Politik seiner CSU-Vorgänger fort, statt eine moderne Mobilitätspolitik umzusetzen. Angesichts der angespannten Haushaltslage appellierten die Verbände an den Minister, „die Verschwendung von Steuermitteln“ durch den Bau unwirtschaftlicher Straßenprojekte zu stoppen und auf die angekündigten Kürzungen bei der Schiene zu verzichten. Der Vorsitzender des ACE Auto Club Europa, Stefan Heimlich, sagte dazu: „Alle Infrastrukturprojekte umzusetzen können wir uns schlicht nicht leisten, dafür fehlen uns Geld und Personal.“

Wissing müsse die Sanierung von Brücken und Straßen sowie den Schienenausbau priorisieren. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt unterstrich das: „Während Minister Wissing öffentlich kundtut, es sei nicht genug Geld für die Sanierung der 11 000 maroden Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen da, werden weiter teure und naturzerstörerische Autobahnen geplant.“ Mit Blick auf die Haushaltslage dürfe nicht bei der Schiene gespart werden.

Die Vizevorsitzende von Verdi, Christine Behle, ergänzte, der Bundesverkehrswegeplan beruhe auf über zehn Jahre alten Annahmen und müsse dringend überarbeitet werden. Daniel Eggstein von der Klima-Allianz Deutschland forderte von Wissing, „seine Politik den neuen Realitäten – Klimakrise und Haushaltsloch – anzupassen und endlich eine nachhaltige Verkehrspolitik umzusetzen.“

Und er mahnte, der Bundesverkehrswegeplan werde sonst zur selbsterfüllenden Prophezeiung, Motto: „Wer Straßen baut, wird Autoverkehr produzieren.



ZDF hier  von Dominik Rzepka  19.06.2024

Nouripour nennt zehnspurige A5 "irrsinnig"

 Die A5 bei Frankfurt könnte die erste zehnspurige Autobahn Deutschlands werden. Umweltschützer sind alarmiert und Grünen-Chef Nouripour kritisiert das Vorhaben als "irrsinnig".

Grünen-Chef Omid Nouripour hat den möglichen zehnspurigen Ausbau der Autobahn A5 bei Frankfurt am Main scharf kritisiert. Nouripour sagte ZDFheute:


Dieser irrsinnige Autobahn-Ausbau wird nicht gebraucht.

Omid Nouripour, Grünen-Vorsitzender


In Hessen habe der damalige Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) "den Größenwahn einer zehnspurigen A5 zu Recht gestoppt". An dieser Entscheidung habe seinerzeit der SPD-Abgeordnete Kaweh Mansoori Kritik geäußert. Dieser setze nun als Al-Wazirs Nachfolger im Amt den Ausbau um, so Nouripour.

Dabei hätten die Grünen auf Bundesebene durchgesetzt, dass der Ausbau einzelner Autobahn-Abschnitte nur mit Zustimmung der Länder möglich sei. Die Große Koalition in Hessen hätte also die Möglichkeit, den Ausbau der A5 zu stoppen. Nouripour kritisiert:



Mal wieder wird klar,
dass SPD und CDU unter Mobilität nur Autobahn verstehen.


Omid Nouripour, Grünen-Vorsitzender


Auch die Umweltschutzorganisation BUND kritisiert die Pläne. Ein solches Vorhaben bringe mehr Lärm und mehr Flächenversiegelung, das sei eine zusätzliche Belastung für das ohnehin schon belastete Rhein-Main-Gebiet, sagt BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg.

Stattdessen brauche es eine Mobilitätswende mit weniger Straßenverkehr und zum Beispiel längere Züge in der Region. Insgesamt müsse die Politik einen Gestaltungswillen erkennen lassen, der aber fehle, sagt Hilgenberg ZDFheute:


Man muss Verkehre verlagern und
Kapazitäten auf der Schiene erhöhen.
Es braucht Weitblick,
wie der Verkehr in zehn Jahren aussehen soll.

Jens Hilgenberg, BUND


Wissing will sich nicht festlegen

Ob der zehnspurige Ausbau der A5 kommt, liegt bei der Autobahn GmbH. Deren Aufsichtsratsvorsitzender ist der FDP-Politiker Oliver Luksic, der auch parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium ist.

Die Frage von ZDFheute, ob das Ministerium beziehungswiese dessen Chef, Volker Wissing (FDP), den Ausbau unterstützt, wollte ein Sprecher am Mittwoch nicht beantworten. Die Machbarkeitsstudie stelle keine finale Entscheidung dar, heißt es aus dem Ministerium lediglich.

Die Autobahn GmbH erstelle jetzt ein Gesamtkonzept. Dabei müsse man generell beachten, "dass wir unsere Verkehrsinfrastruktur so bedarfsgerecht ausbauen, dass sie den Ansprüchen der Zukunft gerecht wird", so der Sprecher. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) teilt mit, ihr Ministerium sei an dem Verfahren nicht beteiligt und dürfe deswegen auch keine Stellung beziehen. Generell aber setze man sich für eine ökologische Verkehrswende ein......



Den Verbänden geht es aber um den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur, um die Sanierung der Brückenbauwerke zum Beispiel.


ARD hier
Verbände warnen vor Verkehrskollaps


Verbände fordern eine Milliarde Euro mehr
In einer Erklärung der Verbände heißt es, mehr als 4.000 Brücken allein im Bereich von Autobahnen seien aktuell dringend sanierungsbedürftig oder müssten neu gebaut werden. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) habe vor zwei Jahren angekündigt, der Bund werde spätestens ab 2026 pro Jahr 400 Brückenbauprojekte durchführen, damit binnen zehn Jahren der Sanierungsstau abgearbeitet ist."
Weil die Zusage kaum eingelöst werden wird, wenden sich mehrere Spitzenverbände jetzt in einem gemeinsamen Notruf an die Bundesregierung zu Wort", hieß es. 


Spiegel hier  Von Arvid Haitsch  19.06.2024

A5 bei Frankfurt: Erste deutsche Autobahn soll zehnspurig werden

Auf der XXL-Autobahn in die Klimakatastrophe: In Hessen soll die breiteste Fahrspur Deutschlands entstehen, Gärten und Häuser sollen planiert werden. Kritiker erwarten Verhältnisse wie in Los Angeles – und mehr Schaden als Nutzen.

Los Angeles? Die Freeways der kalifornischen Autometropole mit ihrem notorischen Stau auf bis zu 14 Spuren findet auch Justin Geistefeldt nicht gerade verlockend. Von solchen Zuständen sei Deutschland glücklicherweise »weit entfernt«, sagt der Verkehrswissenschaftler von der Ruhr-Universität Bochum – dank des passablen öffentlichen Nahverkehrs und einigermaßen kompakt gebauter Städte.

Und doch spricht laut Geistefeldt viel für ein Projekt in Hessen, das Kritiker als »Los-Angeles-Highway« schmähen: die breiteste Autobahn Deutschlands. Für die A5 bei Frankfurt am Main, eine der meistbefahrenen Strecken der Republik, empfiehlt eine von Geistefeldt mitverfasste Machbarkeitsstudie den Ausbau von heute sechs oder acht auf zehn Spuren. Es wäre eine bundesweite Premiere, betroffen wäre der gesamte Abschnitt zwischen Friedberg im Norden der Stadt und dem Frankfurter Kreuz am Flughafen, rund 29 Kilometer lang.

Nur so sei die bis 2030 erwartete Verkehrsmenge von rund 200.000 Kraftfahrzeugen pro Tag zu bewältigen, und das auch nur »knapp unter der oberen Grenze der Qualitätsstufe D«, wie es in der Studie heißt. Also etwa Schulnote Vier minus für fließenden Verkehr. Demnach fehlte nicht viel, dann hätten die Gutachter nach gängigen Maßstäben sogar zwölf Spuren empfehlen müssen.

Klimafolgen werden bei der Planung ausgeblendet

Ein »besonders verrücktes Vorhaben« sieht hingegen Hans Christoph Stoodt von der Bürgerinitiative »Es ist zu laut« gegen den Ausbau der A5. Für den pensionierten Pfarrer, der im Stadtteil Griesheim 500 Meter abseits der Autobahnbrücke über den Main lebt, ist das »ewige Hintergrundrauschen« schon gewohnte Realität. Der heutige Zustand für viele direkte Anwohner der Trasse: »Buchstäblich lauter, als die Polizei erlaubt«.

Aber für eine mehr als 50 Meter breite Autobahn müssten nicht nur Häuser und Gärten weichen, die heute schon direkt an der Lärmschutzwand stehen. Der Ausbau ginge auch zulasten des ohnehin gefährdeten Trinkwasserschutzgebiets Stadtwald und eines Vogelschutzgebiets am Main, vor allem jedoch: des Klimas. Wie könne man denn heute noch breitere Straßen für noch mehr Autoverkehr bauen? »Das ist doch ein Unding«, findet Stoodt. »Das Gegenteil müsste passieren.« Also eher Rück- als Ausbau.

Verkehr auf der A5 bei Frankfurt: Den Takt der Stadt geben die Pendlerströme vor

Einer von Stoodts Mitstreitern klagte auf Herausgabe der zwei Jahre alten, bislang unter Verschluss gehaltenen Machbarkeitsstudie. Nun hat die bundeseigene Autobahn GmbH sie veröffentlicht 

Auf 521 Seiten finden sich keine Angaben zum zusätzlichen CO₂-Ausstoß infolge des Projekts, dafür steht da kurz und lapidar: Fossile Energieträger würden im Verkehr mittelfristig von erneuerbarer Elektromobilität abgelöst. Das Problem erledigt sich irgendwann von selbst, könnte man daraus lesen. Im Übrigen enthalte das Klimaschutzgesetz keine Regeln, »die für Straßenplanungen konkret zu beachten wären«. Einige Probleme für Mensch und Umwelt werden aufgelistet, aber nicht als »unüberwindbare umweltrechtliche Hindernisse« für den Ausbau eingestuft.

»Unverständnis und Verärgerung in der Stadtgesellschaft«

Wie brisant das Papier in der Region wirkt, zeigte die prompte Reaktion der Stadt Frankfurt am Main: In einer Mitteilung ist die Rede von »erheblichem Unverständnis und Verärgerung in der Stadtgesellschaft«. Im vergangenen Jahr hatte die Stadtverordnetenversammlung sich bereits kategorisch gegen den zehnspurigen Ausbau ausgesprochen. »Das wird es mit uns nicht geben«, versprach zuvor der heutige Oberbürgermeister Mike Josef (SPD). »Das Letzte, was wir brauchen nach der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, ist der Ausbau der A5.«

Zu entscheiden hat jedoch nicht die Stadt, und auch nicht die hessische Landesregierung, die sich in der Frage windet: Die Landes-CDU will das Projekt unbedingt. Verkehrsminister Kaweh Mansoori (SPD) war im Wahlkampf noch vehement dagegen, befindet zur Freude des Koalitionspartners jetzt aber, »das Auto gehört zu Hessen wie Ahle Wurst und Ebbelwei«. Dennoch sei er skeptisch, ob die zehnspurige A5 überhaupt möglich wäre. Bislang zog Mansoori sich auf die unveröffentlichte Machbarkeitsstudie zurück. Die jedoch besagt: Möglich sind die zehn Spuren, wenn man sie will.

Was jetzt daraus wird, liegt bei der Autobahn GmbH unter dem ausbaufreundlichen Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) – und bei Parteichef Christian Lindner, dessen Finanzministerium dafür Haushaltsmittel reservieren müsste. Seine Sparvorgaben treffen auch die Autobahngesellschaft, zeigen die aktuellen Beratungen um den Etat für 2025. Für die A5 bei Frankfurt werde man jetzt ein »Gesamtkonzept« erstellen, erklärt die Autobahn GmbH.

»Deutschlandtempo« nur für acht Spuren

Kompliziert wird die Lage, weil das von der Ampelkoalition verkündete »Deutschlandtempo« auch auf der Frankfurter A5 möglich ist – aber nicht für die ganze Strecke, und nur für acht- statt zehnspurigen Ausbau. Den für beschleunigte Planung nötigen Code »überragendes öffentliches Interesse« beschloss der Bundestag für eine Liste von 138 Autobahnprojekten, die Engpässe in westdeutschen Ballungsräumen auflösen sollen. Teile der A5 um Frankfurt stehen darauf – nördlich des Nordwestkreuzes, wo laut Bundesverkehrswegeplan ein Ausbau von sechs auf acht Spuren geplant werden soll, sowie einige Autobahnkreuze entlang der Strecke.

Der zehnspurige Ausbau steht zwar auch noch als »vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung« im bereits 2016 beschlossenen Bundesverkehrswegeplan, aber nur südlich des Nordwestkreuzes und auf der kreuzenden A3 zwischen Frankfurter und Offenbacher Kreuz (dort als »weiterer Bedarf mit Planungsrecht«). Priorität fürs schnelle Planen genießen diese Strecken jedoch nicht, weil Mansooris Vorgänger Tarek Al-Wazir (Grüne) 2023 dafür kein Interesse des Landes anmeldete. Für einen großteils achtspurigen Ausbau der Hauptstrecken um Frankfurt hingegen machte er den Weg frei.

Aus Frankfurter Sicht geht es um viel mehr als die heute schon belasteten Stadtteile. Im Nordwesten, wo um die A5-Raststätte »Taunusblick« noch große Flächen unbebaut sind, will Bürgermeister Josef einen neuen Stadtteil für 17.000 Menschen errichten lassen. Die wichtige Frischluftzufuhr vom Taunus zur City über dieses Gebiet wäre noch gewährleistet, ergab eine Voruntersuchung der Stadt.

Dicke Luft im Rhein-Main-Gebiet

Der zehnspurige A5-Ausbau könnte das ändern. Die breitere Fahrbahn und die dann nötigen hohen Lärmschutzwände wären ein »Hindernis« für den Luftaustausch, heißt es in der Machbarkeitsstudie. Die Klimafolgen in zunehmend heißen Sommern würden »einen Konflikt für die Wohnbevölkerung des Rhein-Main-Gebietes« darstellen.

Dabei wäre angesichts von Wohnungsnot und Klimakrise wohl die beste Antwort für Frankfurt, so massive neue Wohnbauten innerhalb der Stadt mit dem ÖPNV anzuschließen. Frankfurt wendet sich besonders konsequent vom Auto ab. 80 Prozent der Wege sollen laut »Masterplan Mobilität« künftig alternative Verkehrsmittel wie Bahn, Bus, Rad- und Fußverkehr übernehmen.

Den Takt der Stadt geben jedoch die mehr als 400.000 Pendlerinnen und Pendler an, die außerhalb wohnen – fast zwei Drittel der in Frankfurt Beschäftigten. Diese Ströme sind der Hauptgrund, warum es auf der A5 zur Rushhour so voll ist. Mehr Fahrbahnen dürften die Zahl derer steigern, die mit dem Auto statt der S-Bahn kommen. Im Osten der Stadt wird bereits eine Bresche für mehr Autos geschlagen, der Widerstand gegen den neuen Riederwaldtunnel als Lückenschluss der A66 bis ins Zentrum ist gebrochen. Mit dem Ausbau der A5 käme mehr Kapazität im Norden und Westen hinzu, im Süden soll zudem die A3 wachsen.

Die Straßen der Kernstadt könnten aber nicht noch mehr Pkw aufnehmen, sosehr die Autobahnen auch ausgebaut würden, warnt die Stadtverwaltung. Damit ist die Sinnfrage gestellt: Lässt sich der heutige Stau mit weiteren Fahrbahnen bekämpfen, oder wächst er dann einfach nur in die Breite?

Wer Straßen sät, erntet Verkehr

»Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten«, dieses Bonmot prägte schon in den autoseligen Siebzigerjahren der damalige Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD). Es deckt sich mit der Forschung. Wo es unbefriedigte Nachfrage nach Mobilität gibt, wird zusätzliches Angebot an Verkehrswegen schnell ausgenutzt, dann sind die Straßen in der Rushhour schon wieder dicht.

Eine neuere Studie belegt das etwa für Teile des Londoner Autobahnrings, wo sich ähnlich wie auf der Frankfurter A5 Pendlerströme und Fernverkehr mischen. Aus sechs Spuren wurden acht, doch schon nach dem ersten Jahr war so viel mehr Verkehr auf der Strecke, dass sich kein Gewinn an Reisezeit mehr messen ließ.

So gesehen, könnte es sinnvoll sein, den heutigen Stau mit der begrenzten Anzahl an Spuren hinzunehmen – als notwendiges Mittel, um Menschen von zusätzlichen Autofahrten abzuhalten, die nur noch mehr Stau erzeugen würden.....

Lieber zehn Spuren in Frankfurt als vier Spuren durchs Moor?

Aber was spricht gegen die Gefahr, dass der Verkehr später noch weiter wächst, aus acht Spuren erst zehn werden, dann zwölf und so weiter? Geistefeldt gibt sich entspannt: »Zumindest im Pkw-Verkehr nähern wir uns in Deutschland den Grenzen des Verkehrswachstums.« Er verweist auf eine künftig schrumpfende Zahl von Erwerbstätigen und auf Trends wie Homeoffice. Die große Expansion des deutschen Autobahnnetzes sei vorbei, jetzt gehe es nur noch um punktuelle Beseitigung von Engpässen wie an der A5, danach könne man sich auf den Erhalt existierender Autobahnen konzentrieren.

Vielleicht ist dieser Punkt aber auch schon überschritten. Weniger als 138.000 Fahrzeuge pro Tag passierten die automatische Zählstelle am verkehrsreichsten Abschnitt der A5 in Frankfurt-Niederrad laut den jüngsten verfügbaren Daten von 2022. Das ist deutlich weniger als vor Corona, und weit entfernt von den nach offiziellen Verkehrsprognosen für 2025 oder 2030 erwarteten Kfz-Massen.....


»Mit aller Macht« werde versucht, den Autobahnausbau durch Frankfurt zu drücken, meint Hans Christoph Stoodt von der Bürgerinitiative – so hätten bei Anwohnern schon Vermessungsteams im Garten gestanden mit der Ansage: »Sie wissen doch, dass die A5 hier verbreitert werden soll.« Ebenso hätten Sachbearbeiter der Stadt Grundstückspächtern erklärt, es sei sinnlos, jetzt noch um die Pacht zu verhandeln. »Die Leute hier sind sauer, bis in die CDU hinein«, erklärt Stoodt.

Trotz der anscheinend vollendeten Entscheidung sehe er »eine gute Chance, dass wir das Ding verhindern«. Dann nämlich, wenn es ums Geld geht. Laut Machbarkeitsstudie würde der zehnspurige Ausbau rund 1,1 Milliarden Euro kosten. Die Lärmschutzdeckel sind darin noch nicht eingerechnet, auch müsste die Schätzung für eine genauere Planung erst noch auf die zuletzt in die Höhe geschossenen Baukosten aktualisiert werden.

Selbst wenn dann immer noch ein ausreichend positives Verhältnis von Nutzen und Kosten errechnet würde, müsste der Bund bei seinen vielen Bauprojekten Prioritäten setzen, so Stoodt. »Und dann spielt hoffentlich auch eine Rolle, wo es die Akzeptanz dafür gibt.« Am besten wäre es, man gäbe die 1,1 Milliarden Euro für den öffentlichen Nahverkehr im Rhein-Main-Gebiet aus. Dann könnten so viele Autofahrende umsteigen, dass der Ausbau der A5 überflüssig würde.

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