Donnerstag, 1. September 2022

Die Landwirtschaft will der Dürre mit angepassten Sorten begegnen – oder gleich mit anderen Anbausystemen

NZZ  hier  Esther Widmann 31.08.2022

Die Landwirtschaft will der Dürre mit angepassten Sorten begegnen – oder gleich mit anderen Anbausystemen

Landwirte und Wissenschafterinnen suchen Wege, um unter den veränderten Klimabedingungen gute Erträge zu ermöglichen. Die Möglichkeiten reichen von mehr Abwechslung auf dem Feld bis zu Agroforstwirtschaft.

Europa erlebe gerade die schlimmste Dürre seit 500 Jahren, sagen die Experten der EU, und die Bilder machen es leicht, ihnen zu glauben. Der Mangel an Niederschlägen wird noch verstärkt durch die Hitze: Sie lässt mehr Wasser aus dem Boden verdunsten, und er wird noch trockener.

Der vergangene Woche veröffentlichte Erntebericht der Regierung in Deutschland spiegelt die Wetterrekorde allerdings nur zum Teil wider: Während Landwirte in einigen Regionen und bei einigen Feldfrüchten grosse Ausfälle beklagen, war der Ertrag anderswo sogar überdurchschnittlich. Weil aber damit zu rechnen ist, dass mit dem Klimawandel Sommertrockenheit und Hitze häufiger auftreten werden als bis anhin, suchen Agrarwissenschafterinnen und Landwirte nach Methoden, um den Anbau auch unter solchen Bedingungen möglich zu machen. Sie ersinnen Wege, das Wasser besser im Boden zu speichern. Sie züchten Pflanzen, die mit Trockenheit gut zurechtkommen. Oder sie erproben ganz neue Anbausysteme. Den meisten, wenn nicht allen, ist aber bewusst, dass keiner dieser Ansätze allein das Problem lösen wird.

Mehr Bewässerung wäre hierzulande möglich

Der plausibelste Weg, der Trockenheit zu begegnen, ist die Bewässerung. In der Schweiz werden laut Bundesamt für Statistik etwa vier Prozent der Ackerflächen bewässert, in Deutschland ein bis zwei Prozent. In beiden Ländern kommen dafür vor allem mobile Sprinkleranlagen zum Einsatz. Weil sie einen hohen Wasserdruck benötigen und viel Wasser auf der Pflanze liegenbleibt und dann verdunstet, sind diese Anlagen laut Experten sowohl im Hinblick auf Energie als auch auf Wasser ineffizient. In dieser Hinsicht sparsamer ist die Tröpfchenbewässerung, bei der Schläuche auf der Erde das Wasser durch kleine Löcher direkt an der Wurzel der Pflanze abgeben. Das ist jedoch sehr arbeitsaufwendig und teuer. In der Schweiz wird diese Methode auf fast einem Viertel der gesamten bewässerten Fläche angewendet.

Weil das Wasser für die Anlagen aber irgendwo herkommen muss, gibt es in Deutschland auch Versuche, Niederschläge im Winter zu speichern oder ins Grundwasser zu pumpen. So stehen im Sommer bei Trockenheit mehr Reserven bereit. Eine Sprecherin des Schweizer Bauernverbands spricht ebenfalls von einer nötigen Anpassung etwa durch Rückhaltebecken.

Die Züchtung dürreresistenter Sorten ist nicht einfach

Natürlich werde bei der Zucht immer weiter nach Sorten gesucht, die besser an die Verhältnisse angepasst sind, und diese kämen auch auf den Markt, sagt Andreas Stahl vom Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Quedlinburg in Deutschland. Aber die Entwicklung einer neuen Sorte dauere etwa bei Getreide acht bis zehn Jahre. Vor allem aber sei es gar nicht so einfach, die gewünschte Eigenschaft zu züchten: «Trockenstresstoleranz ist kein einzelnes Merkmal wie beispielsweise eine Pilzresistenz, sondern ein Zusammenspiel vieler verschiedener Eigenschaften in der Pflanze», sagt Stahl. «Und dann kommen auch noch Wechselwirkungen mit der Umwelt hinzu.»

Zudem sei der Trockenstress nicht jedes Jahr gleich, mal komme er früher im Jahr, mal später. Mal sei es von Vorteil, wenn eine Sorte früh reife, mal nicht. Weil es also nicht die eine genetische Eigenschaft gibt, die eine Pflanze mit Dürre zurechtkommen lässt, helfen hier auch mögliche gentechnische Veränderungen nicht wirklich weiter. «Man muss viele Eigenschaften kombinieren, so dass die Pflanzen dann den Bedürfnissen der Landwirte und der Bevölkerung entsprechen», sagt er.

Christoph Gornott, der Leiter der Arbeitsgruppe Anpassung in Agrarsystemen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Deutschland, merkt an, dass Trockenheit nicht der einzige Klimatrend sei, mit dem man in Zukunft rechnen müsse. Es sei gar nicht klar: «Müssen wir jetzt Richtung Dürreresistenz oder auch auf diese einzelnen starken Niederschlagsereignisse züchten?»

Hirse kommt mit Trockenheit besser zurecht als Weizen

Aber nicht nur neue Sorten, sondern auch andere Arten sind eine Möglichkeit, dem veränderten Klima zu begegnen. Es geht also um Alternativen zu den dominierenden Kulturpflanzenarten wie Weizen oder Mais. Viele Wissenschafter erwähnen in diesem Zusammenhang Hirse. Sie ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit und war jahrtausendelang auch eine der wichtigsten; in manchen Regionen ist sie es heute noch. Das verdankt sie auch ihrer Anspruchslosigkeit: Anders als Weizen kommt Hirse auch mit nährstoffarmen Böden zurecht – und mit Trockenheit. Bei Wassermangel unterbrechen manche Hirsearten einfach das Wachstum und wachsen dann ungerührt weiter, wenn es wieder nass wird.

In der Schweiz experimentiert darum Agroscope, das staatliche Kompetenzzentrum für Landwirtschaft, mit dem Anbau von Hirse. Ihre Eigenschaften könnten «Teil der Lösungen für bevorstehende Herausforderungen sein», heisst es dort.

Auch Christoph Gornott erwähnt die Hirse. Sie wachse schnell und eigne sich auch als Tierfutter. «Aber es gibt auch einen Trend, Hirse zu essen», sagt er. «Man sollte solche Nischenmärkte nicht unterschätzen.» Ähnliches gelte für die aus Südamerika stammende Quinoa, die seit einigen Jahren auch in Deutschland angebaut wird. «Wir müssen dann schauen, wie wir das vermarkten können und ob es wirklich auch Abnehmer in Deutschland oder in Europa gibt, die das haben wollen», sagt Gornott. Das Lebensmittel «dann einmal um die Welt zu schicken, damit es dort irgendwie verarbeitet wird», sei auch nicht sinnvoll.

Fruchtfolge und Bodenverbesserung gegen Wasserverlust

Bei einer Landwirtschaft unter veränderten Klimabedingungen ist jedoch nicht nur die Frage, was man anbaut, sondern auch wie. Ein Wort, das im Gespräch mit Experten immer wieder fällt, ist «Fruchtfolge». Gemeint ist damit, dass auf dem Feld nicht jedes Jahr das Gleiche, etwa Weizen, angepflanzt wird, sondern dass die Landwirtin zum Beispiel im einen Jahr Kartoffeln, im nächsten Gemüse, im darauffolgenden Weizen und dann Linsen sät. Nur so kann das Land dauerhaft Ertrag bringen, da sind sich die Wissenschafter einig. Darauf zu achten sei aber, dass in der Fruchtfolge nicht zu viel Getreide enthalten sei.

Annelie Holzkämper von Agroscope empfiehlt stattdessen, trockenheitsangepasste und wärmeliebende Pflanzen wie Kichererbsen, Linsen oder auch Soja in die Fruchtfolgen zu integrieren. «So kann die Klimaresilienz im Anbau erhöht und gleichzeitig ein Beitrag zum Bodenschutz geleistet werden», sagt sie. Damit der Boden weniger schnell austrocknet, sei der Anbau von Zwischenfrüchten, also zum Beispiel Klee oder Lupinen, hilfreich.

Wenn solche Pflanzen nicht geerntet, sondern in den Boden eingearbeitet oder als sogenannter Mulch auf dem Feld liegengelassen werden, erhöht dies den Anteil von Kohlenstoff im Boden – ein weiterer wichtiger, oft genannter Faktor, der die Erde länger feucht hält.

Den Boden weniger zu bearbeiten, reduziert die Verdunstung ebenfalls (und ist auch den in der Erde lebenden Organismen zuträglich). Auch vom Schweizer Bauernverband heisst es auf Anfrage: «Alle Arten von Bodenschutz wie verminderte Bodenbearbeitung, Direktsaat, Mulchen, sind gut.» Sie stünden aber in einem gewissen Konflikt mit dem Wunsch nach weniger Pestizideinsatz. Denn dann muss das Unkraut mechanisch entfernt werden, und das bedeutet: Bodenbearbeitung.

Diversität im Anbau mindert das Risiko von Ernteausfällen

Es geht also wie bei der Züchtung auch nicht um die eine Methode, die bei längeren Dürreperioden allein die Lösung bringt. «Ideal ist vermutlich eine Kombination unterschiedlicher Anpassungen in der Bewirtschaftung der Böden und der Kulturen», sagt Holzkämper. Eine entscheidende Bedeutung habe die Diversifizierung, also pro Saison nicht nur auf eine Feldfrucht zu setzen, das bestätigen auch andere Wissenschafter. «Die Witterungsbedingungen werden ja nicht nur wärmer und trockener, sondern auch immer variabler», sagt Holzkämper. «Dieser Zunahme der Variabilität kann am ehesten mit einer Diversifizierung in der Produktion begegnet werden, um Anbaurisiken möglichst breit zu streuen.» Wenn dann in einem Jahr ein Erzeugnis ausfällt, kann ein anderes dies zumindest teilweise ausgleichen.

Der Schweizer Bauernverband empfiehlt laut einer Sprecherin alle diese Dinge. Viele dieser Aspekte werden also von Landwirten und Landwirtinnen schon umgesetzt, oft gibt es nach Ansicht der Experten aber noch Optimierungspotenzial.

Und Christoph Gornott hat noch eine ganz andere Idee: Agroforstwirtschaft. Dabei stehen Baumreihen zwischen den klassischen Ackerkulturen wie zum Beispiel Weizen. Die Bäume sorgen für Schatten und vermindern so die Verdunstung aus dem Boden. Ausserdem erhöhe sich unter anderem der Gehalt an Bodenkohlenstoff, sagt Gornott. In kleinen Pilotprojekten funktioniere das System bereits. Andere Wissenschafter bezweifeln, dass die Gesamtbilanz der Agroforstwirtschaft positiv ist. Aber Gornott ist überzeugt: Es gebe zwar technische Herausforderungen. «Aber die Umsetzung hat eher etwas mit Wollen als mit Können zu tun.»

Bei Agroscope in der Schweiz scheint man diese Ansicht zu teilen. Dort kennt man Agroforstwirtschaft natürlich auch. Bewertung: gut für den Klimaschutz – und «ökonomisch attraktiv».


siehe zum Thema auch diesen tollen Artikel: hier

auf dem Haslachhof im Deggenhausertal bietet man im September und Oktober sogar Kurse zum Agroforst an  hier

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