Freitag, 5. Mai 2023

Welche Chancen Geothermie in Deutschland hat

Fast zu schön um wahr zu sein für eine deutsche Wärmewende:  eine " Technologie, die ohne fossile Brennstoffe funktioniert und im Gegensatz zu Solar- oder Windkraft­anlagen keinen Schwankungen unterliegt."

Wenn man die Kosten der Probebohrungen bedenkt, liegt es noch nicht in erreichbarer Nähe. 

Doch im kleineren Stil, sprich weniger tief, funktioniert Geothermie auch in unserer Gegend sehr gut. Da gibt es bereits  einige umgesetzte Beispiele, für Quartiere und Häuser.


RND  hier  Jakob Milzner  06.05.2023

Die Energie, die aus dem Boden kam

Auf seiner Afrikareise besichtigt der Bundes­kanzler ein Geothermie­kraftwerk. Auch in Deutschland fordern manche den Ausbau der Technologie. Als Vorbild wäre die Anlage in Kenia aber wohl nicht geeignet. Olaf Scholz könnte dort etwas anderes suchen: grünen Wasserstoff.

Würde man die Erde einmal durchschneiden und mit einer Wärmebildkamera fotografieren, müsste man wohl zu dem Schluss kommen, dass unser Heimatplanet ziemlich lebensfeindlich ist. Ungefähr 99 Prozent der Erdmasse glühen bei mehr als 1000 Grad Celsius.

Dabei gilt allerdings ein einfaches Prinzip: Je tiefer man gräbt, desto wärmer wird es. Wenig erstaunlich also, dass sich begehrliche Blicke in Richtung Erdkern richten. Beispielsweise auch die von Bundes­kanzler Olaf Scholz, wenn dieser am Samstag in Kenia die größte Geothermie­anlage Afrikas besucht.

Das Kraftwerk in Olkaria wird in erster Linie zur Stromerzeugung genutzt. In Deutschland könnte Geothermie hingegen vor allem der Wärme­gewinnung dienen. In gewissem Umfang passiert das bereits: vor allem durch Wärme­pumpen, die bis zu 400 Meter tief reichen. Erst darunter wird es allerdings so richtig heiß. Die sogenannte tiefe Geothermie aber, die in Kenia Anwendung findet, fristet in Deutschland noch ein Schatten­dasein.

Forschende rechnen der tiefen Geothermie große Potenziale aus

Dabei versprechen sich manche enorme Potenziale von der Technologie, die ohne fossile Brennstoffe funktioniert und im Gegensatz zu Solar- oder Windkraft­anlagen keinen Schwankungen unterliegt. Ungefähr ein Viertel des deutschen Wärme­bedarfs könne durch tiefe Geothermie gedeckt werden, hat ein Verbund aus Fraunhofer- und Helmholtz-Einrichtungen berechnet.

Kraftwerke wie in Kenia sind in Deutschland zwar eher unwahrscheinlich. „Wir haben nicht diese hohen Temperaturen im Untergrund“, sagt der Leiter des Verbunds, Rolf Bracke. Kenia nämlich befinde sich im Bereich des Ostafrikanischen Grabens, wo heiße Magma aus dem Erdinnern bis kurz unter die Erdkruste gelangt.

„Wir sollten in Deutschland nach den niedrig hängenden Früchten gucken“, sagt Bracke daher.
Anlagen müssten kleiner als in Kenia sein und dezentral verteilt werden. 42 Tiefen­geothermie­anlagen sind in Deutschland laut dem Bundes­verband Geothermie bereits am Netz, zwölf befinden sich im Bau, 82 weitere in Planung.

Risiken seien „handhabbar“, sagt BUND-Sprecher

Auch Werner Neumann, Sprecher des BUND-Arbeits­kreises Energie, sieht Wärme­gewinnung durch tiefe Geothermie in Deutschland grundsätzlich positiv. „Da hat man im Regelfall auch kein Erdbeben­risiko“, sagt er. Das Risiko der Verschmutzung vom Grundwasser sei ebenfalls „handhabbar“. Befürchtungen, Geothermie­projekte könnten Erdbeben auslösen oder das Grundwasser kontaminieren, sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Gegenwind.

Skeptisch ist Neumann hingegen, was das errechnete Potenzial von 25 Prozent Anteil am deutschen Wärmemix angeht. „Das finde ich sehr übertrieben“, sagt der BUND-Sprecher. Seine Vermutung: Da die Geothermie­branche in hohem Maße auf Förder­gelder angewiesen sei, neige sie dazu, Potenziale zu übertreiben.

Fraunhofer-Forscher Rolf Bracke zufolge bremst in Deutschland vor allem das sogenannte Fündigkeits­risiko. Denn von der Erdoberfläche aus lässt sich zumeist nicht abschließend beurteilen, ob man bei einer Bohrung ausreichend viel und ausreichend heißes Wasser finden wird. Einigermaßen sicher könne man das nur in einigen deutschen Regionen sagen, da in diesen seit den 1950er-Jahren Bohrungen zur Förderung von Öl und Gas erfolgt seien, erläutert Bracke. Zugleich kosteten Probe­bohrungen häufig rund 10 bis 15 Millionen Euro. „Als kleines Stadtwerk können Sie das Risiko nicht eingehen, eine solche Bohrung in den Sand zu setzen“, sagt der Wissenschaftler.

Eine Lösung könnte in einer Art Versicherung oder Fonds bestehen, der Teile der Kosten übernimmt. Ähnlich geschieht es in Kenia, wo sich auch die deutsche KfW-Bank engagiert.

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