Standard hier David Rennert 9. Mai 2023,
14.000 alte Gas- und Ölbohrlöcher in US-Gewässern sind nicht ausreichend versiegelt
Die sichere Sanierung der verlassenen Quellen würde mehr als 30 Milliarden Euro kosten, berechnete ein Forschungsteam. Hauptverantwortlich sind fossile Großkonzerne
Nach Kohlendioxid ist das Treibhausgas Methan die zweitgrößte Klimagefahr. Die Methankonzentration in der Atmosphäre steigt rasant und erreichte in den vergangenen Jahren Rekordwerte. Nach Angaben des Weltklimarats ist Methan für rund 0,5 Grad der bisherigen Erderwärmung von 1,2 Grad seit 1880 verantwortlich. Methan (CH4) ist zwar viel kurzlebiger als CO2, aber kurzfristig bis zu 80-mal klimaschädlicher. Von den derzeit rund 600 Millionen Tonnen Methan, die jährlich freigesetzt werden, gehen etwa 60 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück. Ein großer Anteil entfällt auf fossile Brennstoffe.
Durch die fossile Industrie entweichen mindestens 120 Millionen Tonnen Methan jährlich. Dabei gibt es hier enormes Einsparungspotenzial, wie Forschende seit Jahren aufzeigen: Bei Förderung und Transport von Gas, Öl und Kohle und durch schädliche Praktiken bei Pipeline-Reparaturen gelangen erhebliche CH4-Mengen in die Umwelt. Aber noch eine andere Vorgehensweise in der fossilen Industrie trägt zu den Emissionen bei: Häufig werden erschöpfte Öl- und Gasbohrlöcher lange Zeit nicht endgültig versiegelt. Dadurch lassen sich die Kosten der aufwendigen Stilllegung in die Zukunft verschieben – mit Folgen für die Umwelt.
Konzerne in der Pflicht
Ein US-amerikanisches Forschungsteam hat das Ausmaß dieses Problems nun für die USA genauer unter die Lupe genommen. Wie die Forschenden im Fachblatt "Nature Energy" berichten, dürften allein vor den Küsten der Vereinigten Staaten im Golf von Mexiko und in US-Binnengewässern mehr als 14.000 inaktive Öl- und Gasquellen liegen, die bisher nicht stillgelegt worden sind.
Die endgültige Schließung all dieser Quellen würde mehr als 30 Milliarden Euro kosten, wie das Team berechnete. Die Schließung des größten Teils dieser Bohrlöcher liegt demnach in der Verantwortung der fossilen Riesen Chevron, Shell, Exxon Mobil, Conoco Phillips, BP, Total, und Eni plus. Sie könnten für bis zu 88 Prozent der offenen Sanierungen in Bundesgewässern haftbar sein, wie die Forschenden berechneten.
Aufgeschobene Sanierungen
Betreiber von Öl- und Gasförderanlagen sind in den USA durch Umweltauflagen dazu verpflichtet, erschöpfte Bohrlöcher stillzulegen und durch Zementfüllungen zu versiegeln, um die Gefahr von Leaks und Umweltschäden zu verringern. Konzerne haften auch als Vorbesitzer für Quellen, die an später insolvente Unternehmen verkauft wurden. Häufig kommt es dabei aber zu Verzögerungen, wie die Studienautoren aufzeigen.
"Aus ökonomischer Perspektive zahlt es sich aus, diese Sanierungskosten so lange wie möglich aufzuschieben", sagte Mark Agerton von der University of California, Davis, Erstautor der Studie. "Ein Dollar heute ist mehr wert als ein Dollar morgen. Wenn ich also die Stilllegung hinauszögern kann, ist das für mich als Unternehmen besser."
Küstennahes Risiko
Wie viel Methan aus den über 14.000 inaktiven Förderstätten ausströmt und welche negativen Auswirkungen es auf die umgebenden Ökosysteme gibt, hat das Forschungsteam in der aktuellen Arbeit nicht eruiert – das wird derzeit am Beispiel des Bundesstaats Louisiana untersucht, sagte Studien-Koautor Gregory Upton von der Louisiana State University. Grundsätzlich lasse sich aber sagen, dass die Umweltrisiken von nicht versiegelten Bohrlöchern in Küstennähe größer sind als in tieferen Gewässern.
"Es ist relativ unwahrscheinlich, dass Methan aus einem Tiefseebohrloch bis an die Oberfläche gelangt und freigesetzt wird. Je näher man der Küste kommt und je seichter das Wasser ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zu Umweltschäden kommt." Den Forschenden zufolge sollte die Stilllegung inaktiver Bohrlöcher in Küstennähe daher oberste Priorität haben: Die Kosten dafür seien deutlich geringer als in der Tiefsee, während der Nutzen für Klima und Umwelt höher sei.
In vielen US-Bundesstaaten gibt es Programme für die öffentliche Sanierung inaktiver Bohrlöcher, zudem sind im jüngsten Infrastrukturprogramm von US-Präsident Joe Biden mehrere Milliarden dafür vorgesehen. Das Ergebnis der Studie, dass fast 90 Prozent der inaktiven Bohrlöcher in der Verantwortung von Großkonzernen liegen, zeigt für Agerton aber auch: Bevor Steuerzahler haftbar gemacht werden, sollte genau geprüft werden, "ob nicht eine große Öl- und Gasfirma für die Kosten aufkommen muss". (David Rennert, 9.5.2023)
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