Heise hier 31.03.2023 Hanns-J. Neubert
Sie sind eigentlich eine CO2-Senke, doch mit zunehmender Erderwärmung setzen tropische Feuchtgebiete immer mehr Methan frei, wie Studien belegen.
Das Wiedervernässen von Mooren und anderen Feuchtgebieten gilt gemeinhin als wirksame, natürliche CO2-Senke. Ihnen kommt, gegenüber technischen Ansätzen, CO2 aus der Luft zu entfernen, eine wichtige Rolle zu. Zugleich sind diese Feuchtgebiete, zu denen auch Sümpfe, Mangrovenwälder oder tauende Permafrostgebiete zählen, mit 40 Prozent die größte natürliche Methanquelle. Bisher hatten Klima- und Erdsystemmodellierer allerdings Schwierigkeiten, das Ausmaß dieser Emissionen aus diesen Gebieten in ihren Modellen genau zu erfassen.
Die genauen Ursprünge von Methanquellen festzustellen, ist aber angesichts des dramatisch steigenden Anteils von Methankonzentration in der Atmosphäre umso drängender. In den Jahren 2020 und 2021 stieg der Methangehalt der Atmosphäre so stark an wie noch nie seit Beginn der Messungen. Das vermeldete vor einem Jahr die Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde der USA (NOAA). Damit ist die Konzentration dieses zweitwichtigsten Klimagases jetzt zweieinhalb Mal höher als vor Beginn der Industrialisierung.
Ende des 20. Jahrhunderts stieg die Methankonzentration schon einmal rapide an. Doch in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts stabilisierte sich die Zunahme wieder, um ab 2007 erneut rasch anzusteigen.
Die Auswirkungen von Methan
Methan ist ein sehr viel potenteres Treibhausgas als Kohlenstoffdioxid (CO2). Seit der industriellen Revolution trug es mit etwa 30 Prozent zur gesamten menschengemachten globalen Erwärmung bei. Es stammt vor allem aus der Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe, aus Mülldeponien und aus der Landwirtschaft. Deswegen unterzeichneten zahlreiche Länder, Organisationen und Unternehmen auf Initiative der EU und der USA während und nach der Klimakonferenz in Glasgow 2021 (COP26) das Globale Methan-Versprechen. Darin sagen sie zu, die Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent zu senken.
Zwar wird Methan, anders als CO2, in der Atmosphäre relativ schnell abgebaut. Doch solange es dort verbleibt und immer wieder Nachschub kommt, solange verstärkt es den Treibhauseffekt mindestens 28 Mal mehr als die gleiche Gewichtsmenge CO2.
Die Ursache für den neuerlich rapiden Anstieg der Emissionen war also zunächst unklar. Experten spekulierten anfangs, dass mehr Methan aus Leckagen beim zunehmenden Erdgasfracking austrat. Doch sicher war das nicht.
Anhand von Isotopenmessungen konnte man jedoch herausfinden, dass 85 Prozent des Anstiegs der Methanemissionen zwischen 2007 und 2016 aus Feuchtgebieten stammen, davon mehr als die Hälfte aus den Tropen. Das ließ sich an den unterschiedlichen Atomgewichten der Kohlenstoffisotope im Methan feststellen. Denn der leichtere Kohlenstoff 12C ist biologischen Ursprungs, der im Verhältnis zum schwereren 13C-Kohlenstoff aus fossilen Quellen angestiegen ist.
Jetzt kam aber ein Forscherteam aus China, Frankreich und den USA den Ursachen auf die Spur. Die Forscher ließen daraufhin ein globales Landoberflächen-Vegetationsmodell unter verschiedenen Erderwärmungsszenarien laufen, in das sie zwei verschiedene Arten von Daten einfließen ließen. Zum einen Werte aus Proben, die über viele Jahrzehnte hinweg von Hand in Feldarbeit überall auf der Erde gesammelt wurden, und zum anderen so genannte Reanalyse-Daten, die Beobachtungen aus unterschiedlichen Datenbankquellen mit eigenen Modellsimulationen kombinieren.
Heraus kam, dass die Methanemissionen aus Feuchtgebieten in den letzten 20 Jahren um 1,2 bis 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr zugenommen haben. Das wäre schneller, als es das schlimmste Emissionsszenario RCP8.5 für eine mögliche Klimazukunft projiziert. Dieses Szenario geht von der Annahme aus, dass die Wirtschaft so weiter macht wie bisher, dabei allerdings nur 0,9 Millionen Tonnen Methan pro Jahr emittiert. Es folgt einem von vier repräsentativen Konzentrationspfaden, die Klimaforscher für ihre Projektionen nutzen.
Auch den außergewöhnlichen Anstieg der Methanemissionen im Zeitraum 2020 bis 2021 spiegelten die Modellläufe wider. Zwischen 2007 und 2021 stiegen die jährlichen Emissionen auf Grund der wenigen zehntel Grad globaler Klimaerwärmung um acht bis zehn Millionen Tonnen an. 2020 sprangen die Emissionen dann hoch auf 14 bis 26 Millionen Tonnen und gingen im Jahr 2021 leicht zurück auf 13 bis 23 Millionen.
Feuchtgebiete breiten sich aus – und emittieren mehr Methan
Die Modellsimulationen des Forscherteams stimmen mit früheren Beobachtungen aus der Satellitenfernerkundung überein, wonach sich tropische Feuchtgebiete ausbreiten und dabei feuchter und wärmer werden. Auch Ergebnisse aus Messkampagnen mit Flugzeugen über Feuchtgebieten im bolivianischen und brasilianischen Amazonasgebiet und über dem oberen Kongo- und Sambesi-Becken in Sambia stützen ihre Ergebnisse. Die Erwärmung der tropischen Feuchtgebiete macht nämlich auch die methanproduzierenden Bakterien aktiver. Die Folge: noch mehr Methan. Dieses Phänomen nennt sich "Methanrückkopplung in Feuchtgebieten".
Mehr noch: Auch die Niederschlagsmuster änderten sich weltweit, so dass einige Feuchtgebiete an Wassermangel leiden, austrocknen und mehr CO2 freisetzen. Andere entstehen neu und produzieren mehr Methan. So hinterließen beispielsweise die wiederholten, verheerenden Überschwemmungen in West- und Ostafrika in den vergangenen beiden Jahren großflächig neue Feuchtgebiete, die jetzt neue Methanquellen sind.
Wo das Klimagas am stärksten austritt
Doch am meisten trägt die Amazonasregion zu den weltweiten, natürlichen Methanemissionen bei, wie die Bodenmessdaten zeigen. Satellitendaten weisen aber auch auf nennenswerte Emissionen aus nassen Bodenregionen in Süd- und Südostasien hin. Ausgasungen aus den Torfgebieten in den hohen Breitengraden machen bisher noch wenig aus.
Damit nicht genug: Eine Studie von drei Autoren um Tao Bao, ebenfalls von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, kommt nämlich zu dem Schluss, dass sich mit zunehmender Erwärmung auch die Emissionen von Kohlenstoffdioxid und Lachgas aus den Feuchtgebieten ändern. Moore mit Gefäßpflanzen, wie Seggen, würden dazu neigen, bei Erwärmung mehr CO2 aufzunehmen, dafür aber mehr der Klimagase Methan und Lachgas abzugeben. Dort, wo Algen, Moose, oder Farne die feuchten Ökosysteme dominieren, steigt dagegen mehr CO2 auf.
Beide Studien kommen zu dem Schluss, dass die Erwärmung das Minderungspotenzial unberührter Feuchtgebiete untergräbt – selbst bei dem geringen Temperaturanstieg von 1,5 bis 2,0 Grad, dem Ziel des Pariser Klimaabkommens.
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