Donnerstag, 11. April 2024

Es geht um den Akku: E-Autokäufer unterliegen einem entscheiden Irrtum

hier  EFAHRER.com  Geschichte von Tobias Stahl • 

Von 2020 bis 2022 hat sich die mittlere Reichweite von in Europa verkauften E-Autos um zehn Prozent erhöht, auf durchschnittlich 419 Kilometer. Das geht aus einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) hervor, die dem Nachrichtenportal Zeit Online vorliegt. 

Rund 60 Prozent der Europäer wünschen sich jedoch mindestens 500 Kilometer Reichweite in ihrem E-Auto, zitiert die Onlineausgabe aus einer Umfrage des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). 

Kurios: Nur die wenigsten Autofahrer würden überhaupt von solchen Reichweiten profitieren, wie die ICCT-Studie zeigt. Die Studienautoren Carolina Poupinha und Jan Dornhoff haben für die Untersuchung drei typische Nutzungsprofile für ein Jahr unter den klimatischen Bedingungen von Berlin simuliert. Die Profile simulieren einen städtischen Pendler, der fünfmal pro Woche 22 Kilometer fährt, eine ländliche Pendlerin, die an jedem Werktag 34 Kilometer fährt und einen Vielfahrer, der zweimal pro Woche 20 Kilometer und dreimal pro Woche 374 Kilometer fährt. Für die Modellberechnung wurde der VW ID.3 als Fahrzeug zugrunde gelegt, dieser wurde zudem mit teils fiktiven Batteriegrößen von 28, 58, 87 und 116 kWh simuliert.

Die meisten Pendler würden von größeren E-Auto-Batterien nicht profitieren

Das Ergebnis: Die Stadt-  und Landpendler müssen in der Simulation praktisch nie eine Ladepause einlegen: Weil viele E-Autofahrer zu Hause oder an der Arbeitsstätte laden können, können diese beiden Nutzerprofile selbst mit der kleinsten simulierten Batteriegröße 98 Prozent ihrer Fahrten ohne einen einzigen Ladestopp zurücklegen. Nur bei jeder fünfzigsten Fahrt müsse man laden.

Bei einem E-Fahrzeug mit 116 kWh großer Batterie sparen diese Nutzerprofile letztlich nur 35 Ladevorgänge pro Jahr ein. Lediglich der Vielfahrer könnte von einer großen Batterie profitieren, weil er sich 260 Ladestopps im Jahr spart.

Der ICCT rechnet laut Zeit Online vor, dass sich eine größere Batterie finanziell nicht lohnt, wenn die Zahl der eingesparten Ladevorgänge gering ist. Akkus sind das teuerste Bauteil im E-Auto, dementsprechend ist der Kaufpreis bei größeren Batterien entsprechend deutlich höher. Zudem verbraucht der Stromer durch das höhere Gewicht der größeren Batterie auch mehr Strom: 13 bis 17 Prozent mehr, je nach Nutzungsprofil. Auch der CO₂-Fußabdruck beziehungsweise der CO₂-Rucksack, mit dem ein E-Auto in sein Fahrzeugleben startet, fällt mit einer größeren Batterie deutlich höher aus.

Effizienz und Ladeleistung sind wichtiger als die Akku-Größe

Versierten E-Autofahrern dürfte schon länger klar sein, dass die Effizienz und die Ladegeschwindigkeit von E-Fahrzeugen im Realbetrieb eine merklich größere Auswirkung auf die Nutzungsqualität haben. Wenn die Anzahl der Ladestopps je nach persönlichem Fahrprofil durch eine größere Batterie nur etwas niedriger ausfällt, ist das die höheren Kosten kaum wert – wichtiger wäre es indes, die ohnehin erforderlichen Ladepausen so kurz wie möglich zu halten.

Zu einem ähnlichen Fazit kommt auch der ICCT in seiner Studie: „Unsere Hoffnung ist, dass die Studie dazu beiträgt, das Thema Batteriekapazität und Energieverbrauch von E-Autos objektiver zu diskutieren, mittels konkreter Daten aus der Nutzerperspektive“, zitiert Zeit Online den ICCT-Europa-Chef Peter Mock. Die wichtigste Handlungsempfehlung sei, den realen Energieverbrauch von E-Autos zu protokollieren und anonymisiert an die Behörden zu übermitteln, so wie dies für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bereits der Fall ist. Laut ICCT könne der Realverbrauch von E-Autos nämlich bis zu 44 Prozent höher liegen als laut Herstellerangaben beziehungsweise offiziellen Prüfwerten. Mock hält Transparenz beim reellen Energieverbrauch für besonders wichtig für die Autofahrer: „Der Anreiz für Hersteller wäre dann größer, auf Effizienz zu achten.“

Der International Council on Clean Transportation ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in den USA, der die Aufgabe verfolgt, unabhängige Forschung zu betreiben und Umweltbehörden entsprechende Daten zur Verfügung zu stellen. In Deutschland gelangte der ICCT im Jahr 2015 zu größerer Bekanntheit: Die Organisation war verantwortlich für die Aufdeckung des Abgasskandals bei Volkswagen.


Standard  hier  11. April 2024

E-Fahrer brauchen viel weniger Reichweite, als sie glauben

Laut einer aktuellen Studie müssen Pendler ihr Auto nur bei jeder fünfzigsten Fahrt laden. Große Batterien bergen zudem finanzielle und ökologische Nachteile

Die Reichweite von Elektroautos gehört zu den häufigsten Diskussionspunkten, wenn es um die Abwägung zwischen E-Mobilität und Verbrennermotoren geht. Je mehr Reichweite, desto besser, so die gängige Auffassung. Einer Umfrage des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) zufolge würden knapp 60 Prozent der Europäer kein E-Auto mit weniger als 500 Kilometern Reichweite kaufen.

Doch das könnte eine Fehleinschätzung sein, wie aus einer aktuellen Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT), einer gemeinnützigen Organisation in den USA, die den Dieselskandal mit aufgedeckt hat, hervorgeht. Darüber berichtet das deutsche Medium "Die Zeit", das die Studie vorab einsehen konnte.

98 Prozent der Fahrten ohne Laden

Die Autorin und der Autor der Studie, Carolina Poupinha und Jan Dornhoff, haben drei Archetypen von E-Auto-Nutzern festgelegt: einen städtischen Pendler, der fünfmal pro Woche 22 Kilometer fährt. Eine ländliche Pendlerin, die an jedem Werktag 34 Kilometer zurücklegt. Und einen Vielfahrer, der zweimal pro Woche 20 und dreimal pro Woche 374 Kilometer fährt. In die Simulation flossen die technischen Daten eines VW ID3 als Kompaktwagen mit hypothetischen Batteriegrößen von 28, 58, 87 und 116 Kilowattstunden ein.

Ergebnis: Selbst mit der kleinsten Batterie müssen die Stadt- und Landpendler bei 98 Prozent ihrer Fahrten nicht laden beziehungsweise muss nur nach jeder fünfzigsten Fahrt geladen werden. Dies lässt sich meist problemlos über Nacht zu Hause oder tagsüber in der Garage des Arbeitgebers erledigen. Eine größere Batterie lohnt sich nur für den Vielfahrer.

Großer Akku = hohe Kosten

Beachtlich sind diese Ergebnisse auch, weil große Akkus in E-Autos mit diversen Nachteilen verbunden sind. Denn erstens steigt der Anschaffungspreis mit der Größe der Batterie, zweitens ist auch der Betrieb durch das höhere Gewicht teurer: Je nach Nutzungsprofil kann der Stromverbrauch durch eine größere Batterie der Studie zufolge um 13 bis 17 Prozent steigen.

Hinzu kommt, dass sich der CO2-Fußabdruck durch eine größere Batterie erhöht: erstens durch die gesteigerten Emissionen bei der Herstellung, zweitens durch den bereits erwähnten höheren Stromverbrauch bei der Nutzung. Das zeigt sich besonders stark beim Stadtpendler, bei dem der Innenraum des Autos aufgrund der kürzeren Fahrten auf die Gesamtstrecke gerechnet häufiger aufgewärmt oder heruntergekühlt werden muss.

ICCT-Europachef Peter Mock hofft dem Artikel zufolge, dass die Studie dazu beträgt, "das Thema Batteriekapazität und Energieverbrauch von E-Autos objektiver zu diskutieren". Er empfiehlt, den tatsächlichen Energieverbrauch der E-Autos zu protokollieren und anonymisiert an die Behörden zu übermitteln: laut ICCT könnte der reale Verbrauch von E-Autos nämlich um bis zu 44 Prozent höher sein, als in offiziellen Prüfwerten angegeben wird. (red, 11.4.2024)

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