Mittwoch, 24. April 2024

Tag der Erde 2024 : 1421 Tonnen Plastikmüll aus einem Fluss in Guatemala geholt

 Hier  Frankfurter Rundschau  22.04.2024, Von: Joachim Wille

Die globale Plastikkrise: UN strebt Ende der Verschmutzung bis 2040 an

Vierter Verhandlungstag in Ottawa für UN-Abkommen gegen Plastikverschmutzung

Die UN setzt den Kampf gegen Plastikverschmutzung auf ihre Agenda. Ein globales Abkommen könnte die Umweltverschmutzung bis 2040 beenden.

Die Vereinten Nationen haben den Kampf gegen die weltweite Plastikverschmutzung auf ihre Agenda gesetzt. Am heutigen Montag beginnt im kanadischen Ottawa die vierte und wahrscheinlich vorletzte Verhandlungsrunde für ein globales UN-Abkommen gegen Plastikmüll, das 2025 verabschiedet werden soll. Das Kernziel: Bis 2040 soll ein Ende der Umweltverschmutzung durch Kunststoffmüll erreicht sein.

Im Vorfeld des Treffens machte eine neue US-Studie klar, wie wichtig eine Begrenzung des Sektors ist – nicht nur, um die Verschmutzung von Meer und Land zu bremsen, sondern auch wegen des Klimaschutzes. Ansonsten könnten sich die globalen Emissionen aus der Kunststoff-Produktion bis Mitte des Jahrhunderts verdreifachen und so alleine ein Großteil des verbleibenden Kohlenstoff-Budgets der Erde aufzehren.

Kunststoffindustrie untergräbt „die Bemühungen der Welt zur Bekämpfung des Klimawandels“
Die Herstellung von Kunststoff, der zumeist aus Erdöl und Erdgas gewonnen wird, ist Treibhausgas-intensiv. Laut einer Abschätzung des US-Forschungsinstituts „Lawrence Berkeley National Laboratory“ in Kalifornien verursachte die Plastikproduktion im Jahr 2019 rund 5,4 Prozent der globalen CO2-Emissionen, so viel wie 600 Kohlekraftwerke, wobei zwölf Prozent des Erdöl- und 8,5 Prozent des Erdgasverbrauchs in den Sektor flossen. Es wird erwartet, dass sich die Produktion wegen der wachsenden Plastiknutzung besonders in Asien, Afrika und Lateinamerika bis 2050 verdoppeln bis verdreifachen könnte. Der CO2-Ausstoß würde entsprechend steigen.

Bei einer Verdreifachung der Plastikproduktion würde sie alleine bis Mitte des Jahrhunderts 25 bis 31 Prozent des globalen Kohlenstoffbudgets aufbrauchen, das maximal noch ausgestoßen werden darf, wenn die globale Durchschnittstemperatur bei plus 1,5 Grad gehalten werden soll. Die Emissionen entsprächen dann 1700 Kohlekraftwerken.

Doch selbst wenn die Produktion stabil bleibt, wären es noch 15 bis 19 Prozent des Budgets. Die Studie liefere einen weiteren Beweis dafür, dass die Kunststoffindustrie „die Bemühungen der Welt zur Bekämpfung des Klimawandels untergräbt“, sagte Heather McTeer Toney dem britischen „Guardian“. Sie ist Geschäftsführerin der „Beyond Petrochemicals“-Kampagne der US-Stiftung Bloomberg Philanthropies, die den Bericht mitfinanziert hat.

Das bedeutet das UN-Abkommen zu Plastikmüll
Die Debatte, ob die globale Plastikproduktion radikal beschränkt werden muss oder ein Fokus auf besseres Recycling ausreicht, wird nach Ansicht von Beobachter:innen auch die neue Verhandlungsrunde in Ottawa beherrschen. Rund 180 Länder-Delegationen nehmen dort teil. Es liegt ein 69 Seiten langer Textentwurf vor, der allerdings noch eine Vielzahl von Optionen enthält. 

Die letzte Verhandlungsrunde in Nairobi im Herbst 2023 hatte kaum Fortschritte gebracht, Folge der stark divergierenden Interessen verschiedener Ländergruppen. Erdölstaaten wie Saudi-Arabien und Russland, aber auch Ägypten und Südafrika blockierten die Verhandlungen. Eine Gruppe von 64 ambitionierten Staaten (High Ambition Coalition – HAC), die sich für ein wirksames Abkommen einsetzt, darunter Deutschland, Ruanda, Schweden und Senegal, konnte den Verhandlungen nicht genügend Schwung geben. Ungeklärt blieb sogar, bei welchen Themen Mehrheitsentscheidungen ausreichen und wann Einstimmigkeit notwendig ist. Das muss nun in Ottawa nachgeholt werden.

Die Kunststoffbranche favorisiert, wie zu erwarten, den Recylingansatz und lehnt Produktionsbeschränkungen ab. Der Wirtschaftsverband „Plastics Europe“ zum Beispiel betonte vor der Ottawa-Konferenz die Notwendigkeit einer „Transformation der Kunststoff-Wertschöpfungskette von einem linearen zu einem zirkulären System“, wozu es nötig sei, „Kunststoffabfälle als wertvollen Rohstoff“ zu behandeln. Dies schaffe Anreize, Plastikabfälle wiederzuverwerten und zu recyceln, anstatt sie wegzuwerfen, zu verbrennen oder zu deponieren, sagte die Geschäftsführerin des Verbandes, Virginia Janssens. Um dies zu erreichen, könnten Regierungen verbindlichen Einsatzquoten für Kunststoff-Rezyklate und „Programme zur erweiterten Herstellerverantwortung“ einführen.

Die Branche sieht vor allem auch im „chemischen Recycling“ eine Lösung, bei dem verschiedene Sorten von Altplastik eingeschmolzen und zu neuwertigem Granulat verarbeitet werden. Das Verfahren ist allerdings sehr energieintensiv.

Umweltschutzorganisationen fordern „Plastikwende“
Umweltorganisationen fordern dezidiert, die Plastikproduktion herunterzufahren. So plädiert das zivilgesellschaftliche Bündnis „Exit Plastik“, dem unter anderem der BUND, Greenpeace und „Zero Waste Deutschland“ angehören, für eine „Plastikwende“. Dazu gehöre ein ambitionierter Text für das geplante UN-Abkommen, „der die Neuproduktion von Plastik verringert und gefährliche Chemikalien in Plastik verbietet“.

In Deutschland verbrauche die Chemie- und Plastikindustrie mehr Öl, Gas und Strom als die Hälfte aller Haushalte, unter anderem für die vielen Einwegverpackungen, betont das Bündnis, zudem kämen mehr als 16 000 Chemikalien in Plastik und Plastikprodukten zur Anwendung oder könnten darin enthalten sein.

Ressourcensparende Kreislaufwirtschaft muss das Ziel sein – fordert Umweltschützerin
Carla Wichmann, Koordinatorin von Exit Plastik, sagte, Ziel müsse eine echte Kreislaufwirtschaft sein, „die Ressourcen spart und frei ist von schädlichen Chemikalien“. Nötig seien Obergrenzen für die Kunststoffproduktion und Verbote etwa von Einwegverpackungen. „Wir können uns nicht aus der Krise rausrecyceln“, meinte Wichmann.

Es ist eine Stoßrichtung, die, wenn auch weniger radikal, von den HAC-Staaten geteilt wird. Sie forderten jetzt in einer Positionierung zu Ottawa, Herstellung und Verbrauch von Primärkunststoffen einzuschränken und „auf ein nachhaltiges Maß“ zu begrenzen.

In Ottowa dürfte es also eine intensive Debatte über die richtigen Instrumente für eine Entschärfung der Plastikkrise geben. Reichen Vorgaben für Kunststoff-Einsammlung, Quoten für Recyclingplastik und Anreize für chemisches Recycling oder braucht es Obergrenzen für Produktionsmengen, Plastiksteuern und Mehrweg-Vorgaben?

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die an der Konferenz teilnimmt, sagte: „Ich setze mich in den Verhandlungen für gute Ziele und mehr Tempo ein.“ Der Text für das Abkommen solle noch in diesem Jahr zum Abschluss gebracht werden. Plastikmüll bedrohe die Meere und unsere Gesundheit. „Wir müssen der Vermüllungskrise Herr werden, um uns zu schützen.“


hier  Euronews  Von Heilika Leinus   22/04/2024 

Tag der Erde: 1421 Tonnen Plastikmüll aus einem Fluss in Guatemala geholt

Zur Feier des Tages der Erde wurden 272 LKW-Ladungen Plastikmüll aus einem Fluss in Guatemala geholt. Sonst wären sie in die Karibik gelangt.



Seit 1970 wird jährlich am 22. April der Tag der Erde begangen, um auf eine nachhaltige und umweltfreundlichere Lebensweise sowie Umweltprobleme aufmerksam zu machen. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „Planet vs. Plastik“.

Rekordmenge an Plastik aus dem Fluss geholt

Aus diesem Anlass hat die gemeinnützige Organisation The Ocean Cleanup 272 LKW-Ladungen Plastikmüll aus einem Fluss in Guatemala geholt. Insgesamt waren es 1421 Tonnen Müll, der sonst in die Karibik gelangt wäre. Dort hätte er Seevögel, Fische und andere Meerestiere gefährdet. Es handele sich um den „größten Plastikfang aller Zeiten“, ließ The Ocean Cleanup nach der Aktion wissen.

„Wenn es erst einmal im Meer ist, ist es verloren“

Es ist wichtig, den Plastikmüll nicht in die Meere gelangen zu lassen, weil man ihn dort nicht mehr entfernen kann, sagt Meeresbiologin Dr. Melanie Bergmann, die am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven arbeitet. „Man kann vielleicht Plastikartikel in der Nähe der Küste bergen. Man kann es an Stränden oder an Flussufern sammeln, aber wenn es erst einmal im Meer ist, ist es verloren. Denn ein Großteil davon sinkt tatsächlich zum Meeresboden oder gelangt aufsehr abgelegenen Stränden, an denen niemand lebt“, betont Dr. Bergmann.

Laut einer vom WWF in Auftrag gegebenen und von deutschen Wissenschaftlern durchgeführter Studie könnte sich die Plastikverschmutzung in den Weltmeeren bis 2050 vervierfachen. Den Wissenschaftlern zufolge wurden im Mittelmeer, im Ostchinesischen Meer und im Gelben Meer bereits Konzentrationen von Mikroplastik gemessen, die gefährlich über dem Grenzwert liegen.

Der Studie zufolge zeigen 88 Prozent der untersuchten Meerestierarten negative Auswirkungen von Plastik. Um die „unwiderrufliche Vermüllung“ der Weltmeere zu stoppen, sei ein verbindliches globales Abkommen notwendig.


hier  DW  Enno Hinz  21.04.202421.

Was macht europäischer Müll auf südostasiatischen Deponien?

Der illegale Handel mit Abfällen, die von Europa nach Südostasien exportiert werden, ist ein lohnendes Geschäft. Für die Händler sind die Risiken gering, doch für die Umwelt ist der Schaden enorm.

Länder in Südostasien, darunter Malaysia, Vietnam, Thailand und Indonesien, haben mit illegalen Abfalllieferungen aus den Industrienationen zu kämpfen. Ein großer Teil davon kommt aus Europa.

In einem neuen UN-Bericht werden die Wege des Abfallhandels von Europa nach Südostasien nachgezeichnet. Kriminelle Akteure nutzen demnach Schlupflöcher und legale Unternehmensstrukturen und machen den Handel mit Müll so zu einem der wichtigsten Verbrechen gegen die Umwelt. Eine oft wirkungslose Umsetzung gesetzlicher Regelungen und die geringen Strafzahlungen im Fall einer Entdeckung ermutigen die Händler. Somit ist die Versuchung groß, schnelle Gewinne zu machen.

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission sind 15 bis 30 Prozent der Abfalllieferungen aus der EU illegal. Die illegalen Einnahmen daraus bewegen sich jährlich in Höhe mehrerer Milliarden Euro. "Sobald Abfall unrechtgemäß entsorgt wurde, wird er das Problem von uns allen", sagt Masood Karimipour, Regionalrepräsentant für Südostasien und Pazifik des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, der DW. "Die Dringlichkeit, mit der gegen den Abfallhandel vorgegangen werden muss, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden."

Dem UN-Bericht zufolge importierten die ASEAN-Länder in den Jahren 2017 bis 2021 mehr als 100 Millionen Tonnen Metall-, Papier- und Plastikabfall mit einem Wert von fast 50 Milliarden US-Dollar (47 Milliarden Euro).

Indonesien, Epizentrum des Abfallhandels
Global hat sich der Handel mit Abfällen in den vergangenen Jahren stark verändert. China hatte im Jahr 2018 eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Einfuhr unerwünschten Mülls in das Land zu unterbinden. Das führte zu einer Umlenkung der weltweiten Abfallströme, insbesondere nach Südostasien.

Länder wie Indonesien wurden so zu bevorzugten Zielländern sowohl für legalen, als auch für illegalen Abfall. "In Indonesien besteht kein Umfeld, das Nachhaltigkeit bei Konsum, Produktion und Recycling fördert", erläutert Yuyun Ismawati, leitender Berater bei der regierungsunabhängigen Organisation Nexus3 Foundation, der DW.

Papier- und Plastikmüll wurde seit 2018 hauptsächlich aus westeuropäischen Ländern nach Indonesien verschifft, so die indonesische Statistikbehörde. Wie Nexus3 herausfand, ist das Altpapier häufig mit Plastikabfällen verunreinigt. In Regionen wie Java oder Sumatra stellt das eine alarmierende Bedrohung für Umwelt und Gesundheit dar.

Problematische Kunststoffe werden häufig weggeworfen oder von den Unternehmen, die Altpapier importieren, den Gemeinden vor Ort überlassen, die dann das Plastik unreguliert sortieren und verbrennen. Bei der Verbrennung werden Dioxine und gefährliche Chemikalien in alarmierender Konzentration freigesetzt, die letztlich auch ihren Weg in die menschliche Nahrungskette finden.

Bei vielen Dorfbewohnern führen der Rauch und die vergifteten Nahrungsmittel zu Erkrankungen der Atemwege und des Verdauungssystems bis hin zu Krebserkrankungen. Oft sehen sie sich gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen.

Ein profitables Geschäft
Trotz seiner negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt bleibt der Abfallhandel in Südostasien ein äußerst lukratives kriminelles Geschäft, dem nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wie Serena Favarin, Kriminologin an der Universita Cattolica del Sacro Cuore in Italien ausführt, umgehen die Händler mit ausgeklügelten Methoden und Lieferketten die Kontrollen, um die Abfälle in andere Länder zu verbringen, in denen die Vorschriften weniger streng und die Strafen für die illegale Abfallentsorgung deutlich niedriger sind.

"Dieses Verbrechen wird nicht in allen Ländern gleichermaßen verfolgt. Das führt zu einem unterschiedlichen Umgang mit den Abfällen", sagt sie der DW. In vielen Zielländern fallen die Regelungen zum Abfallhandel nicht unter das Strafrecht, sondern unter zivil- und verwaltungsrechtliche Vorschriften. Selbst wenn illegale Abfallhändler die Vorschriften unverhohlen und wiederholt umgehen, sind die Strafen häufig gering. Für die Händler bleibt es also ein lohnendes Geschäft.

Es fehlen internationale Regelungen
In vielen Gemeinden führt der illegale Abfallhandel zu zahlreichen Problemen. Experten sind sich einig, dass die Abfallverwertung gut reguliert werden muss. So könnten Umweltschäden vermieden und die Kreislaufwirtschaft durch Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling gestärkt werden.

In Asien und Europa bemühen sich daher einzelne Länder und internationale Strafverfolgungsbehörden, die Lücken zu schließen, in denen kriminelle Unternehmer agieren und den Wirtschaftskreislauf stören können.

"Es ist wichtig, die transnationale Dimension zu stärken und die Regelungen der einzelnen Länder aneinander anzugleichen. Das erleichtert die Diskussionen", meint Favarin. Eine Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen würde die Verabschiedung strengerer Gesetze und die Verhängung härterer Strafen für Verbrechen im Zusammenhang mit dem Abfallhandel erleichtern.

Gegenwärtig überarbeitet die EU ihre Regelungen zur Abfallverbringung, um die Zahl problematischer Exporte zu verringern und die Durchsetzung der Regelungen zu verbessern. Voraussichtlich werden diese Änderungen Ende des Monats verabschiedet.

Auch neue Technologien können beim Schutz der Umwelt nützlich sein, wie Favarin erklärt: "Drohnen- oder Satellitenaufnahmen können dabei helfen, große Abfallmengen oder Abfallberge in bestimmten Regionen zu erkennen und illegale Deponien oder Feuer in geschützten Gebieten zu identifizieren."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Umweltverschmutzung : Organisation fischt 10.000 Tonnen Plastikmüll aus Gewässern
https://www.zeit.de/wissen/forschungswelten-neue-energien/2024-04/ocean-cleanup-meeresverschmutzung

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen