Die Weltklimakonferenz in Dubai einigt sich auf die Ausgestaltung eines neuen Hilfsfonds. Noch enthält er nicht einmal 500 Millionen Dollar, soll später aber viele Milliarden umfassen. Daraus sollen arme Länder Geld erhalten, denen im Klimawandel Verluste und Schäden entstanden sind. Einzahlen sollen die Industriestaaten – aber nicht nur die.
Die Einzelheiten:
Worum handelt es sich?
In Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten tagt noch bis zum 12. Dezember die 28. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, auf Englisch „COP28“ abgekürzt. Die fast 200 teilnehmenden Regierungen haben sich gleich zu Beginn am Donnerstag auf Regeln für einen neuen Fonds zum Umgang mit Klimaschäden in Entwicklungsländern geeinigt. Dass ein solcher entstehen sollte, war schon auf der COP27 vergangenes Jahr in Scharm el-Scheich in Ägypten vereinbart worden. Der Beschluss wurde damals als Durchbruch gefeiert, doch fehlten bisher Details zur Ausgestaltung der neuen Einrichtung. Diese liegen nun vor, allerdings nur zum Teil. Dafür waren zwischen der COP27 und der COP 28 fünf Sitzungen eines Übergangsausschusses nötig.
Wie kam die jetzige Lösung zustande?
Den Kompromiss haben Deutschland und andere Staaten vorbereitet. Die schnelle Verabschiedung des Dokuments mit einer Handvoll Finanzzusagen in dreistelliger Millionen-Dollar-Höhe gleich zum Auftakt der Verhandlungen in Dubai kamen überraschend und gelten als erster Erfolg des neuen COP-Präsidenten Sultan al-Jaber (Sultan ist ein Vorname, kein Titel). Er ist der Industrieminister der gastgebenden Emirate und zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns ADNOC. Al-Jaber und seine Verbündeten stehen als vermeintliche Anwälte der „Fossillobby“ unter Druck und müssen daher schnell etwas Klimapolitisches vorweisen können. Diese Erwartungen sowie die Freigiebigkeit, selbst 100 Millionen Dollar in den Fonds einzulegen, dürften die Einigung vorangetrieben haben.
Woher stammt die Idee für den Fonds?
Sie ist so alt wie die Klimarahmenkonvention selbst, die 1992 auf dem Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro beschlossen wurde. Seit drei Jahrzehnten fordern vor allem kleine Inselstaaten finanzielle Kompensationen dafür, dass der Klimawandel bei ihnen zu Schäden und unwiederbringlichen Verlusten („Loss and Damage“) geführt habe. Nicht sie selbst trügen dafür die Verantwortung und müssten dafür aufkommen, sondern die großen Treibhausgasemittenten, vor allem in den Industrieländern. Letztere haben sich lange dagegen gewehrt, weil das wie ein Schuldeingeständnis geklungen und möglicherweise uferlose Haftungs- und Wiedergutmachungsansprüche nach sich gezogen hätte. Zum jetzt gefundenen Kompromiss stellt das in Deutschland federführende Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Svenja Schulze (SPD) deshalb explizit fest: „Bei dem Fonds geht es nicht um Entschädigungen oder Reparationen, sondern darum, Entwicklungsländer in die Lage zu versetzen, besser mit Klimaschäden umzugehen.“
Was soll finanziert werden?
Weil sich schwer feststellen und beziffern lässt, welche Schäden der Klimawandel in der Geschichte wo genau verursacht hat, ist der Fonds weniger in die Vergangenheit als vielmehr in die Zukunft gerichtet. Es gehe darum, besser mit Klimaschäden umzugehen und sie so weit wie möglich von vornherein zu vermeiden, heißt es. Der Übergang zur sogenannten Anpassung (Adaptation) an die Klimawandelfolgen ist fließend. Als Beispiele für die Fondsverwendung gelten Frühwarnsysteme gegen Überschwemmungen oder schnelle Hilfen bei Überflutungen, damit Bauern ihr Vieh in Sicherheit bringen können. Zu möglichen Einsatzfeldern gehören auch soziale Sicherungssysteme oder der Aufbau von Schulen in klimabedingten Notsituationen, um Bildungsdefizite und die daraus folgende Armut zu verhindern. Wenn man den Schaden vermeide oder begrenze, ließen sich auch die Folgekosten limitieren, so die Logik hinter dem Fonds.
Wie hoch sind die Finanzzusagen bisher?
Versprochen haben fünf Länder und die Europäische Union (EU) bisher etwa 414 Millionen Dollar oder 377 Millionen Euro. Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate, die Gastgeber der Veranstaltung, sind mit je 100 Millionen Dollar die größten Einzelgeber. Die EU stellt zusätzlich zu Deutschlands Beitrag rund 147 Millionen Dollar bereit. Großbritannien wendet 40 Millionen Dollar für den Fonds auf und sicherte weitere 20 Millionen über andere Finanzierungswege für „Loss and Damage“ zu. Die großen Vereinigten Staaten haben sich zunächst nur auf 17 Millionen Dollar verpflichtet, Japan auf 10 Millionen.
Wie viel Geld wird benötigt?
Die Unterzeichner haben vereinbart, dass der Fonds bis zum Jahr 2030 mit „mindestens“ 100 Milliarden Dollar im Jahr an Mitteln für Schäden und Verluste ausgestattet werden soll. Für das erste Jahr müsste also 240-mal so viel Geld zusammenkommen wie bisher. Die Entwicklungsländer behaupten sogar, es seien 400 Milliarden Dollar im Jahr vonnöten. Dass noch viel Geld fehlt, ficht die Befürworter nicht an. Entwicklungsministerin Schulze sagte am Donnerstag, die „Mindestausstattung“ des neuen Fonds sei schon gesichert. Damit bezog sie sich auf die von der Weltbank vorgegebene Untergrenze von 200 Millionen Dollar. Schulze forderte zugleich „alle Länder, die willens und in der Lage sind, auf, ebenfalls zum neuen Fonds gegen Klimaschäden beizutragen.“
Wer zahlt ein?
Alle Einzahlungen erfolgen auf freiwilliger Basis. Es gibt keine völkerrechtlichen Verpflichtungen, wer teilnehmen und wie viel er einzahlen muss. Die Industrieländer werden als Gruppe zwar erwähnt, sie sind zur Beteiligung „eingeladen“. Ansonsten wurde der Kreis der Geber aber nicht benannt, sondern bewusst offengelassen.
Darauf hatten die bisherigen Einzahler in die Klima- und Entwicklungshilfetöpfe gedrungen, denn sie halten die alte Einteilung in Industrie- und Entwicklungsländer für überholt. Sie basiert auf einer Liste von 1992, die weder das heutige Pro-Kopf-Einkommen widerspiegelt noch die Emissionen je Einwohner (aktuell und auch historisch akkumuliert). Legt man diese Kriterien an, müssten Staaten wie China sowie die Öl- und Gasförderer ebenfalls einzahlen. Bisher haben diese sich gewehrt. Doch nach dem erstmaligen Beitritt eines Golfstaates, der Emirate, in den Kreis der Geber, könnte der Druck auf andere neureiche Nationen wie die Volksrepublik oder Saudi-Arabien steigen, ebenfalls die Portemonnaies zu öffnen.
Und wer bekommt das Geld?
Die Entwicklungsländer hatten einen „direkten Zugang“ für alle armen Empfängernationen und für gefährdete Gemeinschaften gefordert. Die Industriestaaten wollten eigentlich festschreiben, dass nur die am meisten vom Klimawandel gefährdeten Länder begünstigt werden, darunter vor allem überflutungsgefährdete Inselstaaten (die nicht alle bitterarm sind). Als Kompromiss einigte man sich auf den direkten Zugang aller Entwicklungsländer mit Priorität auf „besonders verwundbaren“ Regionen. Für die am wenigsten entwickelten Länder und für die kleinen Inselstaaten soll ein noch festzulegender Mindestprozentsatz der Zahlungen aus dem Fonds vorbehalten bleiben.
Wer wird den Schadensfonds verwalten?
Zunächst die Weltbank. Dagegen hatte es von Entwicklungsländern und von jenen Regierungen Widerstand gegeben, denen das internationale Finanz- und Entwicklungsbankensystem zu sehr vom Westen geprägt erscheint, vor allem von den Vereinigten Staaten. Der Kompromiss sieht nun eine auf vier Jahre begrenzte vierjährige „kommissarische“ Leitung des Fonds durch die Weltbank vor. Aber nicht unter den Regeln des Washingtoner Instituts, sondern unter jenen der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC mit Sitz in Bonn, die auch die COPs ausrichtet. Es soll für den neuen Fonds ein Sekretariat mit einem Vorstand (Board) aus 26 Mitgliedern geben, 14 aus Entwicklungsländern und 12 aus Industriestaaten. Dieses Gremium ist wichtig, denn es wird über die Mittelverwendung entscheiden. Angestrebt wird ein Konsens, ansonsten müssen die Beschlüsse mit Vierfünftel-Mehrheit getroffen werden.
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