Fünf vor acht / Eine Kolumne von Petra Pinzler 11. Mai 2023
Der Streit um die Wasserstoffheizung erinnert an die Diskussion beim Verbrenner-Aus.
Die Gasindustrie will ihre Profite sichern, ohne Rücksicht auf die Klimaziele.
Die letzten Zuckungen der Fossilen
Echte Politik, so könnte man meinen, findet auf offener Bühne statt. Dort, wo Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz höflich nicht der gleichen Meinung sind. Oder auch dort, wo sich Abgeordnete aller Parteien oft weniger höflich streiten, wo es verbale Blutgrätschen gibt und die Emotionen hochkochen. In Wirklichkeit aber ist das nur der eine, der Show-Teil fürs Publikum. Der andere, der, bei dem es um Milliarden Euro und harte Interessen und die Zukunft ganzer Branchen geht, bleibt der Öffentlichkeit gern mal verborgen. Manchmal, weil es alle Beteiligten so wollen. Oft genug aber auch, weil der Teufel im Detail steckt. Und das wiederum ist ziemlich kompliziert und taugt kaum für Schlagzeilen. Diesen Teil des politischen Ringens begleiten oft Scheindiskussionen, bei denen viel über das eine geredet wird, es aber im Kern um etwas ganz anderes geht.
Klingt kryptisch, lässt sich aber am aktuellen Beispiel gut erklären. Denn so ist es im Moment auch beim Streit über die Zukunft der Heizungen. Oder offizieller ausgedrückt: beim Gebäudeenergiegesetz (GEG), das am Freitag im Bundesrat beraten wird. Dort wird sich zeigen, wie gut das Lobbying der Gasindustrie – auch in den Landesregierungen – funktioniert. Und wie sehr diese wiederum den Druck auf den Bundestag erhöhen, das Gesetz am Ende doch noch zu verschieben oder abzuschwächen.
Um zu verstehen, was die Gasindustrie mit dem Gebäudeenergiegesetz zu tun hat, warum es diese Branche so fürchterlich aufregt und welches entscheidende Detail sie gern noch aus dem Gesetz streichen würde, muss man kurz aus dem Heizungskeller hochkommen. Am besten hoch bis in die Führungsetage der Gasindustrie. Dort nämlich herrscht ziemliche Panik, seit Robert Habeck das GEG durchs Kabinett gebracht hat. Denn seither ist das Geschäftsmodell der Branche in Gefahr. Kommt das Gesetz weitgehend unverändert durch den Bundestag, dann dürfen ab 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden, die überwiegend CO₂-neutral funktionieren. Das tun Gasheizungen nicht.
Gut fürs Klima, schlecht für die Gewinne
Wenn nun aber künftig weniger Gasheizungen eingebaut werden, dann wird irgendwann auch weniger Gas verbraucht. Das ist zwar gut fürs Klima und deswegen dringend nötig. Aber es ist eben auch schlecht für die Gewinne dieser Branche.
Wie wehrt man sich gegen so etwas am besten? Nicht durch Jammern, sondern durch einen Trick: Durch den Vorschlag einer vermeintlichen Alternative, die aber erst in ein paar Jahren kommt. Und die es nötig macht, die alte Technologie – in diesem Fall die Gasheizungen – erst mal doch noch länger laufen zu lassen, als es der Minister gern hätte. Und als es gut fürs Klima wäre. Wie so etwas grundsätzlich funktioniert, hat gerade erst die Autoindustrie gezeigt.
Hier noch einmal kurz zur Erinnerung: Wichtige Teile der Autobranche wollten auf keinen Fall, dass ein Verbrenner-Aus kommt. Leider gibt es aber auch im Verkehr bekanntlich das kleine Problem mit dem Klimaschutz. Und es gibt mit dem Elektroauto sogar noch eine Alternative zum klimaschädlichen Verbrenner. Mit ihr verdient die Branche allerdings weniger Geld. Also erfand sie flugs die vermeintliche Lösung und ließ sie durch die FDP propagieren: die E-Fuels. Damit sollen Verbrenner in Zukunft klimaneutral fahren können. Dass es die heute noch kaum gibt und auch in näherer Zukunft nicht in ausreichender Menge geben wird, dass sie also im eiligen Kampf gegen die Klimakrise kaum helfen: egal! Darum ging es auch gar nicht. Es ging darum, eine vermeintliche Alternative in die Debatte zu werfen. Zu suggerieren, dass der Verbrenner doch noch ein paar Jahre eine Zukunft hat. Die Autobauer wollten die Verbraucher so weiter zum Kauf dieser Autos verleiten und den Umstieg auf Elektro verlangsamen, um dann die damit verbundenen hohen Profite einzustecken.
Kein Wasserstoff im Heizungskeller
Der gleiche Mechanismus funktioniert auch im Heizungskeller. Für diesen propagieren die Gasindustrie und die FDP nun den Wasserstoff als magische Lösung für das deutsche Heizproblem. Die Gasindustrie geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie redet von einer Technologie, die Deutschland für die zukünftige Resilienz brauche. Dumm nur, dass die meisten unabhängigen Experten es anders sehen. Wer glaubt, dass irgendwann vor allem preisgünstiger Wasserstoff statt Gas in seinem Keller verbrannt wird, der arbeitet mit Hoffnungswerten. Kann sein, dass das so kommt, ist aber aus heutiger Sicht nicht sehr wahrscheinlich. Sicher ist hingegen: In den kommenden Jahren, in denen der Kampf gegen die Klimakrise beschleunigt werden muss, wird es definitiv nicht so sein. Denn dafür wird es einfach nicht genug günstigen Wasserstoff geben. Also wird dieser erst mal in der Industrie oder für den Schwerlastverkehr genutzt.
Zugleich aber hat diese angebliche Zukunftstechnologie für die Gasindustrie eine höchst angenehme Nebenwirkung. Wer künftig Wasserstoff in seinem Heizungskeller verbrennen will, wird erst mal die Gasheizungen weiter mit Gas befeuern. Bis dann, hoffentlich, irgendwann mal der neue Stoff in ausreichender Menge und günstig verfügbar ist. Der oder diejenige wird eher keine Wärmepumpe einbauen. Und das wiederum wird es schwer machen, die Klimaziele wenigstens halbwegs zu erreichen.
Industrie glaubt nicht ans Märchen vom Wasserstoff
Ein Detail fehlt noch. Denn dass sich die Gas-Lobby so über das GEG aufregt, liegt auch daran, dass sie um die Zukunft der Branche als Lieferant von Wärme für Privathäuser fürchtet. Dabei ist das ein wichtiger Teil ihres Kerngeschäftes. Um sich nicht wieder dem Vorwurf auszusetzen, technologiefeindlich zu sein, hat das Wirtschaftsministerium in seinem Gesetzentwurf tatsächlich auch Wasserstoff fürs Heizen erlaubt. Allerdings hat es eine Bedingung hinzugefügt. Wer trotzdem auch künftig eine neue Gasheizung einbauen will, der muss sicherstellen, dass diese tatsächlich irgendwann auf Wasserstoff umgestellt werden kann. Dafür braucht es aber die entsprechenden Leitungen. Und weil das kein einzelner Kunde kann, müssen die Verteilnetzbetreiber garantieren, dass die Wasserstoffinfrastruktur in dem entsprechenden Wohngebiet bis 2035 in Betrieb geht. Und genau das treibt die Branche auf die Palme – was wiederum entlarvt, wie wenig sie selbst an die Zukunft ihres Märchens von der Wasserstoffheizung glaubt. Weil es auch wenig glaubhaft ist: Denn mit jeder neuen Heizpumpe, mit jedem Fernwärmenetz sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Wasserstoffinfrastruktur lukrativ betreiben lässt.
Wäre die Gasindustrie tatsächlich sicher, dass Deutschland künftig vor allem mit Wasserstoff heizen wird, setzte sie also auf dieses Geschäftsfeld, dann könnte sie ihren Kunden ja die Lieferung von Wasserstoff bis 2035 leicht garantieren. Ist ja nicht gleich übermorgen. Da sie das aber nicht tun will, wird klar: Eigentlich will sie vor allem so lange wie möglich Gas liefern. Klima hin oder her.
Das Problem an der Sache ist nur leider: Wie bei der Debatte um den Verbrenner versucht auch hier wieder eine Industrie – mit dem Hinweis auf vermeintlich einfache, aber noch gar nicht vorhandene technische Lösungen – den grünen Umbau des Landes zu verhindern. Und damit den Klimaschutz. Mal schauen, ob es diesmal wieder klappt.
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