Mittwoch, 10. Mai 2023

Der deutsche Atomfonds steckt in Russland fest

8. Mai 2023,Von Michael Bauchmüller und Boris Herrmann, Berlin  hier Süddeutsche Zeitung

Investitionen: Auch das Atomkraftwerk Isar 2 ist inzwischen abgeschaltet. Die Altlasten aber werden noch lange Geld kosten.

Ein Milliarden-Vermögen soll den Umgang mit den Altlasten der deutschen Kernkraft finanzieren. Dafür wurde in einen russischen Ölkonzern investiert. Das Geld ist nun aber wegen der Sanktionen blockiert.

Mit Altlasten kennen sie sich aus beim deutschen Atomfonds. Schließlich sollen die Milliarden, die sie verwalten, den deutschen Ausflug in die Atomenergie endgültig abwickeln. Die Zwischenlagerung hochradioaktiven Atommülls, die Suche nach einem Endlager und schließlich dessen Befüllung und Betrieb - all das soll aus jenen 24,1 Milliarden Euro finanziert werden, mit denen der Fonds begründet wurde. Das Geld stammt von den Atomkraft-Betreibern, die so die Altlast loswurden. Den Ärger damit hat nun der sogenannte Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, kurz Kenfo. Und nicht nur das.

Denn im Bestreben, die Milliarden breit und rentabel anzulegen, kaufte sich der 2017 gegründete Fonds auch in Russland ein. Und dieses Investment entwickelt sich nun selbst zu einer toxischen Altlast. Nicht nur verlieren die Anlagen dort erheblich an Wert - allein in den ersten knapp vier Monaten des Jahres rund 30 Prozent -, der größte russische Aktienbesitz des Kenfo liegt auch noch ausgerechnet beim Ölkonzern Lukoil.

Und das ist nicht alles. Es ist dem Fonds nämlich auch unmöglich, Russland zu verlassen. "Der Bestand ist eingefroren", heißt es in der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine schriftliche Frage der Linken-Fraktion. Wegen der verschärften Sanktionen und anhaltender Handelsbeschränkungen sei er "derzeit nicht veräußerbar". Was man noch rechtzeitig habe verkaufen können, habe man losgeschlagen. Der Rest hängt fest, zuletzt ein Wert von 3,5 Millionen Euro. Tendenz fallend.

Allein das Lukoil-Investment hält die Linkspartei für einen Skandal. "Die Selbstverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Fonds des Bundes, die Mittel nachhaltig im Sinne der Klimaziele investieren zu wollen, scheint nicht viel wert zu sein, wenn zeitweise Millionen in die Ölindustrie Russlands gepumpt wurden", sagte Linken-Chefin Janine Wissler der Süddeutschen Zeitung.
Mit diesen Investitionen habe man zum einen russische Oligarchen unterstützt und sich zum anderen an der Förderung "fossiler Klimakiller" beteiligt, kritisiert sie.

Wissler und ihr Co-Vorsitzender Martin Schirdewan haben sich vorgenommen, die Linke zur einer "sozialistischen Klimagerechtigkeitspartei" zu entwickeln und solidarisieren sich etwa mit den Aktivisten der "Letzten Generation". Der Fokus auf die Klimapolitik ist in den eigenen Reihen stark umstritten, Wissler und Schirdewan sehen hier aber eine strategische Chance für die Partei - auch weil die Grünen in ihrer Regierungsverantwortung immer wieder unbequeme Zugeständnisse machen müssen. Auch damit hat es wohl zu tun, wenn Wissler jetzt sagt: "Dass dieser Fonds nun auch noch Millionen in die russische Ölindustrie investiert hat, zeigt, dass der Fonds mit Nachhaltigkeit nichts zu tun hat."

Das von den Grünen geführte Wirtschaftsministerium wiederum verweist auf Kriterien des Fonds, die zumindest etwa den Abbau von Uran und Kohle oder den Betrieb von Atom- oder Kohlekraftwerken ausschließen. Auch unkonventionelle Fördertechniken für Öl und Gas seien tabu. Komplett wolle sich der Fonds aber nicht aus fossilen Geschäftsmodellen verabschieden, schließlich sollten die sich ja alle auf klimafreundliche Geschäftsmodelle umstellen, argumentiert das Ministerium. "Hierzu werden nachweislich erhebliche finanzielle Mittel benötigt." Letztlich habe der Nachhaltigkeitsansatz des Fonds den Anspruch "durch seine Investitionen Akteure in der Realwirtschaft dabei zu begleiten, die Emissionen in der realen Welt reduzieren". Nur vielleicht nicht gerade in Russland.

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