Donnerstag, 7. Oktober 2021

Novellierung des Klimaschutzgesetzes in BW

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Grünes Licht für Klimaschutzgesetz

Stuttgart (dpa) Wer ein neues Haus bauen will, muss ab 1. Mai 2022 eine Solaranlage auf dem Dach installieren lassen. Das sieht das Klimaschutzgesetz vor, das in Stuttgart im Landtag beschlossen wurde. Neben der Koalition aus Grünen und CDU stimmte auch die SPD dafür, FDP und AfD votierten dagegen. Das Gesetz sieht auch vor, dass Hausbesitzer vom 1. Januar 2023 an bei einer grundlegenden Dachsanierung eine Photovoltaikanlage einbauen lassen müssen. Es ist das erste große Gesetzesprojekt in dieser Wahlperiode.

Seite 2: Kommentar von Ulrike Bäuerlein Seite 9: Welche ehrgeizigen Ziele außerdem im neuen Klimaschutzgesetz verankert sind 


06.10.2021  |  VON ULRIKE BÄUERLEIN, STUTTGART

KLIMASCHUTZ Zeit der Zumutungen

Klimaschutz? Viel zu teuer! Das bringt doch viel zu wenig! Baden-Württemberg ist viel zu klein, um allein etwas ausrichten zu können! Solche Sätze fallen immer dann, wenn es um die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen geht. Dabei wissen die Menschen inzwischen sehr gut, um was es geht. Sie sehen es nicht mehr in TV-Berichten aus entlegenen Regionen, sondern beim Blick in den eigenen Garten. Die Bilder von Menschen, Autos und Häusern, die in Fluten versinken, kommen nicht mehr aus Bangladesch. Sie kommen aus Rheinland-Pfalz.

Seit Jahrzehnten warnen Experten weltweit und mahnen an, was getan werden muss, um die Erderwärmung abzubremsen. Es ist alles bekannt. CO2-Ausstoß und andere Treibhausgasemissionen durch Verkehr, Industrie und Privathaushalte müssen rapide sinken, Dreckschleudern wie Kohlekraftwerke vom Netz. Wer dabei die vermeintlich billige, saubere Atomkraft wieder ins Spiel bringt, muss die ungeklärte Entsorgung des Atommülls und auch die Risiken einpreisen. Viel, viel mehr Strom muss aus regenerativen Energien kommen, jede Fläche, jeder Windstoß, Wasserkraft und Erdwärme müssen genutzt werden. Und weil es bei weitem nicht reicht, was im Land produziert werden kann, und Wind und Sonne eben keine konstanten Größen sind, braucht es zur Netzsicherheit Leitungen und Speicher, um verlässlich Strom zu importieren.

Aber bislang war es immer das gleiche Lied: Sobald es konkret werden sollte mit dem Klimaschutz, ging es nicht mehr darum, was er bewirken soll – sondern nur darum, was er kostet. 

Baden-Württemberg hat sich mit der an diesem Mittwoch vom Landtag beschlossenen Novellierung des Klimaschutzgesetzes dazu entschlossen, diese Debatte nun konsequenter hinter sich zu lassen als in den vergangenen zehn Jahren grün geführter Landesregierung. Auch weil der Bund bremste und im Land viel zu wenig voranging, blieben die Grünen in Baden-Württemberg weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Das neue, von Grünen, CDU und SPD gemeinsam beschlossene Klimaschutzgesetz soll nun endlich Wirkung zeigen, Baden-Württemberg bundesweit zum Vorreiter machen, andere mit sich ziehen. Und seien es nur kleine Tropfen auf den heißen Stein bei der globalen Aufgabe.

Statt „Was kostet das? Und was spricht dagegen?“ soll nun als Erstes gefragt werden: „Wie geht es? Und wie geht es schneller?“ Das ist ein Paradigmenwechsel, auch für die Landesverwaltung. Diese soll schon 2030, das gesamte Land 2040 klimaneutral werden. Das ist – in Verwaltungsprozessen gedacht – praktisch schon morgen und übermorgen. Möglich, dass das zu ambitioniert ist. Aber das ist kein Grund, es deshalb zu unterlassen.

Bürger und Unternehmen, Kommunen und Land müssen Solaranlagen auf ihre Dächer und über ihre Parkplätze bauen, es müssen Windkraftflächen bereitgestellt werden, die Menschen sich mit Windrädern arrangieren. Teile der Wirtschaft immerhin sind längst unterwegs und verstehen Klimaschutz nicht mehr nur als Last, sondern als Chance und neues Geschäftsmodell. Das Land muss hier die Türen weit aufreißen und auch endlich privates Kapital ins Spiel holen. Photovoltaik- und Windkraftanlagen sind heute weit leistungsfähiger als noch vor wenigen Jahren, Investitionen fließen zurück. Klimaschutz wird marktfähiger. Dennoch: Es wird viel Bürokratie geben und reichlich Zumutungen. Vor allem für den Bürger, für den es nur im Einzelfall Härtefallregelungen geben dürfte. Die Politik muss auch bei Gegenwind den Mut haben, dies auszusprechen und für ihre Maßnahmen einzustehen. Ja, es wird teuer.

Aber was heißt schon teuer. Auf sieben Milliarden Euro taxieren die Versicherer und Kommunen allein die Schäden in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in den Flutgebieten vom Juli. Und das war nur ein einzelnes Extremwetterereignis. Weitere dürften folgen. Und das sind dann Zumutungen ganz anderer Dimension.

ulrike.baeuerlein@suedkurier.de 

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