Mittwoch, 28. August 2024

Wenn die Gerichte sich im Umgang mit der "letzten Generation" nicht einig sind....Gesucht wird das "sozial verträgliche Maß" - und was sollen Gespräche bringen ?

Tagesspiegel hier  27.08.2024, 


22 Monate Haft ohne Bewährung: Amtsgericht verhängt bislang höchste Strafe gegen Klimaaktivisten in Berlin. Unter anderem wegen Nötigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt ist ein Klimaaktivist in Berlin zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Der 65-Jährige will Rechtsmittel einlegen.

Ein Klimaaktivist der „Letzten Generation“ ist am Dienstag zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Das bestätigte eine Sprecherin des Amtsgerichts Tiergarten dem Tagesspiegel. Es handle sich um die höchste Strafe, die in Berlin bislang gegen einen Klimaaktivisten verhängt wurde, sagte die Sprecherin.

Der 65-jährige Verurteilte Winfried L. habe an rund 40 Blockaden teilgenommen. In dem Verfahren, das seit November 2023 lief, sei er wegen Nötigung, versuchter Nötigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt worden.

Nach Angaben der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ handelt es sich um die bisher längste Haftstrafe für die Teilnahme an einer Sitzblockade der Gruppe. Verurteilt wurde der 65-Jährige demnach wegen der Teilnahme an mehreren Protesten in den Jahren 2022 und 2023. Die „Letzte Generation“ teilte mit, dass L. gegen das Urteil vorgehen werde.

„Es gibt nichts Vernünftigeres, als gegen eine Politik zu protestieren, die uns und unsere Kinder immer tiefer in die Klimakatastrophe treibt“, wird L. in einer Mitteilung der „Letzten Generation“ zitiert. „Die Klimakatastrophe löst sich nicht in Luft auf, nur weil diejenigen, die auf sie hinweisen, hinter Gittern sind!“ (Tsp, AFP)


NDR hier Stand: 27.08.2024

Rostock: Freispruch für Aktivisten der "Letzten Generation"



Es war die erste Klebeaktion der Gruppe "Letzte Generation" in Rostock. Vor einem Jahr klebten sich fünf junge Leute auf der August-Bebel-Straße fest, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Nun wurden sie freigesprochen.

Nach langen Verhandlungen und ausführlichen Plädoyers der Angeklagten sind die fünf Aktivisten vor dem Amtsgericht Rostock freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft warf den Beschuldigten versuchte Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Im August vergangenen Jahres hatten die fünf deutschen Aktivisten die August-Bebel-Straße in der Rostocker Innenstadt mitten im morgendlichen Berufsverkehr blockiert. Der Polizei gelang es, den Sekundenkleber an den Händen der Demonstrierenden nach nur wenigen Minuten mit Speiseöl zu lösen. Vier der Demonstranten wurden von der Straße getragen.

"Sozial verträgliches Maß" nicht überschritten

Die Richterin begründetet den Freispruch unter anderem so: Die Blockade sei friedlich verlaufen, sie habe weniger als zwanzig Minuten gedauert und die Aktivisten hätten zur Not eine Rettungsgasse bilden können. Damit sei das "sozial verträglich Maß" nicht überschritten worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


TAZ hier

Letzte Generation trifft Airport-Verband: Gespräche statt Blockaden


Die Letzte Generation und der Flughafenverband ADV wollen sich zum Austausch treffen. Das Gesprächsangebot reicht den Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen nicht.

Die Letzte Generation will mit Ver­tre­te­r*in­nen des Flughafenverbands ADV sprechen. Die Klimaaktivist*innen, die zuvor mit Flughafenblockaden für Schlagzeilen gesorgt hatten, haben ein Gesprächsangebot des ADV angenommen. Ein Treffen war ursprünglich für diese Woche geplant, ein konkreter Termin stehe aber noch nicht fest, sagte eine ADV-Sprecherin auf Anfrage der taz.

Offenbar gibt es auch inhaltlichen Klärungsbedarf: Der Letzten Generation geht das Gesprächsangebot des ADV nicht weit genug. Die Gruppe hatte den Branchenverband vergangene Woche aufgefordert, es um konkrete Punkte zu ergänzen, „um effektive und zielführende Gespräche zu ermöglichen, die der Klimakatastrophe und den Herausforderungen, vor denen die Flugindustrie steht, angemessen sind“, erläuterte die Gruppe in einer Erklärung.

Man sei auf Debatten sowohl über wirksames gesellschaftliches Engagement als auch über den notwendigen Um- und Rückbau der Luftfahrtbranche vorbereitet, teilten die Ak­ti­vis­t*in­nen der taz mit. An dem Gespräch sollen auch „renommierte Experten auf dem Gebiet der Flugindustrie“ beratend teilnehmen, kündigte die Gruppe an.

„Kriminelle Erpressung“

ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel hatte die Flughafenblockaden der Letzten Generation zuvor als „kriminelle Erpressung“ bezeichnet. Eine Nachfrage der taz, warum er sich nun mit Ver­tre­te­r*in­nen der Gruppe an einen Tisch setzen will, ließ der Verband unbeantwortet.

Die ADV-Pressestelle teilte jedoch mit, dass der Flughafenverband „das strafbare Handeln der Letzten Generation mit deutlichen Worten verurteilen“ werde. Die Flughäfen würden außerdem darlegen, dass sie der falsche Ort für Proteste seien, da sie eine ambitionierte Agenda zur Klimaneutralität verfolgten. Kri­mi­nelle Blo­cka­den von Flug­hä­fen trügen nicht zur Lösung bei.

Für die Letzte Generation hingegen ist die Flugindustrie auf lange Sicht nicht klimaverträglich. „Selbst wenn der Flugverkehr bis auf unvermeidbare Flüge herunterreguliert wäre, müssen wir als Gesellschaft die Last der Rest-Emissionen noch Jahrzehnte schultern“, kritisierte Letzte-Generation-Sprecher Christian Bergemann. „Leere Versprechungen von klimaneutralem Fliegen bringen uns in der Debatte nicht voran.“

Im Gespräch mit der ADV erhoffe sich die Gruppe „vor allem Ehrlichkeit darüber, dass die Flugindustrie in ihrer jetzigen Form nicht fortbestehen kann – und über die Verantwortung, die die einzelnen Industriezweige tragen“, so Bergemann.

Die Letzte Generation fordert die Bundesregierung auf, sich für einen weltweiten Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle bis 2030 einzusetzen. In den vergangenen Monaten hatten die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen immer wieder mit Protestaktionen an Flughäfen auf sich aufmerksam gemacht, zuletzt Mitte August an den vier Flughäfen Berlin, Köln/Bonn, Nürnberg und Stuttgart. Die Bundesregierung plant, wegen der Störaktionen das Luftsicherheitsgesetz zu verschärfen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen