Haben Sie sich schon mal Gedanken über die Tiefsee gemacht, über den Meeresboden in vielen Tausend Metern Tiefe? Wahrscheinlich nicht.
Und wahrscheinlich wissen Sie auch nicht, dass es sich dabei um äußerst sensible und fragile Ökosysteme in den Weltmeeren handelt. Sie sind so wichtig, dass die internationale Staatengemeinschaft diesen Teil der Erde zum "gemeinsamen Erbe der Menschheit" erklärt hat. Die Tiefsee beherbergt einen Großteil der biologischen Vielfalt unseres Planeten, sie ist maßgeblich mitverantwortlich für die Klimaregulierung, die Meeresströmungen und andere wichtige natürliche Systeme.
Allerdings liegen dort unten aber auch Metalle und seltene Rohstoffe, die für die Produktion von Handys, Batterien und weiteren Dingen des täglichen Gebrauchs benötigt werden. Kein Wunder also, dass Unternehmen längst ein Milliardengeschäft wittern und diese Schätze lieber heute als morgen aus der Tiefe bergen wollen. Und deshalb gibt es seit Jahren Streit um den Tiefseebergbau und die Folgen.
Ob der Meeresboden erkundet oder dort Bergbau betrieben werden darf, entscheidet die Internationale Meeresbehörde (ISA). Und dort gab es in der letzten Woche überraschende Entwicklungen, die nun auf einen besseren Schutz der Unterwasserwelt hoffen lassen. Mit der neuen Generalsekretärin der ISA, der brasilianischen Ozeanografin Leticia Carvalho, rückt eine Frau mit einer kritischen Haltung zum Tiefseebergbau an die Spitze der Behörde.
Außerdem sprachen sich bei der Versammlung 32 Staaten, darunter auch Deutschland, für eine vorsorgliche Pause beim Tiefseebergbau aus. Die Forderung: Solange die Folgen und Schäden durch den Einsatz der gigantischen Bagger, Bergbauroboter und Sauger, die sich durch den Meeresgrund pflügen, nicht abschätzbar sind, sollen keine Genehmigungen erteilt werden.
Mehr als 800 Wissenschaftler*innen aus aller Welt warnen vor gravierenden und irreparablen Schäden der Meeresumwelt. Eine seltene Allianz von indigenen Gemeinschaften, Umweltschützern, Finanzinstituten und großen Unternehmen - darunter SAP, VW und Samsung - spricht sich für einen Stopp im Tiefseebergbau aus.
Und das aus gutem Grund, wie eine gerade veröffentliche Studie deutlich macht: Ein internationales Forscherteam unter deutscher Beteiligung hat im Pazifik in einem Meeresgebiet vor Hawaii Hinweise gefunden, dass auf dem dunklen Meeresboden der Tiefsee Sauerstoff produziert wird. Möglich wird dieses sensationelle, bisher unbekannte Phänomen durch Manganknollen. Und genau dort möchte ein kanadischer Konzern jetzt solche Manganknollen abbauen. Den Weltmeeren würde also eine wichtige Sauerstoffquelle verloren gehen.
Dabei brauchen wir die Rohstoffe aus der Tiefe gar nicht zwingend, wie eine andere Studie nahelegt. Viele Experten sind überzeugt, dass eine fortschrittliche Batterietechnologie, ein verbessertes Recycling und eine intelligente Kreislaufwirtschaft dazu führen könnten, dass die Ausbeutung der Tiefsee nicht mehr nötig wäre.
Schon jetzt sind unsere Weltmeere durch Klimawandel, Verschmutzung und Überfischung massiv bedroht und gefährdet. Welche Risiken von einem Eingriff in die Lebenswelten der Tiefsee ausgehen, ist bisher nicht abschätzbar. Dennoch wissen wir über das Leben in der Tiefe weniger als von der Rückseite des Mondes. Als der Ursprung und die Quelle des Lebens haben unsere Ozeane dringend mehr Schutz verdient.
Ich wünsche Ihnen viel Zuversicht und ein schönes Wochenende
Ihr Christian Dezer, Redaktionsleiter plan b
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen