Lobbycontrol hier
Nach Recherchen von ZDF frontal steht das Verkehrsministerium im Fokus einer neuen Lobbyaffäre: Verkehrsminister Volker Wissing und sein Staatssekretär Oliver Luksic (beide FDP) waren eng in eine fragwürdige und irreführende Lobbykampagne eingebunden.
Ziel der Kampagne ist es, den vermeintlichen „Öko-Diesel“ HVO100 zu bewerben und gleichzeitig das bereits beschlossene Zulassungsverbot für Verbrennerautos ab 2035 rückgängig zu machen. Die Nähe zwischen den beiden Spitzenpolitikern mit einem Autolobby-Verein war dabei so groß, dass dieser sogar seine engen Kontakte zum Verkauf anbieten konnte.
Besonders brisant war zudem, dass Staatssekretär Luksic ein Video gemeinsam mit einem Tankstellenlobbyverband drehte und damit ganz explizit ein bestimmtes Produkt bewarb. Lindner und Wissing machen damit gemeinsame Sache mit der Verbrennerlobby – und setzten sich bei ihrer Entscheidung für die Beteiligung an der Kampagne sogar über den expliziten Rat der Fachreferate ihres Hauses hinweg. Diese einseitige Lobbynähe ist für Bundesminister:innen untragbar und schädlich für die Demokratie. Der Fall braucht dringend klare Konsequenzen. In sechs Thesen ordnen wir den Fall ein und machen Vorschläge für weitere Schritte......hier Video ansehen
ZDF hier Terra X - Die Wissens-Kolumne: von Christian Scharun 11.08.2024
HVO100 - der nachhaltige Biosprit? | Terra-X-Kolumne
Der neue Biokraftstoff HVO100 weckt falsche Hoffnungen als klimafreundlichere Alternative. Doch das Verkehrsministerium hat hier wissend die Augen verschlossen.
Nach Recherchen von ZDF frontal stehen Lobbyismus-Vorwürfe gegen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Raum. Dabei geht es vor allem um den Biokraftstoff HVO100, der seit Mai auch an deutschen Tankstellen verfügbar ist. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es jedoch erhebliche Zweifel, dass die als klimafreundlicher propagierte Diesel-Alternative wirklich so nachhaltig ist, wie das Ministerium ihn darstellt.
Terra-X-Kolumne auf ZDFheute
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
HVO100 - Diesel aus Pflanzenöl und Reststoffen
Die Erfahrung zeigt: Es ist Vorsicht geboten, wenn Verkehrsminister Volker Wissing seine Haltung zu einem Thema auf vermeintlich wissenschaftliche Erkenntnisse stützt. Das zeigen die Debatten um das neue Klimaschutzgesetz, die synthetischen E-Fuels oder den Dauerbrenner Tempolimit.
Ein Gamechanger im Kampf um den Erhalt des Verbrennermotors soll der Kraftstoff namens HVO100 sein, das "Hydrotreated Vegetable Oil" aus 100 Prozent Biomasse wie pflanzlichen und tierischen Ölen oder Altfetten. Der Diesel-Ersatz, der unter Einsatz von Wasserstoff aus Abfall- und Reststoffen hergestellt wird, kann dabei ganz ohne Umrüstung des Fahrzeugs getankt werden und soll bis zu 90 Prozent weniger CO2-Emissionen verursachen als herkömmlicher fossiler Diesel.
Der Verkehrssektor hat seine Hausaufgaben nicht gemacht und nun sollen E-Fuels alles richten? Warum diese Rechnung nicht aufgeht.
Die zweite Seite der Medaille
So nachhaltig das Bild von der Umwandlung des alten Frittenfetts von der Imbissbude nebenan in klimafreundlichen Treibstoff auch sein mag, die Realität sieht anders aus. Fast alle Reststoffe, die für den neuen Dieselkraftstoff in Frage kommen, werden bereits energetisch und stofflich anderweitig sinnvoll genutzt, zum Beispiel in der chemischen Industrie. Überhaupt stammen nur 0,05 Prozent der Ausgangsstoffe für das hierzulande verwendete HVO auch tatsächlich aus Deutschland.
Die große Mehrheit wird über den Seeweg importiert, beispielsweise aus Malaysia und Indonesien, die mit fragwürdigen Geschäften rund um den kritischen Rohstoff Palmöl Aufsehen erregen. Obwohl (oder gerade weil) Palmöl für HVO in Deutschland seit einigen Jahren verboten ist, weisen Studien auf das hohe Missbrauchsrisiko hin, das der Handel um die Biomasse für vermeintlich nachhaltigen Kraftstoff mit sich bringt.
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Biokraftstoffe aus Pflanzen sollen Benzin und Diesel ersetzen – zumindest teilweise. Doch wie viel "Bio" steckt wirklich darin und warum ein Strohwerk für Aufsehen sorgt.
Alles eine Frage der Effizienz
Hinzu kommt: Die Elektromobilität ist weltweit auf dem Vormarsch und in einer Welt, in der Wind und Sonne erneuerbaren Strom produzieren, der unangefochtene Effizienzsieger. Für Expertinnen und Experten ist deshalb klar, dass synthetische Kraftstoffe wie E-Fuels und HVO für den privaten Pkw keine wirtschaftliche Alternative sind.
Terra X - die Wissens-Kolumne von Christian Scharun:
Verbrenner-Alternativen nutzen, aber sinnvoll
Wir brauchen die Verkehrswende, doch es scheint Uneinigkeit zu herrschen über die besten Lösungen. Scheindebatten über Technologieoffenheit bringen uns aber sicher nicht ans Ziel.
Fürs Klima eine Nullsummenrechnung
Unabhängig davon, wann oder wie schnell sich effizientere und nachhaltigere Technologien in Zukunft durchsetzen werden, stellt sich die Frage, wie wir den riesigen Altbestand an Verbrennern bis dahin möglichst klimaschonend weiterbetreiben. Das Umweltbundesamt stellte hier kürzlich klar, dass HVO100 für den Klimaschutz im Verkehrssektor nur eine untergeordnete Rolle spielen wird. Herkömmlichen Dieselkraftstoffen müssen die Hersteller weiterhin eine gewisse Quote von Biokraftstoffen beimischen.
Da HVO100 quasi keine fossilen Ressourcen verbraucht, könnte davon ausgegangen werden, dass Nutzer dieses reinen Biokraftstoffes klimafreundlicher fahren. Doch die Auswirkungen auf die gesamte CO2-Bilanz des neuen Kraftstoffes sind noch nicht absehbar. Die unklaren Herstellungsbedingungen und der geringe Nutzungsanteil im Vergleich zu herkömmlichem Diesel könnte die Klimawirkung von HVO100 im besten Fall zu einer Nullsummenrechnung machen.
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Wie die FDP den angeblichen Klima-Diesel an deutsche Tankstellen brachte und warum die Sache stinkt.
Wissing will's (nicht) wissen
Tatsächlich findet man auf der Seite des Bundesverkehrsministeriums nicht ein Wort zu all diesen Bedenken, obwohl der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages dazu bereits 2020 einen Sachstandsbericht veröffentlichte. Die Tatsache, dass Wissings Ministerium diesen Bericht offensichtlich kannte und ihn auch auf seiner Homepage verlinkte, führt zu der Frage, weshalb sich das von der FDP geführte Verkehrsministerium für eine solch einseitige Berichterstattung entschieden hat.
Als Antwort bleiben eigentlich nur zwei logische Schlussfolgerungen übrig: Entweder die verantwortlichen Entscheidungsträger haben die wissenschaftlichen Zusammenhänge der Thematik nicht verstanden oder Warnungen und Probleme werden bewusst ignoriert.
Man mag sich nicht entscheiden wollen, was in diesem Fall das kleinere Übel ist.
MAITHINK X nimmt die aktuelle Klima-Verkehrspolitik auseinander und stellt vor, was es tatsächlich bräuchte. Denn, wenn es um das Auto geht, sind wir Deutschen blind vor Liebe.
Dr. Christian Scharun ...
... ist wissenschaftlicher Autor in der Redaktion von MAITHINK X. Wissenschaftliche Inhalte kommuniziert er auf unterhaltsame Art und Weise auch bei Science Slams sowie auf YouTube und anderen sozialen Netzwerken. 2022 konnte er mit "FameLab Germany" einen der größten Wettbewerbe für Wissenschaftskommunikation gewinnen. Neben seiner Passion zur Wissenschaft selbst war Christian Scharun als Klimaforscher aktiv. Dabei beschäftigte er sich mit den Emissionen von Treibhausgasen und simulierte mit Klimamodellen ihren Beitrag zur globalen Erwärmung.
hier VonRené Hesse 09.08.24
Wissing und die Diesel-Lobby: Die unbequeme Wahrheit über HVO100
Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist erneut in die Kritik geraten, nachdem eine investigative Recherche des ZDF-Magazins „frontal“ aufgedeckt hat, dass es bei der Förderung des angeblich klimafreundlichen Dieselkraftstoffs HVO100 möglicherweise zu unzulässigen Verflechtungen zwischen dem Verkehrsministerium und der Kraftstofflobby gekommen ist.
Wissing wies die Vorwürfe entschieden zurück, ließ sich aber auch zu Aussagen hinreißen, die offensichtlich physikalischen Gesetzen widersprechen. Die Diskussion um HVO100 und das Verhalten Wissings wirft Fragen auf, die auch unabhängig von den Lobbyismusvorwürfen gravierend sind.
HVO100 ökologisch problematisch
Die wissenschaftliche Analyse des Falles zeigt, dass die Förderung von HVO100 trotz der Beteuerungen Wissings aus ökologischer Sicht höchst problematisch ist. Während die Wissenschaft Elektroautos als zukunftsträchtige und umweltfreundliche Technologie befürwortet, scheint Wissing auf eine Strategie zu setzen, die sowohl hinsichtlich der Effizienz als auch der langfristigen Umweltauswirkungen des Kraftstoffs fragwürdig ist.
Besonders problematisch ist, dass HVO100 in einigen Aspekten ineffizienter ist als andere Alternativen und zudem mit erheblichen ökologischen und ökonomischen Nachteilen verbunden ist. Mai Thi Nguyen-Kim hat sich in einem Video des Formats „MAITHINK X“ der Sache angenommen. Dazu sollte man vor allem auch die verlinkten Quellen in der Videobeschreibung beachten.
Video: „Volker Wissing EXPOSED“ hier
Schließlich zeigt die Analyse, dass Wissings Umgang mit wissenschaftlichen Fakten äußerst fragwürdig erscheint. Auch ohne Berücksichtigung möglicher Lobbyeinflüsse stellt sich die Frage, warum sich der Verkehrsminister weiterhin für eine Technologie einsetzt, die nachweislich mit Nachteilen behaftet ist.
Seit kurzem können Tankstellen in Deutschland den neuen Kraftstoff HVO100 verkaufen. Auch der ADAC hatte sich zuletzt dafür starkgemacht.
Wirbel um Kraftstoff HVO100: Umwelthilfe klagt gegen Verkehrsministerium
HVO100 ist ein Verbrennerkraftstoff, soll aber deutlich weniger Emissionen erzeugen. Die Umwelthilfe bezweifelt das und fordert Informationen. Das Verkehrsministerium mauert, die NGO klagt. Druck gibt es für Wissing allerdings auch wegen zahlreichen Werbeauftritten für den Kraftstoff.
Wegen einer Werbekampagne zum kürzlich zugelassenen Kraftstoff HVO100 steht das Bundesverkehrsministerium bereits unter Druck. Am Dienstag reichte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zudem Klage wegen des Synthetik-Diesels gegen das von Volker Wissing geführte Haus ein. Darin pocht sie auf die Herausgabe von Abgasmessungen zu dem Kraftstoff. Das Ministerium wies die Vorwürfe zurück.
Kraftstofflobby tritt bei FDP-Parteitag auf und spendet 50.000 Euro
Seit Ende Mai kann HVO100 an Tankstellen in Deutschland gekauft werden. Der synthetische Kraftstoff wird etwa aus Pflanzenölen, pflanzlichen und tierischen Fetten oder daraus bestehenden Abfallstoffen hergestellt und soll eine bessere Klimabilanz aufweisen als herkömmlicher Diesel.
Bei der Verbrennung wird ähnlich viel CO2 freigesetzt, da dieses CO2 jedoch aus nachwachsenden Rohstoffen stammt, ist die Bilanz nahezu klimaneutral - es kommen lediglich die Emissionen zum Tragen, die bei der Herstellung des Kraftstoffes angefallen sind. Unter dem Strich wird von einer CO2-Reduktion von bis zu 90 Prozent ausgegangen. Der Kraftstoff kostet an der Zapfsäule allerdings spürbar mehr als herkömmlicher Diesel.
Die Deutsche Umwelthilfe spricht in dem Zusammenhang von einer "Scheinlösung". Die Umweltschützer verweisen etwa auf "erhöhte Stickoxid-Emissionen bei bestimmten Dieselfahrzeugen" beim Betrieb mit HVO100.
Verkehrsministerium widerspricht Umwelthilfe
Den Angaben der DUH zufolge reagierte das Bundesverkehrsministerium nicht auf wiederholte Anfragen zu den Abgaswerten. Mitte Juni stellte die Organisation einen formalen Antrag auf Basis des Umweltinformationsgesetzes (UIG) und forderte Informationen bis zum 12. Juli. Nachdem das Ministerium auch auf eine gesetzte Nachfrist nicht reagiert habe, habe sie Klage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht, erklärte die Organisation.
Für das Bundesverkehrsministerium sind die Angaben der DUH "nicht nachvollziehbar". "Es wurden keine belastbaren Ergebnisse präsentiert, die die behauptete Verschlechterung der Schadstoffemissionen beim Betrieb mit HVO100 belegen würden", erklärte das Ministerium. Die DUH habe nur ein Fahrzeug getestet, für das herstellerseitig keine Freigabe für HVO100 bestehe. Daraus ergebe sich keine allgemeingültige Aussage.
Die Untersuchungen der Umweltschützer seien zudem ungeeignet, "Emissionsauswirkungen des Kraftstoffes in Vergleichsmessungen wissenschaftlich zu verifizieren", so das Ministerium und verwies auf eine Stellungnahme des ADAC von Ende Juni. Der Automobilclub hält die Meldungen der DUH zu höheren Abgaswerten demnach für einen "durchsichtigen Versuch, den neuen Dieselkraftstoff HVO100 zu diskreditieren".
Wissing wirbt für HVO100-Kampagne
Aus Sicht des Verkehrsministeriums seien in der Gesamtbetrachtung "keine signifikanten Emissionserhöhungen durch den Betrieb mit HVO100 zu erwarten". Im Gegenteil werde "sogar tendenziell von einer Senkung relevanter Emissionen" ausgegangen.
Kritik im Zusammenhang mit HVO100 gab es zuletzt wegen der Beteiligung des Bundesverkehrsministeriums an einer Werbekampagne für den Kraftstoff. Dahinter steht der Münchner Verein "Mobil in Deutschland". Recherchen des ZDF-Magazin "frontal" legen dabei mögliche Grenzüberschreitungen des Bundesverkehrsministeriums nahe. Demnach ließen sich Wissing und sein Staatssekretär Oliver Luksic in die Kampagne einspannen, obwohl sich Fachreferate des Ministeriums laut internen Papieren dagegen ausgesprochen hatten.
Wissing und Luksic traten laut ZDF bei Terminen auf, unterstützten Werbemaßnahmen für HVO100 und trafen sich mit Geldgebern. Luksic übernahm die Schirmherrschaft der Kampagne, zog sich davon am Montag jedoch zurück. Zudem soll der Lobby-Verein mit der "Möglichkeit, sich bei einem exklusiven VIP-Meeting mit Minister oder Staatssekretär vorzustellen und auszutauschen" geworben haben. Kosten für diese und weitere Leistungen: Eine "Premium-Kooperation" für 9900 Euro.
Das Bundesverkehrsministerium wehrte sich gegen Vorwürfe einer "unrechtmäßigen Einflussnahme von Interessengruppen und einer Vermittlung von Terminen mit der Hausleitung gegen Bezahlung". Die Vorwürfe richteten sich gegen den Verein und nicht das Ministerium. Nach Bekanntwerden der Recherchen von ZDF "frontal" habe Luksic in einem Brief an "Mobil in Deutschland" um "umfassende Aufklärung" gebeten, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Bis die Vorwürfe rückstandslos ausgeräumt sind, ruhe die Schirmherrschaft.
Quelle: ntv.de, als/AFP
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