Freitag, 9. August 2024

Das Ende des seriösen Journalismus in der Schwäbischen Zeitung: Sie ist zur rechtslastigen "Bild-Zeitung von Oberschwaben" mutiert

Der Leserbrief von Wolfgang Ertel deutete bereits das ganze Dilemma an: Die Schwäbische Zeitung kann nicht länger als neutral bezeichnet werden hier

SWR  hier  8.8.2024, Isabel Heine

Traditionsblatt aus Ravensburg im Umbruch

"Schwäbische Zeitung": Stellenabbau und Verunsicherung

Viele Mitarbeiter der "Schwäbischen Zeitung" aus Ravensburg sind in Sorge. Es geht um den publizistischen Kurs des Blattes. Außerdem will die Geschäftsführung Stellen abbauen.

Bei der "Schwäbischen Zeitung" hat ein Kündigungsangebot an die Belegschaft für Verunsicherung und schlechte Stimmung gesorgt. Der Schwäbische Verlag (SV Gruppe) mit Sitz in Ravensburg will dieses und nächstes Jahr je 20 Stellen abbauen bzw. umverteilen, unter anderem in den Redaktionen der "Schwäbischen Zeitung". Allen Mitarbeitern des Konzerns, zu dem mittlerweile mehrere Tageszeitungen gehören, wurde eine Prämie angeboten, wenn sie selbst kündigen.

Das Zeitungsgeschäft sei unter Druck, heißt es von der Geschäftsführung. Die Zustellkosten seien stark gestiegen. Deshalb müsse man effizienter arbeiten. Bei der "Schwäbischen Zeitung" seien deswegen technische Veränderungen gemacht worden. Zum Beispiel komme bei der Erstellung des Layouts oder bei der Fehlerkorrektur mittlerweile ein KI-Assistenzsystem, also künstliche Intelligenz, zum Einsatz. Auch die Erstellung von Standard-Meldungen laufe teilweise automatisch. Daher sei weniger Personal nötig. Es gebe einen "Bedarf an Reduktion", so der Geschäftsführer Lutz Schumacher. Außerdem befinde sich die "Schwäbische Zeitung" in einem Transformationsprozess hin zum Digitalen. ....

Sorge um publizistischen Kurs der Zeitung

Doch das Vertrauen in die Geschäftsführung und die Chefredaktion leidet schon länger. Es geht um die inhaltliche Ausrichtung und den Kurs der Zeitung, die sich selbst als "unabhängige Tageszeitung für christliche Kultur und Politik" bezeichnet. Durch den ehemaligen Chefredakteur Jürgen Mladek, der vor Kurzem überraschend gestorben ist, gebe es eine Offenheit für rechtspopulistische Themen, berichten Mitarbeiter anonym. Mladek wechselte 2022 vom Nordkurier, der in Mecklenburg-Vorpommern erscheint, zur "Schwäbischen Zeitung". Dieser Trend sei auch nach dessen Tod weiter spürbar und betreffe vor allem die Mantel-Redaktion, die für die überregionalen Themen zuständig ist.

In das sogenannte Editorial Board, das vor wenigen Monaten die Chefredaktion ersetzte und für die Inhalte der Gesamtredaktion zuständig ist, rückte kürzlich Philippe Debionne nach, der in Berlin sitzt. Auch zu ihm hätten viele Mitarbeiter der "Schwäbischen Zeitung" wenig Vertrauen. Ein Redakteur beschreibt ihn als affin für Rechtspopulismus und die Querdenker-Szene. "Es geht ihm nur darum, die AfD und die CDU hoch zu schreiben. Es geht immer gegen die Ampel-Regierung", so die Beobachtung des Zeitungsredakteurs. Früher habe die Zeitung mehr Pluralismus zugelassen.

Leserschaft verärgert über neuen Stil der Zeitung

Zuletzt erschien zum Beispiel ein Interview mit dem früheren Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen in der "Schwäbischen Zeitung". Viele Redakteure und Redakteurinnen seien empört darüber gewesen.


Wir haben dem umstrittenen Politiker eine Bühne für seine kruden Thesen gegeben.
Es wurden keine kritischen Nachfragen gestellt,
wie es eigentlich journalistischer Standard sein sollte.


Redakteur, "Schwäbische Zeitung"

Ein ähnliches Beispiel sei ein Interview mit dem Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian Krah, das wenige Tage vor der Europawahl veröffentlicht wurde. Auch die Leserschaft der "Schwäbischen Zeitung" spürt die Veränderung. Eine Abonnentin aus Lindau ist enttäuscht und besorgt über den neuen Stil. "Die Zeitung mutiert zur Förderin der [in Teilen] (Anm. d. Red.) rechtsextremen AfD und rangiert immer mehr auf dem niedrigen Niveau der Bild-Zeitung", schreibt die Leserin. Zum Beispiel seien in einem Artikel über eine Wahlkampfveranstaltung der AfD typische Narrative der Partei kommentarlos übernommen worden.

Auch im Online-Auftritt der "Schwäbischen Zeitung" spüren die Mitarbeiter eine Veränderung. Sie befürchten, dass in Zukunft nur noch sogenannte Clickbaiting-Artikel erscheinen, die möglichst viele Klicks erzielen sollen. "Wir spüren, dass wir mehr Zeit und Aufwand in die Recherche von boulevardesken Themen stecken sollen, wie zum Beispiel Unfälle oder Polizeimeldungen", sagt ein Mitarbeiter. 

Da bleiben tiefergehende Recherchen für andere Themen auf der Strecke. Zum Beispiel steht seit dem Messerangriff in Mannheim, bei dem ein Polizist getötet wurde, das Video von der Tat unverpixelt und ungeschnitten auf der Seite. "Sogar die Bild-Zeitung hat das Video geschnitten und mit einer Warnung versehen. Es ist unmöglich. Man sollte einen Menschen nicht beim Sterben zeigen," empört sich ein Redakteur.

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Sendung vom  Do., 8.8.2024 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg

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