Freitag, 9. August 2024

LASTENRÄDER im Aufwind und schon ersinnt Wissing neue Hürden

Bei den Fahrradanhängern  wird er plötzlich ganz schnell tätig und ersinnt einen Sonderweg für Deutschland, unser Verkehrsminister, den man eigentlich hauptsächlich wegen seiner Arbeitsverweigerungshaltung kennt. Campact hier sammelt  bereits Unterschriften s.u.  hier

WiWo  hier  von Martin Müller  07. August 2024

Der stille Elektro-Boom

Seit einigen Jahren boomen elektrische Lastenräder. Immer mehr Gewerbetreibende entdecken die Räder nun für sich. Was gestern ein Marketinggag war, mausert sich zum bedeutenden Teil städtischer Mobilität.

Wenn Heinz Blaschke eine neue Fensterbank ausliefert, steigt er dafür gerne auf das firmeneigene Lastenrad. Blaschke ist Steinmetz, sein Familienbetrieb im Stuttgarter Norden fertigt und bearbeitet Grabmale und Skulpturen, Steintreppen und Vogeltränken. Den Firmenwagen brauche es für Kundentermine oft gar nicht mehr, sagt er.

Stattdessen radelt der Steinmetzmeister durch Stuttgart. Der Betrieb nutzt das E-Lastenrad seit mehreren Jahren – zum Einkaufen, für Reparaturen und um kleinere Natursteinarbeiten zu transportieren. Anders als das Auto könne er das Lastenrad im engen Stadtgebiet einfach vor der Tür abstellen, sagt der Handwerker: „Das ist natürlich ein riesiger Zeitvorteil.“

Das Serienmodell der niederländischen Firma Urban Arrow hat Blaschke vor sechs Jahren angeschafft, Fördergelder des Landes Baden-Württemberg halfen bei der Finanzierung. 120 Kilogramm Zuladung erlaubt der Laderaum des Firmengefährts, Regale oder Schubfächer sind darin nicht eingebaut. „Das haben wir bewusst nicht gemacht, um flexibel zu bleiben“, sagt Blaschke. Für 70 Kilometer reiche der Akku des Fahrrads trotz all der Hügel in und um Stuttgart: mehr als genug für einen Arbeitstag.

Heinz Blaschke ist einer von vielen Handwerkern in Deutschland, die in den vergangenen Jahren auf Lastenräder umgestiegen sind. Besonders in Städten versprechen sich Schornsteinfeger, Dachdecker und Malermeister kürzere Wege und entspanntere Fahrten. Bund und Länder haben Kaufprämien für Unternehmen eingeführt. Neue Anbieter drängen auf den Markt für gewerblich genutzte Lastenräder, der sich lange in der Nische befand. Doch das ändert sich gerade: Das Marketinginstrument von einst wird zum ernst zu nehmenden Transportmittel.

Dynamic Drives Giessen ist einer der neuen Anbieter, die auf diesen Markt zielen. In Halle 8 der Frankfurter Fahrradmesse Eurobike zeigt das Start-up Anfang Juli sein Elektromodell für Handwerk, Logistik und Personentransport: Ein Fahrzeug mit vier Rädern, in dessen vorderen Teil sich die Pedale und eine Sitzschale befinden, zu beiden Seiten Lenkgriffe für die Steuerung. Die Ladefläche befindet sich hinter dem Sitz, 450 Kilogramm Nutzlast inklusive Fahrer verspricht das Unternehmen. Im November soll das Modell in den Verkauf gehen.

„Wir haben in Deutschland inzwischen 27 Hersteller für gewerblich genutzte Lastenfahrräder und noch mal 12 Hersteller von Anhängern“, sagt Tom Assmann, Vorsitzender des Radlogistikverbands Deutschland und Forscher an der Universität Magdeburg. „Da gibt es eine enorme Modellvielfalt.“

Bundesförderung im Februar ausgelaufen

Nicht nur das Angebot, auch die Nachfrage steigt. So bestätigt Carsten Benke, Referatsleiter Wirtschaftspolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), dass sich seit einigen Jahren immer mehr Betriebe mit Lastenrädern beschäftigen. „Im gesamten Handwerk ist das noch immer eine winzige Anzahl, aber bei einigen Gewerken, besonders in den Städten, lässt sich eine Entwicklung beobachten“, sagt Benke. Gerade im Bereich des Ausbaus, also bei Elektrikern, Tischlern oder Heizungsinstallateuren, würden die Räder immer beliebter.

„In verdichteten Räumen mit kurzen Wegen und großer Stellplatznot können Lastenräder natürlich Vorteile bringen“, sagt Benke. Dabei würden die mittlerweile professionell ausgestatteten Räder häufig eher als Ergänzung zum bestehenden Fuhrpark gesehen. So könnten etwa Heizungsinstallateure das Lastenrad gut für Reparaturen und Wartung nutzen – bei Terminen also, bei denen nur etwas Werkzeug transportiert werden muss. „Eine Wärmepumpe kann man damit aber nicht einbauen“, sagt Benke.

Neben der Zeitersparnis bei der Parkplatzsuche und im Berufsverkehr dürften für viele Handwerker die geringeren Betriebskosten, Mobilität für Mitarbeiter ohne Führerschein und der Imageeffekt für den Transport mit Lastenrädern sprechen. Für Blaschkes Betrieb sei das Lastenrad auch schlicht eine gute Werbung, sagt der Steinmetz. Bei den städtischen Kunden komme das Transportmittel gut an, als „Beitrag zur Neuausrichtung der Wirtschaft“, wie er es formuliert. Auf dem Rad prangt der Firmenname.

Die Bundesregierung hat von März 2021 bis Februar dieses Jahres den Kauf von gewerblich genutzten E-Lastenrädern mit bis zu 2500 Euro bezuschusst. Bisher sind nach Angaben des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mehr als 7000 Anträge mit 12,1 Millionen Euro gefördert worden, insgesamt wurden 10.500 Anträge bewilligt. Hinzu kommen über die vergangenen Jahre Tausende Förderanträge auf Landesebene. Am häufigsten unterstützt wurden auf Bundesebene freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen, das Gesundheits- und Sozialwesen, der Handel, das Baugewerbe und das verarbeitende Gewerbe. Die Bundesregierung prüft derzeit den weiteren Umgang mit der Förderung.

Insgesamt machen elektrische Lastenräder noch immer nur einen kleinen Teil des gesamten Fahrradmarktes aus. Laut dem Fahrradindustrieverband (ZIV) war zuletzt knapp jedes zehnte in Deutschland verkaufte E-Bike ein Lastenrad. Doch der Trend zeigt nach oben: Seit 2019 sind die Verkaufszahlen für E-Lastenräder in Deutschland stetig gewachsen, zuletzt um mehr als 14 Prozent auf 189.000 im vergangenen Jahr. Nicht zuletzt der Elektroantrieb macht Lastenräder für viele Kunden erst attraktiv.

„Lastenräder sind eine gute und sinnvolle Ergänzung des Fuhrparks und nicht nur ein Liebhaber-Ding für hoch motivierte Pioniere“, sagt Kirsten Havers von der Lobbyorganisation Cargobike jetzt. Havers leitet das Projekt „Flottes Gewerbe“, mit dem die Organisation seit 2022 Gewerbetreibenden im Auftrag von Kommunen E-Lastenräder näherbringen will, unter anderem mit mehrwöchigen Testangeboten. Da Lastenräder in der Logistik bereits ihren Platz gefunden haben, konzentriert sich die Organisation mit ihrem Projekt nun vermehrt auf Handwerksbetriebe, den Handel und das Gesundheitswesen, wo der Trend noch am Anfang steht.

„Für viele ist der klassische Transporter auch ein sozialer Raum“

Gehemmt werde der gewerbliche Lastenradverkehr bisher vor allem von der bestehenden Fahrradinfrastruktur: „Für größere Räder braucht man breitere Radwege“, fordert die Projektleiterin. Zudem warteten Interessierte aktuell mit ihrem Kauf auf eine Wiederaufnahme der Bundesförderung. Ein großes gewerblich genutztes Lastenrad könne schnell 15.000 Euro kosten.

Neben den ausbleibenden Fördergeldern ist auch die Akzeptanz der Räder noch ein Hemmnis für den ganz großen Lastenrad-Boom. „Für viele ist der klassische Transporter auch ein sozialer Raum: Da ist die Kaffeekanne, da ist die Zeitung, da kann man sich in der Mittagspause hinsetzen“, sagt ZDH-Referatsleiter Benke. Auch deshalb sei ein Lastenrad nicht für jeden Betrieb im Alltag geeignet. „Aber es gibt genug Konstellationen, wo Einsatzmöglichkeiten ausprobiert werden können.“

Das sieht auch Heinz Blaschke so. Lastenräder könnten sich nur dort etablieren, wo die Mitarbeiter dafür offen sind. „Sie brauchen Leute im Betrieb, die fahrradfreundlich eingestellt sind“, sagt er. Solange es trocken ist, nutzt Blaschkes Betrieb das E-Lastenrad auch im Winter. Für die Zukunft wünscht sich der Steinmetz eine bessere Infrastruktur für die Räder. Häufig fehle der Platz, das Rad „sauber“ abzuschließen: „Die Wirtschaft ist da schneller als die Städte und Gemeinden.“



Campact  hier

An: Bundesverkehrsminister Wissing

Nein zu deutschen Sonderregeln für Fahrradanhänger

Das Bundesverkehrsministerium plant eine massive Verschärfung der Regelungen für Fahrradanhänger.

 Demnach dürfen Fahrradanhänger zukünftig maximal 50 kg Gesamtmasse aufweisen, ansonsten brauchen sie ein eigenes Auflaufbremssystem. Zur Einschätzung: Bei einem Eigengewicht von 15 kg eines zweisitzigen Kinderfahrradanhängers blieben dann nur noch 35 kg an Zuladung übrig, was man locker mit zwei älteren Kindern überschreiten würde. Auch wer zwei Bierkästen transportieren will, kann die 50kg-Marke recht schnell reißen. Von größeren Hunden, Gartentransporten usw. wollen wir gar nicht erst anfangen.

Die zur Zeit bestehenden EU-Normen, sowie die geltenden Gesetze der StvZO und der StvO, reichen nach einschlägiger Auffassung für den sicheren Betrieb von Fahrradanhängern im privaten Bereich völlig aus.

Wir fordern deshalb: Keine weitere Regulierung für die private Nutzung von Anhängern an Fahrrädern.

Warum ist das wichtig?

Der gesamte private Transportbereich mit Fahrrädern soll verkompliziert werden. Dies würde für den Einzelnen zu großen Verunsicherungen führen, was schlussendlich das Fahrrad für kleinere Transporte unattraktiv macht, weil niemand weiß, ob sein oder ihr handeln "erlaubt" ist.

Eine Verschärfung in diesem Bereich wäre kontraproduktiv für die Verkehrswende in Deutschland. 

Es würde in jedem Fall zu unüberschaubaren Problemen, Kosten und Bürokratie führen, zumal es überhaupt nur noch wenige Räder gäbe, die freigegeben würden.  

Das Gesetzesvorhaben könnte in mehrfacher Hinsicht gegen den Koalitionsvertrag verstoßen, dazu gehört letztlich auch der Bürokratieabbau, die Einhaltung der Klimaziele und die Förderung des Radverkehrs. Und natürlich bedroht die Neuregelung viele kleine Hersteller von Fahrradanhängern.

Ganz unabhängig von Vorstehendem würde es sich mal wieder um einen Sonderweg in Deutschland handeln, wovon letztlich auch sämtliche Hersteller*innen von Fahrrädern und Fahrradanhängern in der EU betroffen wären; Handelshemmnisse würden somit auf- und nicht abgebaut.

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