30.05.2023 hier im Südkurier
Wie toll wäre das? Eine Technologie, mit der hunderttausende Menschen am Bodensee mit Energie versorgt werden könnten. Klimaneutral und ohne jeglichen Flächenfraß. Tatsächlich wird an so einem Konzept seit über einem Jahr geforscht – und schon Strom produziert: Gemeint ist die sogenannte Agri-Photovoltaik (Agri-PV).
... Die Idee ist einfach: Landwirte, die ihre Obstfelder mit Hagelschutznetzen vor Niederschlag und starker Sonnenstrahlung bewahren, ersetzen diese durch lichtdurchlässige Photovoltaik-Platten. Das Potenzial ist enorm in der Region. Schätzungen gehen von gut 160.000 bis 175.000 Haushalten aus, die versorgt werden könnten. ...
Hubert Bernhard sitzt auf einer Holzbank neben seinem Hofladen und lacht. Viel Zeit hat er nicht. Denn neben seinem Alltag im Betrieb kommen ständig Besucher, die seine Testanlage sehen wollen. „Im vergangenen Jahr waren es gut 2000 Leute“, sagt Bernhard. Erst kürzlich habe er den slowenischen Landwirtschaftsminister begrüßt. Auch er selbst ist unterwegs: Ende April war Bernhard etwa bei einem Ausschuss des baden-württembergischen Landtags. Dort sprach er über seine Erfahrung mit seiner Testanlage. Und wie lautet sein Resümee?
„Das Prinzip Agri-PV funktioniert“, so Bernhard.
Auf einer Fläche von 4000 Quadratmetern ersetzen bei Bernhard Solarpanels die sonst üblichen Hagelschutznetze. Diese lassen unterschiedlich viel Licht durch. Bei einigen gelangen gut 40 Prozent der Sonnenkraft auf die Apfelbäume, bei anderen 50 Prozent. “Wenn es wenig Sonne gibt, sind die Platten mit 40 Prozent Lichtdurchlässigkeit schon grenzwertig”, räumt er ein. Die durchlässigeren Module hätten sich aber als ausgesprochen gut erwiesen. “Die lassen etwa so viel Sonne durch wie dunkle Hagelschutznetze.” Seine Äpfel wachsen darunter demnach ohne Probleme. Eine entsprechende Einheit produziere gut 185 Watt Strom pro Stunde – und damit knapp die Hälfte von regulären Solarplatten. Bernhard betont: „Ich will weiter ausbauen.“
Ortswechsel. Ulrich Mayr vom Kompetenzzentrum Obstbau (KOB) bei Ravensburg ist wissenschaftlicher Begleiter des Tests auf Hubert Bernhards Hof. ...: “Für die Landwirte muss gewährleistet sein, dass die Früchte unter allen Bedingungen unter den Modulen wachsen können.” Das Jahr 2022 sei sehr sonnig und trocken gewesen, 2023 sei regenreicher. „Aber“, so Mayr: „Wir sind optimistisch, dass wir mit Agri-PV gut produzieren können.“ Das hat er auch vor dem Landtagsausschuss gesagt, bei dem auch Bauer Bernhard gesprochen hat.
Landwirte sind interessiert
rechts: vom BLHV - großes Interesse an Freiflächen-PV wird signalisiert
Die Aussichten sind also gut. Wo also liegen noch die Hürden, bis das Prinzip flächendeckend ausgerollt wird? Hier sind sich der Praktiker Bernhard und der Wissenschaftler Mayr einig: Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Laut Mayr kamen Gelder für die Forschung erst spät, weswegen er noch keine belastbaren Daten vorweisen kann. Nach Angaben des Umweltministeriums lagen die dafür zuständigen Haushaltsmittel nicht vor. Hubert Bernhard, der schon im Juni 2022 gegen die Bürokratie wetterte, zählt gleich eine ganze Reihe von Fragen auf, die noch offen sind: „Zusagen der Netzbetreiber, die Festlegung im Regionalplan und das Baurecht – all das ist noch nicht geklärt!“.. Weiter führt Bernhard aus: „Viele Agrarflächen liegen im Landschaftsschutzgebiet.“ Doch im Regionalplan sei nicht geklärt, ob dort überhaupt Agri-PV-Anlagen errichtet werden dürfen. Eine Rückfrage beim zuständigen Regionalverband ergibt, dass der entsprechende Regionalplan Energie wohl erst Ende 2025 rechtskräftig wird...
Es scheint also weiterhin Klärungsbedarf zu geben, bis die vielversprechende Technologie in großem Stil ausgerollt werden kann. Sollten all diese Hürden überwunden sein, gibt es nur noch eine Gruppe, die mitmachen muss: die der Landwirte. Aber Hubert Bernhard weiß: „Bei vielen ist das Interesse riesig.“...
Hier noch eine Folie zum Flächenverbrauch, was für Landwirte und Nicht-Landwirte gleichermaßen wichtig ist
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