Donnerstag, 18. August 2022

Warum Waldbiomasse nicht zu den „erneuerbaren“ Energien gezählt werden darf

 Euractive hier      Von: Michal Wiezik und Zoltan Kun | übersetzt von Thomas Lehnen

Zum Wohle unserer Wälder, der Natur und eines lebenswerten Klimas muss sich der Rest des Europäischen Parlaments den Abgeordneten anschließen, die sich für ein Ende der Anrechnung von Waldbiomasse auf die Ziele für erneuerbare Energien, schreiben Michal Wiezik und Zoltan Kun.

Michal Wiezik ist slowakischer EU-Abgeordneter für die liberale Renew-Fraktion und Mitglied des Umweltausschusses (ENVI). Zoltan Kun ist Leiter des Bereichs Naturschutz bei der Stiftung WildEurope.

Um das EU-Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen, sind massive Anstrengungen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Wäldern, die der Atmosphäre CO2 entziehen, erforderlich.

Derzeit stammt jedoch ein großer Teil der erneuerbaren Energien in der EU aus der Verbrennung von Bäumen und anderem Holz als Brennstoff, wodurch mehr CO2 pro Energieeinheit ausgestoßen wird als bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe und Kohlenstoff aus den Wäldern in die Atmosphäre gelangt – das Gegenteil von dem, was wir brauchen, wenn wir den Klimawandel ernsthaft bekämpfen wollen.

Nach Angaben von Eurostat, dem statistischen Amt der EU, werden etwa 40 Prozent der erneuerbaren Energie in der EU durch die Verbrennung von Holz gewonnen.

Nach Angaben der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS beziehungsweise JRC) der EU-Kommission handelt es sich bei etwa der Hälfte dieses Holzes um „primäre holzartige Biomasse“, also direkt aus Wäldern stammende Biomasse (Waldbiomasse). Die andere Hälfte ist „sekundäre“ holzartige Biomasse, nämlich Rückstände aus der Holzindustrie und verbrauchtes Holz.

Aufgrund der Anreize für die Nutzung von erneuerbare Energien hat sich die Holzverbrennung seit 1990 fast verdreifacht. Der Großteil des Holzes, das auf die Zielvorgaben für erneuerbare Energien angerechnet wird, wird in Privathaushalten verbrannt, obwohl Kraftwerke, in denen Holz verbrannt wird, im Rahmen der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien Milliarden an öffentlich finanzierten Subventionen für erneuerbare Energien erhalten.

Im September werden die EU-Abgeordneten über die vorgeschlagenen Reformen der Biomasse-Bestimmungen der Richtlinie abstimmen.

Der Umweltausschuss hat einen Änderungsantrag angenommen, der den Großteil der Waldbiomasse aus der Richtlinie als Form der erneuerbaren Energie herausnimmt. Diese Reform würde die Menschen nicht davon abhalten, Holz zu verbrennen – sie würde lediglich dazu führen, dass die Energie aus der Verbrennung der meisten Waldbiomasse nicht mehr auf die Zielvorgaben für erneuerbare Energien angerechnet wird, und würde jedes Jahr Milliarden an Subventionen für saubere, emissionsfreie erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnahmen freisetzen, die zur Verringerung der Energiearmut beitragen könnten.

Der Änderungsantrag des Umweltausschusses sieht vor, dass die Verbrennung sekundärer Biomasse, wie Sägemehl und Rinde aus Sägewerken, weiterhin als erneuerbare Energie im Rahmen der Richtlinie angerechnet werden kann und Subventionen erhält.

Die Änderung besagt, dass das Parlament einen Durchführungsrechtsakt verabschieden sollte, um das Kaskadenprinzip für Biomasse anzuwenden, damit diese so lange wie möglich wiederverwendet werden kann. Am Ende der Lebensdauer eines Produkts kann es, wenn es nicht weiter verwertet werden kann, zur Energiegewinnung verbrannt werden.

Es ist nicht überraschend, dass sich die Biomasseindustrie gegen die Empfehlung des Umweltausschusses ausspricht, die Verbrennung von Waldbiomasse nicht mehr als erneuerbare Energie anzurechnen.

Sowohl die nordamerikanische Holzpellet-Industrie als auch die in Schweden ansässige World Bioenergy Association (WBA), die mehr als 50 nationale und internationale Handelsverbände für eine Branche mit einem Wert von 8,7 Milliarden Dollar vertritt, haben intensive Lobbyarbeit geleistet.

Die WBA argumentiert, dass die Verwendung von Holzabfällen eine „kluge und nachhaltige Praxis ist, die von Forst- und Klimaexperten weitgehend akzeptiert wird“.

Sie scheinen die Menschen glauben machen zu wollen, dass forstwirtschaftliche Biomasse nichts anderes ist als die Reste, die beim Holzeinschlag anfallen. Das ist aber nicht wahr. Aber selbst wenn es wahr wäre, dass es sich bei forstlicher Biomasse nur um Abholzungsrückstände handelt, würde ihre Verbrennung den Wäldern und dem Klima schaden.

Die GFS-Studie aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Schluss, dass nur eine begrenzte Entfernung von „feinem Holz“ (Äste mit geringem Durchmesser, Blätter, Nadeln und so weiter) die Risiken für die Wälder und das Klima begrenzt.

Die Abholzung und Verbrennung von „grobem Holz“, nämlich von Baumstämmen, Stümpfen und anderen großen Holzstücken, die nach der Abholzung übrig bleiben, stellt dagegen ein „hohes Risiko“ für die Biodiversität und das Klima dar.

Das bedeutet, dass die Verbrennung dieses Materials die Netto-CO2-Emissionen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte erhöht.

Die Abholzung von grobem Holz schadet dem Ökosystem auch auf andere Weise, indem sie Lebensräume zerstört, die Biodiversität beeinträchtigt, den Kohlenstoffgehalt des Bodens verringert und sogar die Waldregeneration behindert.

Auch die Behauptung der Biomasseindustrie, sie würde in erster Linie „forstwirtschaftliche Rückstände“ verwenden, ist irreführend, da der Begriff keine feste Definition aufweist und alles von Baumstämmen bis zu Zweigen umfasst.

Tatsächlich hat die GFS festgestellt, dass „Stammholz“ etwa die Hälfte der in der EU verbrannten Waldbiomasse ausmacht. In jüngerer Zeit wurde die Verwendung von Stammholz als Biomasse in einem Bericht, der mehrere Biomasse- und Holzpelletanlagen in der EU untersuchte, gut dokumentiert.

Die WBA behauptet, dass der niedrige Wert der Biomasse nicht ausschlaggebend für Ernteentscheidungen sei. Da Biomasse jedoch öffentlich subventioniert wird, ändert sich das Kalkül, ob und wie viel Holz geschlagen werden soll.

Ausgehend von Eurostat-Daten nimmt der Holzeinschlag für Biomassebrennstoffe in ganz Europa zu. Am wichtigsten ist jedoch, dass der „geringe Wert“ nur den wirtschaftlichen Wert und nicht den Wert der Bäume für das Klima und die biologische Vielfalt berücksichtigt.

Es ist ohnehin sinnlos, darüber zu streiten, was echte „Rückstände“ sind, wenn es unmöglich ist, zu überprüfen, was verbrannt wird, da das Holz oft einfach am Ort der Abholzung gehäckselt und dann per LKW zu einem Biomassekraftwerk transportiert wird.

In Wirklichkeit wird der CO2-Ausstoß aus den Wäldern im Namen der erneuerbaren Energien in die Schornsteine geblasen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Zweige, Äste oder Stämme handelt. Damit werden Anreize geschaffen, noch mehr Kohlenstoff aus den Wäldern in die Atmosphäre zu schicken, was das Gegenteil von dem ist, was wir tun müssen, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Die WBA macht vorhersehbare Aussagen über den „nachhaltigen“ Holzeinschlag. Aber wenn die Industrie so nachhaltig ist, warum verlieren dann einige der größten Biomasse-Nutzer und -Produzenten Europas, wie Finnland und Estland, ihre Kohlenstoffsenken im Boden?

In beiden Fällen hat der intensive Holzeinschlag den Landsektor von einer CO2-Senke in eine Quelle verwandelt. In Finnland haben Regierungsforscher den Einschlag von Bäumen zur Gewinnung von Biomasse als Hauptursache für diesen Prozess ausfindig gemacht.

Wie die WBA feststellt, macht Waldbiomasse weniger als 20 Prozent der erneuerbaren Energie in der EU aus. Tatsächlich macht die forstliche Biomasse nur etwa drei Prozent der Gesamtenergie in der EU aus, was weit unter der Spanne liegt, die durch Effizienzmaßnahmen eingespart werden könnte.

Diese Menge kann und muss durch wirklich saubere, kohlenstoffarme erneuerbare Energie ersetzt werden, was wahrscheinlich ein Kompromiss ist, den viele Menschen akzeptieren würden – die Chance, Wälder für das Klima und die Natur zu erhalten und wiederherzustellen, um den Preis, etwas weniger Energie zu verbrauchen.

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Umweltausschuss haben einen mutigen und prinzipientreuen Standpunkt eingenommen, indem sie ein Ende der Anrechnung von Waldbiomasse auf die Ziele für erneuerbare Energien gefordert haben.

Um unserer Wälder, der Natur und eines lebenswerten Klimas willen muss sich der Rest des EU-Parlaments ihnen anschließen.

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