hier NZZ Rudolf Hermann,17.08.2022
Wie Dänemark mit lokalen Projekten Erfolg hat
Eine Insel, die schon jetzt klimaneutral ist, und eine Industriestadt, deren Abfall Rohstoff für andere ist: Dänemark hat viele Beispiele für vernetztes Denken, das der Umwelt zugutekommt. Damit sparen die Dänen auch Geld.
«Ellen» schnurrt zufrieden, während sie sich am Kai von Söby füttern lässt. Dabei ist «Ellen» nicht etwa eine Katze, sondern eine Fähre. Und eine besondere dazu: Derzeit ist sie das Fährschiff, das weltweit die längste rein elektrisch betriebene Strecke in kommerziellem Betrieb bedient.
Mehrmals am Tag absolviert die «Ellen» mit bis zu 30 Autos und 20o Personen an Bord die rund 40 Kilometer zwischen dem südjütländischen Fynshav und Söby auf der Insel Aerö im Kleinen Belt. Immer wenn sie im Hafen von Söby am Anleger liegt, werden ihre Batterien aufgeladen mit Strom, den die Insel mit Windrädern selber erzeugt. Der Betrieb der Fähre ist damit emissionsfrei.
Das Beispiel Aerö
Im regulären Verkehr steht die Elektrofähre «Ellen» seit rund einem Jahr. Geboren wurde die Idee auf Aerö, das eine lange maritime Tradition hat und wo es noch heute eine kleine Werft gibt, in der die «Ellen» dann auch zusammengebaut wurde.
Als die Verwaltung der Insel nach Wegen suchte, ihren Klimafussabdruck zu verringern, war die Schifffahrt naturgemäss weit vorne im Blickfeld. Denn die Verbindungen nach Festland-Dänemark sind nicht nur wichtig für das öffentliche Leben, sondern auch eine Knacknuss auf dem Weg zur Abkehr von fossilen Energieträgern. Diese will man auf Aerö bis 2030 eliminieren.
Die Entwicklung einer E-Fähre allein zu stemmen, wäre für die kleine Gemeinde mit ihren bloss rund 6000 Einwohnern allerdings schwierig gewesen. Doch vermochte man vor einigen Jahren die EU an Bord zu holen, die die Entwicklung des 21 Millionen Euro teuren Schiffs über das Programm Horizon 2020 schliesslich zu über der Hälfte mitfinanzierte.
Eine Elektrofähre sei zwar in der Anschaffung kostspieliger als ein konventionelles Schiff, erklärte ein Vertreter der Gemeinde Aerö in einem Presseinterview, der Betrieb falle dann allerdings deutlich billiger aus. Weil die Insel inzwischen mehr Strom herstelle, als sie konsumiere, sei der Entscheid deshalb nicht nur klimapolitisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich richtig gewesen. Und darüber hinaus könne man demonstrieren, dass E-Fähren eine valable Alternative seien. Schiffe vom Typ der «Ellen» könnten in Dänemark nämlich 75 Prozent aller heute angebotenen Routen bedienen.
Ein Provinznest als «Welthauptstadt der Energieeffizienz»
Mit ihrem Engagement für den Klimaschutz ist die Insel Aerö in Dänemark kein Einzelfall. Es gibt eine ganze Reihe von Initiativen, die zwar auf kommunaler oder regionaler Ebene konzipiert wurden, die aber weit darüber hinaus ausstrahlen.
Sönderborg zum Beispiel, ein Provinznest ganz im Süden Dänemarks, hat sich die Energieeffizienz auf die Fahnen geschrieben. Sein «Project Zero», eine Partnerschaft von öffentlichen und privaten Körperschaften, bringt den optimierten Einsatz von Energie praxisorientiert und nahe an die Bürger. Das Projekt läuft so gut, dass Sönderborg im Juni dafür eine globale Bühne bekam: Die Kleinstadt fungierte als Gastgeberin der prestigeträchtigen Jahreskonferenz der Internationalen Energieagentur (IEA) zu Fragen der Energieeffizienz.
«Guter Boden für neue Ansätze»
Teil der Strategie war nicht zuletzt, den Einwohnern über eine Genossenschaft Beteiligungen an Windrädern zu ermöglichen und damit die Akzeptanz der Anlage zu steigern. Mit diesem Modell bestanden in Dänemark damals bereits Erfahrungen. Es war schon bei dem 2001 eingeweihten Windpark Middelgrunden bei Kopenhagen, damals mit einer Kapazität von 40 MW der grösste Offshore-Windpark der Welt, zur Anwendung gekommen.
Machen die Dänen mit solchen Initiativen «von unten» eine bessere Energiepolitik als andere Länder? Sind sie talentierter darin, auf lokaler Ebene vernetzt zu denken und zu kooperieren? Das würde sie nicht unbedingt bestätigen, meint Lise Holmegaard Larsen von der Agentur State of Green, die als Scharnier zwischen öffentlicher Verwaltung, Industrie und Wissenschaft fungiert.
Aber Dänemark sei gut darin, neue Denkansätze mit Anreizen zu fördern. Wenn dann noch lokale Verankerung und Kooperation hinzukämen, schaffe das zweifellos ein Klima des Vertrauens bei der Gestaltung einer neuen Wertschöpfungskette.
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