Donnerstag, 25. August 2022

 Südkurier 23.8.22  hier

22.08.2022  |  VON WALTHER ROSENBERGER

KOMMENTARE: DIENSTWAGENPRIVILEG : Auf den Prüfstand!

Das Dienstwagenprivileg ist eine geniale Erfindung des Automobilstandorts Deutschland. Im Grunde funktioniert es so: Der Staat macht es Firmen finanziell schmackhaft, viele Dienstwagen anzuschaffen und diese seinen Angestellten auch für die Privatnutzung günstig zu überlassen. Das kurbelt den Absatz der meist hochpreisigen Modelle an, die ja überwiegend hierzulande hergestellt werden, und führt zu vollen Auftragsbüchern bei den Autobauern. Weil die Karossen nach kurzer Zeit im Gebrauchtwagenmarkt landen und dort von jedermann erworben werden können, profitiert eigentlich jeder. Leider hat sich das Konzept überholt. Denn es belohnt jene, die es sich eh leisten können, teure Autos zu fahren. Warum der Staat einem Selbstständigen seinen Edelschlitten mit sechsstelligen Beträgen finanzieren sollte, ist nicht vermittelbar. Der Staat darf so etwas nicht fördern. Stattdessen sollte er die Anreize so setzen, dass preisgünstige und umweltfreundliche Alternativen attraktiver werden.         

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22.08.2022  |  VON WALTHER ROSENBERGER WALTHER.ROSENBERGER@SUEDKURIER.DE

Teure Dienstwagen auf Kosten des Staates

Jürgen Resch ist ziemlich geladen. „Die Förderung von Dienstwagen in Deutschland ist absurd“, sagt der Bundesgeschäftsführer der in Radolfzell am Bodensee ansässigen Deutschen Umwelthilfe (DUH). Je größer die Klimaschädlichkeit des Fahrzeugs, desto mehr Geld gebe es aus der Staatskasse. Und: Je höher das Einkommen des Dienstwagenbesitzers, desto stärker werde subventioniert. Als „weltweit einmalig“, bezeichnet der Umwelt-Lobbyist die heimischen Dienstwagen-Regelungen.....

Ausgehend von Daten des Kraftfahrtbundesamts hat sich die DUH Luxus-Dienstwagen ausgeguckt, und deren Umwelt- und Steuerbilanz ausgewertet. Dass es sich dabei um Fahrzeuge handelt, die selbst Top-Manager in Unternehmen meist nicht ordern dürften und die daher eigentlich nur für Selbstständige infrage kommen, ficht Resch nicht an. „Wir haben bewusst Extrembeispiele gewählt“, sagt er. Aber die zeigten, wie das System funktioniere.

Beispiel Audi R8 Spyder Performance: Das allradgetriebene Zehn-Zylinder-Ungetüm hat einen Marktpreis von knapp 270 000 Euro. Unter üblichen Steuer- und Abschreibebedingungen und ein Gehalt des Nutzers von mehr als 277 000 Euro vorausgesetzt, bezahlt der Staat vom Listenpreis gut 154 000 Euro oder rund 57 Prozent. Bei einem Porsche 911 Turbo S Cabrio (Listenpreis rund 240 000 Euro), sind es laut DUH-Berechnung immerhin noch gut 138 000 Euro Staatszuschuss. Dieser wird über Steuervergünstigungen und Gewinnabschreibungen realisiert.

Verschärfend kommt hinzu: Exklusive Supersportwagen, etwa von Porsche, sind sehr wertstabil. Nutzten selbstständige Dienstwagenbesitzer die gängige Abschreibedauer von fünf Jahren aus, sei „der Restwert der Fahrzeuge regelmäßig höher als der günstigstenfalls verbleibende Eigenanteil an der Finanzierung. Sprich: Verkaufen die Fahrzeughalter ihren Boliden, nachdem sie voll abgeschrieben sind als Gebrauchtfahrzeug, machen sie damit sogar noch Gewinn. Resch sagt: „Besserverdienende können sich über Jahrzehnte zum Gratistarif Luxus-Limousinen, SUV-Stadtpanzer und Supersportwagen anschaffen.“

Auch Benjamin Fischer, Projektleiter Verkehrsökonomie beim Beratungsunternehmen Agora-Verkehrswende, sagt, „Spitzenverdiener profitieren finanziell überdurchschnittlich vom Dienstwagenprivileg“. Je höher der persönliche Steuer- und Abgabensatz, desto höher sei der finanzielle Vorteil einer Dienstwagennutzung im Vergleich zur privaten Anschaffung. Generell werde im Steuerrecht der geldwerte Vorteil, der durch eine Dienstwagennutzung für private Zwecke entstehe, „viel zu niedrig angesetzt“, so der Agora-Fachmann.......

Stimmen Leasing-Optionen und Händler-Rabatte, kann ein Dienstwagen sogar für das anschaffende Unternehmen nahezu kostenlos gestaltet werden. Ein System, dass nach Meinung der Klimaallianz-Deutschland zu einem „Überangebot an großen, klimaschädlichen Spritfressern“ im Gebrauchtwagenmarkt beiträgt.

Aber wer zahlt für all die Vorzüge? Einerseits wird nach Meinung von Fachleuten der Umbau des Verkehrssystems hin zu sparsamen Autos ausgebremst. Andererseits kosten die derzeitigen Dienstwagen-Regeln den Staat Schätzungen zufolge zwei bis drei Milliarden Euro jährlich. „Tendenz steigend“, wie es von Agora-Verkehrswende heißt.....

Für viele Verkehrsexperten steht dennoch fest, dass das System reformbedürftig ist. Reschs DUH fordert eine Begrenzung der Absetzbarkeit von Dienstwagen auf 30 000 Euro. Steuervorteile sollten zudem nur Halter genießen, deren Autos Umweltvorgaben entsprechen und die EU-weit geltenden CO2-Grenzwerte einhalten. Ein Audi R8 Spyder oder ein Porsche Turbo wäre dann übrigens als Dienstwagen nicht mehr drin. Sie überschreiten die EU-CO2-Schwelle von 95 Gramm pro Kilometer um das Dreifache....

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