Montag, 22. August 2022

Der Städtetag wirbt für die Energiewende

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Baden-Württemberg geht vom Gas - Klimaschutz in Krisenzeiten voran bringen 

Stuttgart. Der Städtetag wirbt für ein gemeinsames Vorgehen zum Energiesparen – die Kommunen wollen mit gutem Beispiel vorangehen. Eine besondere Rolle soll den Stadtwerken zukommen.
 
Mit der Aktivierung der Alarmstufe im Rahmen des Notfallplans Gas ist die drohende Gasmangellage in die erste Reihe der Aufmerksamkeit gerückt. Die stark verminderte Gaslieferung aus Russland trifft Deutschland auf allen Ebenen: Bund, Länder, Kommunen, Industrie, Gesundheitsversorgung, Privathaushalte. Gemeinsam müssen deshalb nun alle für energiesparendes Verhalten werben und eigene Ideen einbringen, um in Summe die größtmögliche Menge an Gas und Strom zu sparen. Je mehr Akteure mitmachen, desto besser.
 
Mit einer Kampagne will der Städtetag die Bevölkerung mit konkreten Vorschlägen direkt erreichen und hat mit dieser Überlegung spontan das Interesse der Landesregierung geweckt, so Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg: „Mit einer großen gemeinsamen Aktion von Land, Kommunen und vielen weiteren Verbänden, Vereinigungen und Institutionen wollen wir die Menschen dafür sensibilisieren, ab sofort alles dafür zu tun, Gas und auch Strom zu sparen. Es gibt vieles, was man zu Hause tun kann, ohne Lebensqualität einzubüßen. Baden-Württemberg muss jetzt vom Gas gehen.“
 
Auch die Städte selbst sind Verbraucher und werden durch Temperaturabsenkungen in Verwaltungsgebäuden und reduziertes Angebot von Warmwasser mit gutem Beispiel vorangehen. Weitere Einsparmöglichkeiten gibt es durch Verzicht auf Fahrten mit Dienstwagen oder indem die Homeoffice-Regelung weitergeführt wird.
 
Die Menschen zu sensibilisieren bedeutet also auf der einen Seite, ihnen Ideen und Tipps zu geben, wo sie selbst Energie sparen können. Auf der anderen Seite heißt es auch, sie darauf vorzubereiten, dass die Städte und Gemeinden Energie sparen müssen, und das wird die Bevölkerung an vielen Stellen spüren: an kühleren Temperaturen in Schwimmbädern, Bibliotheken und anderen publikumswirksamen Gebäuden zum Beispiel“, so Gudrun Heute-Bluhm weiter.
 
Als Faustformel gilt: Ein Grad weniger Raumtemperatur spart rund 6 Prozent der eingesetzten Energie.
 

Rolle der Stadtwerke
Aus der aktuellen Energiekrise gilt es nun die richtigen Lehren zu ziehen. Insbesondere muss die Wärmewende in Deutschland – also die Umstellung des Wärmesektors hin zu Erneuerbaren Energien – aktiv vorangetrieben werden. Um kommunale Wärmeplanungen umzusetzen, zu der seit dem vergangenen Jahr Stadtkreise und Große Kreisstädte verpflichtet sind, ist der flächendeckende Ausbau von Wärmenetzen unerlässlich. Dabei können und müssen die Stadtwerke vor Ort eine wichtige Rolle übernehmen, denn anders als bei Öl-Heizungen braucht es für die Wärmeversorgung durch Industrie- und Abwasserabwärme oder Solarthermie ein Leitungsnetz.
 
In Neubaugebieten ist die Errichtung von Wärmenetzen vielfach schon heute Standard in den Kommunen. Die Leitung kann beim Bau der Straße mitverlegt werden und so die Tiefbaukosten gering halten. Die Zahl der Abnehmer, die ihre Wärme über das Wärmenetz beziehen, ist dabei gut zu kalkulieren. Das gilt vor allem, wenn sämtliche Grundstücke im Eigentum der Stadt stehen und sie diese jeweils im Paket mit einem Hausanschluss verkaufen kann – oder wenn die Stadt mit dem Instrument des Anschluss- und Benutzungszwangs für das Wärmenetz arbeitet.
 
Besonders schwierig – sowohl in technischer als auch in finanzieller Hinsicht – ist die Errichtung eines Wärmenetzes dagegen im Bestand. Hier entstehen hohe Tiefbaukosten, weil eigens für die neue Wärmeleitung die Straße aufgerissen werden muss. Zudem sind Bestandsgebäude bereits mit einer Heizung ausgestattet. Die Bereitschaft, die bestehende Heizung abzuschaffen und sich an das Wärmenetz anzuschließen, wird bei daher weitem nicht bei allen Anliegern vorhanden sein.
 
Sehr hohen Anfangsinvestitionen stehen damit zunächst geringe Einnahmen gegenüber. Da diese Investitionen nicht aus dem laufenden Haushalt gedeckt werden können, brauchen die Kommunen hier attraktive Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten, wie zum Beispiel erweiterte Möglichkeiten, größere Kredite über das eigentlich mögliche Maß hinaus aufzunehmen, denn Investitionen in den Klimaschutz refinanzieren sich oftmals durch zukünftige Einnahmen.
 
Weiter muss jetzt rasch die Rolle der Kommunen beim Wärmenetzbau geklärt werden, indem der Bau von Wärmenetzen im Rahmen der Daseinsvorsorge als originäre Aufgabe der Kommunen und ihrer Stadtwerke definiert wird. Dabei muss akzeptiert werden, dass ein Wärmenetz erst im Laufe der Zeit wirtschaftlich wird, nämlich wenn die bestehenden Heizungsanlagen im Erschließungsgebiet außer Betrieb genommen werden. Der Fehler, der beim Breitbandausbau zu einer Rosinenpickerei der Telekommunikationsunternehmen geführt und den Kommunen nur die nicht wirtschaftlich zu erschließenden Gebiete überlassen hat, darf sich beim Wärmenetzbau nicht wiederholen.
 
Die Situation der Stadtwerke im Lichte der aktuellen Energiekrise war tagesaktuelles Schwerpunktthema bei der Reise des Vorstands des Städtetags vor kurzem in Berlin. Ziel war es, die baden-württembergischen Vertreterinnen und Vertreter in der Bundesregierung für die besonderen Anliegen der Städte und Gemeinden zu gewinnen. Gespräche führte die Delegation des Städtetags mit den Parlamentarischen Staatssekretär*innen Rita Schwarzelühr-Sutter, Jens Brandenburg, Benjamin Strasser, Florian Toncar und Franziska Brantner.
 
Sehr aufschlussreich gestaltete sich das Gespräch mit Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, unter anderem über Energie- und Verkehrswende. Sie sieht die entscheidende Rolle, die der kommunalen Energieversorgung durch die Stadtwerke zukommt: „Wir brauchen die Kommunen, um gemeinsam vor Ort voran zu kommen“, so Brantner.
 
Positives Beispiel Dänemark
In Krisenzeiten lohnt es sich, nach guten Beispielen zu schauen. In Sachen Wärmeplanung ist das der Blick nach Dänemark, wo man die Ölkrise der 70er Jahre genutzt hat, um konsequent umzudenken.
 
Eine Delegation des Städtetags aus Oberbürgermeister*innen und Fachbürgermeister*innen hat dort im Juni viele gute Ideen kennen gelernt. Die Erfahrungen der Dänen zeigen: Wärmeplanung muss lokal verankert sein. Kommunale Akteure arbeiten dort eng zusammen, um lokal angepasste Lösungen zu entwickeln. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist außerdem, dass eine gute Kommunikation gegenüber der Bevölkerung mit klaren Zielen entscheidend für die Akzeptanz und das Gelingen der Wärmewende ist.
 

Deutschland hat diese Aufgabe nun vor der Brust, um unabhängig von Gas- und Ölimporten zu werden und die Klimaziele erreichen zu können.
 
„Wir haben in Kopenhagen gespürt, wie mutig und solidarisch die dänische Gesellschaft ist“, berichtet Gudrun Heute-Bluhm. „Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft arbeiten gemeinsam und über parteipolitische Grenzen hinweg am Ziel der Klimaneutralität. Klimaschutz wird als Standortvorteil und Treiber einer zukunftsfähigen Wirtschaft betrachtet und weniger mit der zögerlichen Abwehrhaltung  wie so oft bei uns in Deutschland.“

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