Freitag, 2. Februar 2024

Nach Mini-Aufmarsch: Wie die AfD sich ihre Wahrheit bastelt

Schwäbische Zeitung  hier  27.01.2024   Jens Lindenmüller

siehe dazu auch hier,  Brief an Hr. Härle und an das Landratsamt

Nach Mini-Aufmarsch: Wie die AfD aus einem Rohrkrepierer eine Erfolgsgeschichte basteln will

Dem Aufruf der AfD zum Aufmarsch vor dem Bauunternehmen von Bernhard Straßer, der dem Bodenseekreis einen ehemaligen Supermarkt zur Unterbringung von Geflüchteten vermietet, folgen Anfang Dezember nur wenige Bürger.



Eine Kundgebung, ein Spendenaufruf und eine Anzeige im Salemer Amtsblatt, die gar nicht hätte veröffentlicht werden dürfen. Eine gute gemeinte Aktion wird zum Politikum.

Bernhard Straßer hat sein Spendenversprechen eingelöst. Im Zuge einer AfD-Demonstration, die sich gegen eine Unterkunft für Geflüchtete in Mimmenhausen und gegen ihn selbst als Vermieter des Gebäudes richtete, hatte der Salemer Bauunternehmer Anfang Dezember eine Spendenaktion zugunsten des Ihube-Eine-Welt-Projekts des Elternvereins der Bodensee-Schule gestartet - und auch die AfD dazu aufgefordert, diese zu unterstützen.

Seither versucht die Partei mit fragwürdigen Mitteln, die Aktion als eigenen Erfolg zu verkaufen.

Zur Kundgebung der AfD vor dem ehemaligen Supermarkt, den Bernhard Straßer zur Unterbringung von Geflüchteten an den Bodenseekreis vermietet, waren gerade einmal knapp 30 Menschen gekommen. Anwohner oder zumindest Einwohner der Gemeinde Salem kamen nicht zu Wort.

Beim anschließenden Aufmarsch vor Straßers Firma, wo die Protestierenden ihn öffentlich zur Rede stellen wollten, traf das Grüppchen auf mehr als 300 Gegendemonstranten, die ihr den Zugang aufs Firmengelände versperrten.

Herberge für Berufsschüler in Nigeria

Bernhard Straßer stellte sich den AfD-Funktionären und -Anhängern trotzdem - auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dort verteidigte er nicht nur seine Zusage für die Anfrage des Landratsamts zur Anmietung des ehemaligen Supermarkts, sondern kündigte auch an, die erste Monatsmiete, die er vom Bodenseekreis erhält - aufgerundet 5000 Euro - für das Projekt „Beweg was“ im Rahmen des Ihube-Eine-Welt-Projekts zu spenden. Dahinter verbirgt sich eine Berufsschule in der Region Okigwe in Nigeria, in der Jugendliche ein Handwerk erlernen können. Aktuell wird für die Schüler eine Herberge gebaut.

Straßer rief alle Städte und Gemeinden im Bodenseekreis dazu auf, das Projekt ebenfalls mit jeweils 5000 Euro zu unterstützen. Um in schwierigen Zeiten ein Zeichen zu setzen. Und er erinnerte die Vertreter der AfD an das, was einer ihrer Redner bei der Kundgebung festgestellt hatte: dass mit dem Geld, das in Deutschland für einen Migranten ausgegeben werde, „locker 20 notleidenden Menschen in dessen Heimatland geholfen werden“ könne. Vor diesem Hintergrund forderte der Unternehmer auch die AfD auf, seinem Spendenaufruf zu folgen. Und erhielt per Handschlag eine Zusage.

AfD-Anzeige sorgt für Entsetzen

Seitdem versucht die Partei, Kapital aus der Aktion zu schlagen und sie als eigenen Erfolg zu verkaufen - unter anderem auf der Homepage des Kreisverbands, wo das Geschehen so dargestellt wird, als habe die AfD Bernhard Straßer zum Umdenken bewogen und als würde man mit ihm gemeinsame Sache machen. „Bauunternehmer Bernhard Straßer und die AfD im Bodenseekreis arbeiten zusammen an einer Lösung gegen die Massenmigration“, schreibt die AfD auch in einer Anzeige in der Weihnachtsausgabe des Salemer Amtsblatts.

Straßer selbst hat diese Anzeige „mit Entsetzen“ zur Kenntnis genommen, wie er gegenüber Schwäbische.de zu verstehen gibt. Was er von der AfD hält, hatte er in der vorherigen Ausgabe von „Salem aktuell“ unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Darin bedankte sich der Unternehmer für „die überwältigende Teilnahme an der Gegendemonstration“, die er als „starkes Zeichen gegen Rechts“ wertete.

Anzeige verstößt gegen Redaktionsstatut

Die Anzeige der AfD hätte nach Einschätzung des Kommunal- und Prüfungsamts im Landratsamt des Bodenseekreises gar nicht veröffentlicht werden dürfen. Weil sie politische wertende Aussagen beinhalte und die Veröffentlichung deshalb nicht mit den Regelungen des Redaktionsstatuts der Gemeinde Salem zu vereinbaren sei, wie es in einer Antwort auf eine Anfrage von Bernhard Straßer heißt.



Durch die Veröffentlichung der Anzeige sei der AfD die Möglichkeit gegeben worden, Straßer als Sympathisant der AfD darzustellen, der mit dieser Partei kooperiere, obwohl bekannt war, dass Straßer sich eindeutig gegen die Ansichten und Forderungen der AfD ausgesprochen habe.

Den Hinweis auf Gleichbehandlung, mit dem die Gemeinde Salem die Veröffentlichung mit Blick auf Straßers Dank-Anzeige in der vorherigen Ausgabe des Amtsblatts rechtfertigt, betrachtet des Kommunal- und Prüfungsamt als „keine ausreichend nachvollziehbare Begründung“.

Angesichts dessen, wie die AfD sich die Geschehnisse nun zunutze machen will, mag er sich Bernhard Straßer zu der ganzen Angelegenheit am liebsten gar nicht mehr öffentlich äußern. Seine Spende habe er überwiesen, von Vertretern der AfD sei er seit der Demo nicht mehr kontaktiert worden.

Elternverein will nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden

Für den Elternverein der Bodensee-Schule ist das Ganze eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits ist man für das Ihube-Projekt natürlich auf Spenden angewiesen. Andererseits wehrt sich der Verein dagegen, „für politische Zwecke instrumentalisiert“ zu werden, wie ein Sprecher des Vereins gegenüber Schwäbische.de zu verstehen gibt. Das gelte für alle Parteien - für eine, „die am rechten Rand agiert“, aber in besonderem Maße. Weil deren Beweggründe, sich für Entwicklungshilfeprojekte in Afrika auszusprechen, gänzlich andere sind als die, die zur Gründung des Ihube-Projekts geführt haben.

AfD will vor allem eines: Migranten loswerden

Ziel dieses Projekts ist es, Menschen durch Bildung und Ausbildung ein gutes Leben in ihrer Heimat zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, ihr Umfeld selbst zu gestalten. Welches Ziel die AfD verfolgt, hat die Partei unter anderem in ihrem Flyer zur Demo und in einem Eigenbericht zu dieser Veranstaltung, der frei zugänglich im Internet nachzulesen ist, ziemlich klar zum Ausdruck gebracht: Ihr geht es in erster Linie darum, Migranten durch „Remigration“ in ihre Herkunftsländer zurückzuverfrachten, weil die AfD diese Menschen pauschal als potenzielle Vergewaltiger und Messerstecher betrachtet.

Keine Spende aus dem Umfeld der AfD

Eine Spende, die erkennbar aus dem Umfeld der AfD stammt, ist beim Ihube-Projekt bislang nicht eingegangen. Wie viele Spender insgesamt durch den Aufruf von Bernhard Straßer animiert worden sind, darüber lässt sich allenfalls spekulieren.

Weil es wenige Wochen vor Weihnachten auch andere Aktionen gab, mit denen dafür geworben wurde, und weil es in dieser Zeit immer ein erhöhtes Spendenaufkommen gibt. Was der Sprecher des Vereins allerdings bestätigt, ist der Eingang mehrerer Spenden durch Gemeinderatsmitglieder aus verschiedenen Kommunen im westlichen Bodenseekreis.

Salems Bürgermeister spricht sich gegen Spende aus

Was eine Beteiligung von Städten und Gemeinden selbst betrifft, so hat sich bislang zumindest der Bürgermeister von Straßers Heimatort Salem klar positioniert - und zwar gegen eine Spende der Kommune. „Tatsächlich hat sich mir und auch einzelnen Gemeinderäten die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, die 5000 Euro direkt vor Ort in die Integration und Unterbringung der neuen Flüchtlinge zu investieren. Ich selbst sehe die Unterstützung von Hilfsorganisationen in Drittländern als vorrangige Aufgabe des Bundes und privater Hilfsorganisationen, aber nicht unbedingt der Kommunen“, schreibt Manfred Härle auf Anfrage von Schwäbische.de.

Unabhängig davon könnten Unterstützer und Befürworter des Spendenaufrufs jederzeit ihren persönlichen Beitrag für das Hilfsprojekt in Nigeria leisten.

AfD will keine Fragen beantworten

Mitauslöser für Bernhard Straßers Spendenaufruf war übrigens eine Aussage von Manfred Härle im Zusammenhang mit der von der CDU im Kreistag beantragten Resolution zur Migrationspolitik. Härle hatte zu verstehen gegeben, dass die Kommunen angesichts der steigenden Zahl an Geflüchteten „kapitulieren“ würden - was Straßer „massiv geärgert“ hat.

Dem Kreisverband der AfD hat Schwäbische.de mehrere Fragen im Zusammenhang mit der Demo, der Anzeige im Salemer Amtsblatt und zur Darstellung des Sachverhalts durch die AfD gestellt. Beantwortet wurde keine.

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