Am Samstag, dem 17. Februar, um 18 Uhr wird eine Gruppe an
demokratiefreundlichen Personen eine Mahnwache vor der Stadthalle in Biberach
(Stadtgarten) abhalten. Ziel ist es, ein Zeichen gegen die
demokratiefeindlichen Ausschreitungen am vergangenen politischen Aschermittwoch
zu setzen.
“Solche Zustände nehmen wir in Biberach nicht hin”, kommentiert Carolin
Schäfer (21) den vergangenen Mittwoch. “Wir sind beängstigt, wie einfach es
gelingt, demokratische Veranstaltungen mit Gewalt lahmzulegen. Das können wir
so nicht akzeptieren.” Die Veranstalter verstehen die Mahnwache auch als
Anlaufpunkt für diejenigen, die sich nach den demokratiefeindlichen
Ausschreitungen organisieren wollen, um eine wehrhafte Demokratie zu
unterstützen.
“Was wir hier machen, ist keine Versammlung gegen Bauern. Es geht gegen
jene, die gemeinsam mit Rechtsradikalen versuchen, die Demokratie mit Gewalt
auszuhebeln”, erklärt Theo Döllmann (21) “Wir laden alle Demokratinnen und
Demokraten ein, sich der Mahnwache anzuschließen. Eine besondere Einladung gilt
auch allen Menschen aus der Landwirtschaft, die sich von Demokratiefeinden
abgrenzen wollen.”
Hintergrund: Südkurier-Artikel hier Angelika Wohlfrom
Eskalation in Biberach: So ringen Grüne aus der Region mit dem Hass
Martina Braun und Martin Hahn sind Landwirte und Grüne. Was die Eskalation von Biberach bei ihnen auslöst – und warum die Landeschefin Lena Schwelling Selbstkritik übt.
Eine eingeworfene Autoscheibe, die Polizei setzt Tränengas und Schlagstöcke ein gegen wütende Demonstranten – und am Ende muss der Politische Aschermittwoch der baden-württembergischen Grünen abgesagt werden. Biberach zeigt, wie sehr sich der Unmut der Landwirte auf die Grünen konzentriert.
„Wir sind für viele ein Feindbild“, stellt die grüne Landesvorsitzende Lena Schwelling am Tag danach nüchtern fest. Seit dem Jahreswechsel macht sie sich Gedanken darüber, weshalb Bauern, aber auch Handwerker oder Lkw-Fahrer oft mit großer Wut auf die Grünen protestieren.
In Biberach sei es „wirklich speziell“ gewesen, „das habe ich so noch nicht erlebt“, sagt sie beim Telefonat mit dem SÜDKURIER. Ein Gespräch sei schon deshalb nicht möglich gewesen, weil bei der unangemeldeten Demo kein Ansprechpartner bekannt war. Persönlich habe sie sich sehr sicher gefühlt, auch weil sie als Landesvorsitzende eher unbekannt sei.
Schwelling, Jahrgang 1992, fragt sich nicht erst seit Biberach, was dieser Protest mit den Grünen zu tun hat – und was sie anders machen könnten. Sehr selbstkritisch kritisiert sie die Absolutheit, mit der die Grünen ihre Überzeugungen oft vorbrächten. „Nicht jeder, der sich über Zuwanderung Sorgen macht, ist gleich ein Rassist.“
Vor den Kopf stoße die Menschen auch, wenn politische Ziele, zum Beispiel beim Klimaschutz, gar nicht begründet würden. „Wir gelten als Besserwisser, scheinen weit weg von den Nöten der Menschen, auch wenn das gar nicht so ist.“ Und die Grünen wollten immer etwas von den Leuten: „Unsere Veränderungsagenda trifft die Menschen im persönlichen Nahbereich.“ Auch hier, lautet Schwellings Analyse, müsse besser kommuniziert werden.
Die Kritik trifft sie besonders hart
Zwei Grüne, die die Proteste besonders hart treffen, weil sie sich beiden Seiten verbunden fühlen, sind Martin Hahn und Martina Braun. Bauer und Bäuerin – und beide Grünen-Abgeordnete im baden-württembergischen Landtag.
Martina Braun hat die Wut in Biberach auch hautnah mitbekommen. Die Abgeordnete für den Wahlkreis Villingen-Schwenningen hat sich im Zuge der Bauerndemos im ganzen Land mit Landwirten getroffen. Die Stimmung sei auch da manchmal aufgeheizt. „Aber am Ende war es immer ganz gut“, sagt die Furtwangerin. Man könne den Grünen nicht vorwerfen, sie würden sich wegducken, sagt Braun. Auch „der Cem“, Bundesagrarminister Cem Özdemir, stelle sich den Gesprächen und Vorwürfen.
Für Braun ist klar, dass in Biberach nicht nur Landwirte am eskalierenden Protest beteiligt waren. „Eine Frau hat mich gefragt, ob ich geimpft bin“, schildert Braun. Sie glaubt, dass die Proteste von Wutbürgern unterwandert würden. Aber sie hat auch die zahlreichen Traktoren gesehen......
Wie geht sie um mit dem Hass, der den Grünen von Seiten der Bauern entgegengeschleudert wird? „Wir sind ja auch Menschen, das prallt nicht an einem ab.“ Zumal in Baden-Württemberg zuletzt viel für die Landwirte getan worden sei.
Braun führt das Erosionsschutzgesetz an, das so verändert worden sei, dass es nun praxistauglich sei. Sie denkt an das Biodiversitätsstärkungsgesetz, an dem gemeinsam mit den Landwirten hart gearbeitet worden sei und das ihnen nütze. Wenn sie davon berichte bei ihren Gesprächen mit den Bauern, dann würden manche wach. In der Agrarpolitik laufe schon längere Zeit einiges schief, schon lange vor Cem Özdemir. „Dass wir Grünen jetzt für alles verantwortlich gemacht werden, sehe ich nicht als gerechtfertigt an.“
Die Rede von der Verbotspartei
Warum gerade die Grünen den ganzen Hass abbekommen, diese Frage stelle sie sich auch. Ein paar Antworten hat sie gefunden: Zum einen sei es das Narrativ von der Verbotspartei, die einem vom Fleischkonsum bis zur Flugreise angeblich Dinge verbieten wolle.
Dann stehe die Partei wie keine andere für das Thema Klimaschutz. „An manchen Stellen haben die Leute Angst, dass sie sich verändern müssen. Die sagen: Jetzt geht‘s mir an den Wohlstand.“ Und die Grünen stünden für den Wandel, der eben auch unpopuläre Maßnahmen nötig mache. Dass der nötig ist, davon ist die 63-Jährige überzeugt, als Bäuerin: „Weil unsere Weiden nicht mehr wachsen im Sommer wegen der Trockenheit.“
Martin Hahn zählt wie Martina Braun zu der seltenen Spezies grüner Politiker, die aus der Landwirtschaft kommen. Oder, wie der 60-Jährige es formuliert, „die noch echten Stallgeruch haben“. Martin Hahn, Landtagsabgeordneter aus Überlingen, hat seine Landwirtschaft 2012 übergeben, aber er lebt weiter auf dem Hof und leidet mit, wenn der Markt für Biogemüse schwächelt.
Auch bei ihm schlagen zwei Herzen in der Brust: Er versteht die Nöte der Bauern und erkennt aber auch die Erfordernisse der Politik. Die Proteste gegen die Abschaffung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel habe er deshalb sehr gut verstanden. „Die Betriebe haben einfach genug“, sagt er.
Das Grundgefühl der Landwirte in den letzten Jahren sei gewesen: Wir kriegen immer mehr drauf an Vorschriften und bei den Einkünften verbessert sich nichts. Die Proteste seien eigentlich gut gelaufen, sie hätten das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt. Nur einigen sei das wohl zu Kopf gestiegen.
Hahn erfährt persönlich Ablehnung
Den Gegensatz Bauern – Klima- und Umweltschutz sieht Hahn nicht. Er verweist auf die vielen Landwirte, die bei der Energiewende vorne dabei sind. Auch beim Tierwohl sei es überhaupt nicht so, dass Landwirte sich verweigerten. „Sie wollen es halt bezahlt bekommen.“
Warum sich die Bauern offenbar auf die Grünen eingeschossen haben, ist für Hahn „nicht rational zu verstehen“. Er ringe da selber mit Erklärungen. Die, die er bislang anbieten kann, lautet: „Wir stehen nicht erst seit dem Heizungsgesetz für ökologische Veränderung. Das wird vom konservativen Milieu kritisch gesehen.“ Die Folge: „Wir sind jetzt der Boxsack, auf den alle draufhauen.“
....Immerhin eine Hoffnung hat der Überlinger: Dass Biberach das Ende der Proteste einläuten könnte. „Ich glaube, das geht der großen Mehrheit der Bauern gegen den Strich. Die allermeisten Landwirte, die bisher bei den Protesten mitgemacht haben, werden sich deutlich distanzieren und haben damit nichts zu tun.“
Deutschlandfunk hier 16.02.2024
Nach Aschermittwochs-Krawallen Gewerkschaft der Polizei für Traktorverbot auf Demos – Nouripour: Lassen uns nicht einschüchtern
Nach den Anfeindungen gegen die Grünen am Rande von politischen Aschermittwochs-Veranstaltungen werden Konsequenzen gefordert. Die Polizei nahm Ermittlungen auf. Die Grünen sehen eine Unterwanderung der Proteste von Rechts.
Im baden-württembergischen Biberach war gestern eine Kundgebung der Grünen nach teils gewalttätigen Protesten abgesagt worden. Am Abend wurde die Parteivorsitzende Lang in Schorndorf zudem von Störern bedrängt. Sie verfolgten und beschimpften die Politikerin unflätig, bevor die Polizei eingriff.
„Aggressiver Grundton“
Grünen-Chef Nouripour betonte, dass sich seine Partei von Störern bei politischen Veranstaltungen nicht einschüchtern lassen werde. Angst sei keine Option, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Nouripour zeigte zwar Verständnis für die Anliegen vieler friedlicher Demonstranten. Er betonte aber, dass diese Anliegen durch die Anwendung von Gewalt beschädigt würden.
Der Ko-Vorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg, Haggenmüller, kritisierte die Protestaktionen. Die Demonstranten seien nicht an einem Austausch interessiert gewesen. Haggenmüller sagte dem Deutschlandfunk, er habe einen aggressiven Grundton verspürt. Neben Landwirten seien auch Impfgegner, Corona-Leugner und Putin-Befürworter gesehen worden. Auch seien rechtsnationale Lieder aus dem völkischen Bereich gesungen worden. Haggenmüller betonte, die Protestgruppe habe sicher nicht die Breite der Landwirtschaft repräsentiert.
Die Vizepräsidentin des Bundestags, Göring-Eckardt, sagte im Deutschlandfunk, wenn man versuche, das Gespräch zu verhindern, sei das ein absolutes Armutszeugnis. Das helfe den Interessen der Bauern nicht, betonte die Grünen-Politikerin.
GdP für Traktorverbot bei Demonstrationen
Die Gewerkschaft der Polizei schlug ein Verbot von Traktoren bei Demonstrationen vor. Der Vorsitzende Kopelke sagte der „Rheinischen Post“, die Versammlungsbehörden und die Polizei müssten umgehend reagieren. Die Gewerkschaft habe auf die Gefährlichkeit von Traktoren und Zugmaschinen hingewiesen. Kopelke forderte zudem mehr Einsatzkräfte und technische Mittel, um den Rechtsstaat durchzusetzen.
Auch Landwirtschafts-Verbände hatten sich zuletzt vermehrt von Protestaktionen, an denen Bauern beteiligt waren, distanziert. Sie warnten ebenfalls vor einer Unterwanderung aus dem rechten Milieu.
Diese Nachricht wurde am 15.02.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
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