Montag, 19. Februar 2024

Bauerntage

Ein herrlich frischer Text, der endlich  Schluss macht mit der Verallgemeinerung der "Bauern"  Da keimt eher die Erkenntnis: Da köcheln ganz schön viele ihr ganz spezielles Süppchen!

Kontext  Ausgabe 672  hier  Von Gunter Haug|  14.02.2024

Im Zeitalter der Bauernproteste geschehen gerade seltsame Dinge im Spannungsfeld zwischen Maisfeld und Kartoffelacker. Rudolf Bühler von der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall forderte gar, Diesel-Subventionen zu deckeln.

Sein Wort hat Gewicht: Rudolf Bühler, Gründer der BESH, der inzwischen fast 1.500 bäuerliche Betriebe angehören. 

Man hätte den Countdown locker herunterzählen können: Kaum hatte Rudolf Bühler, der Gründer der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH), seine neueste Pressemitteilung mit einer Forderung zur Kürzung der Agrardieselsubvention ins Netz gestellt, da fegte auch schon ein veritabler Shitstorm über ihn hinweg. Für den staunenden Laien schienen Absender und Adressat dabei kaum noch auseinanderzuhalten, denn in beiden Fällen waren es Landwirte: Bauern gegen Bauer, die sich auf das kräftigste beharkten. Wie das? Gerade jetzt, in Zeiten der massiven Bauernproteste, in denen doch laut Deutschem Bauernverband eine gewaltige Solidaritätswelle den gesamten Berufsstand vereint hatte. Aber das, was der unerschrockene Agrarpionier aus Hohenlohe da ausgerechnet an Lichtmess Anfang Februar, dem höchsten bäuerlichen Feiertag, gefordert hatte, rüttelte ja auch an den Grundpfeilern des Protests, mit dem die Bauern auf ihren riesigen Traktorungetümen seit Wochen die halbe Republik zum Stillstand und die Politik zum panischen-hektischen Zurückrudern gebracht haben.

Und ausgerechnet jetzt forderte Bühler eine Deckelung der Subventionen für Agrardiesel?! Potz Blitz! Wo doch genau diese Kürzung der berüchtigte allerallerletzte Tropfen Dieselöl gewesen sein soll, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat! Seitdem beackern die Landwirte mit einer nie zuvor erlebten Vehemenz nicht mehr die heimische Scholle, sondern die bürokratischen Untiefen der bundesdeutschen Politik.

Mehr Geld für Kleinbetriebe einsetzen

Und das mit einigem Erfolg. Denn während die Klimakleber der Letzten Generation bei ihren Blockaden von Ordnungskräften und erbosten Autofahrern oft höchst unsanft von der Straße gepflückt worden sind, von Gerichten zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen wegen Nötigung verurteilt wurden, wurden die zigkilometerlangen Traktordemonstrationen auf Landes-, Kreis- und Bundesstraßen und sogar auf bundesdeutschen Autobahnen zur besten Rushhour von der Polizei äußerst zurückhaltend begleitet. Und die verstörten Politiker waren – zum großen Verdruss der Letzten Generation – in diesem Fall sofort bereit, mit den Protestierern zu verhandeln und einen beträchtlichen Teil ihrer Kürzungen zurückzunehmen. Womit sie freilich die Büchse der Pandora geöffnet haben, denn seitdem lautet die Devise beim Bauernverband: Das war erst der Anfang. Jetzt wollen wir mehr!

Aber ausgerechnet mitten in dieser Phase des schönsten Gasöl-Flow kommt nun ein gewisser Rudolf Bühler aus Wolpertshausen im Landkreis Schwäbisch Hall daher und grätscht den Protesten in die Parade, indem er fordert, man solle diese Agrardiesel-Subventionen bei landwirtschaftlichen Großbetrieben kurzerhand deckeln und eine Obergrenze von 10.000 Euro pro Jahr einziehen. Das damit gesparte Geld solle man zugunsten der Kleinbetriebe einsetzen, die nach den Prinzipien der bäuerlichen Landwirtschaft arbeiten. Ungeheuerlich.

Nun könnte man die Sache im überbordenden Erfolgsrausch der Traktorparaden leichthin abtun, wenn es sich bei dem Dazwischengrätscher um irgendeinen der vom Bauernpräsidenten so gerne skizzierten ahnungslosen akademischen Zeitgenossen handelte, der einen Bauernhof höchstens einmal von Weitem gesehen hat. Bühler gilt zwar mitnichten, um es höchst vorsichtig auszudrücken, als jemand, den die Bauernfunktionäre regelmäßig in ihr Nachtgebet mit einschließen würden. Aber andererseits handelt es sich bei ihm um einen Mann vom Fach. Und einen mit einer ganzen Menge Erfolg.

Schon vor 40 Jahren hat der studierte Agraringenieur nach Jahren in der Entwicklungshilfe zurück auf dem elterlichen Bauernhof ein bundesweit beachtetes Rettungsprogramm für das im Aussterben befindliche Schwäbisch-Hällische Landschwein gestartet. Bei dieser Tierart handelt sich um das sogenannte "Haller Mohrenköpfle", eine alte Schweinerasse, die in den "schwäbischen Hungerjahren" auf Geheiß des Königs Wilhelm I. von Württemberg ab dem Jahr 1820 durch die Kreuzung von chinesischen Maskenschweinen mit einheimischen Borstentieren entstanden ist und die sich durch ihre außerordentliche Fleischqualität auszeichnet. Durch die charakteristische schwarz-weiße Färbung der neuen Züchtung war im Volksmund auch schnell der (heutzutage nicht mehr ganz unumstrittene) Name "Mohrenköpfle" gefunden.

Bei den Agrarindustriellen schrillen die Alarmglocken

Das Rettungsexperiment war erfolgreich und so konnte Bühler auf diesem Fundament die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) gründen, die mittlerweile 1.496 bäuerliche Mitgliedsbetriebe im Raum zwischen Künzelsau, Schwäbisch Hall und Ansbach umfasst (davon wirtschaften 480 ausschließlich nach den Kriterien des Bio- oder Demeterlandbaus).

Es ist also nicht gerade ein "Niemand", der da seine Stimme für die kleinbäuerlichen Höfe erhoben hat, dementsprechend laut schrillten die Alarmglocken bei den Agrarindustriellen und ihrer Gefolgschaft. Dieselsubventionen ab einer gewissen Höhe nur noch für Kleinbetriebe, das ist ja beileibe nicht die einzige Forderung von Seiten der BESH, die den Bauernpräsidenten regelmäßig die glatten Wände hochtreibt.

Und jetzt, am Bauerntag an Lichtmess, hat sich Rudolf Bühler vor knapp 1.000 Bauern in der vollbesetzten Festhalle von Wolpertshausen wieder dafür ins Zeug gelegt, generell auf den Einsatz von Pestiziden wie Glyphosat in der Landwirtschaft zu verzichten. Die Mitglieder der BESH beweisen, dass das absolut möglich ist: "Eine gute fachliche Praxis im Einklang mit der Natur kommt ohne Pestizide aus. Man kann auch ohne Pestizide und Kunstdünger hohe Erträge erzielen, wenn man es richtig macht nach den ewigen Gesetzen der Natur, die schon unsere Vorfahren verinnerlicht haben."

Doch das war noch längst nicht alles. Zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten, dem BUND-Ehrenvorsitzenden Hubert Weiger, mit dem Bühler im Jahr 2011 in Berlin anlässlich der "Grünen Woche" die Großdemonstration "Wir haben es satt" gegründet hat, fordert er anstelle von Verboten die konsequente Anwendung des Verursacherprinzips. Denn wenn Pestizide und Kunstdünger mit den Kosten ihrer schädlichen Nebenwirkungen belastet werden würden, dann wäre schnell Schluss mit dem Vergiften von Grundwasser und Böden. "Wir nennen dieses Prinzip True Cost Accounting. Wenn Umwelt- und klimaschädliche Techniken und Praktiken mit ihren externen Kosten belastet werden, dann rechnet sichs einfach nicht." Als weiteres Argument zitiert Bühler eine Studie der nicht unbedingt als Öko-Grün bekannten Boston Consulting Group: "Die hat im Jahr 2019 die externen Kosten der chemisch-technischen Landwirtschaft ermittelt und im Ergebnis stehen 48 Milliarden Euro als Ertrag ein Aufwand von 92 Milliarden Euro gegenüber", wenn sämtliche Nebenwirkungen eingerechnet würden. Für klimafreundliches Wirtschaften müssten Bäuerinnen und Bauern entlohnt werden, fordert er, für klimaschädliches besteuert.

Bühlers Schweine fressen nur feinstes Donau-Soja

Und wenn es schon mal um klimafreundliche Landwirtschaft geht, dann gibt es da noch so eine Zahl, die für sich selbst spricht: Durch Untersuchungen der Universität Wien und des Forschungsinstituts für Biologische Landwirtschaft in der Schweiz wurde klipp und klar nachgewiesen, dass bei der Erzeugung von Schweinefleisch der BESH zwischen 31 Prozent und 49 Prozent (bei Bio-Haltung) weniger CO2 Ausstoß fabriziert wird als im Durchschnitt. Das wird auch deshalb erreicht, weil an die Schweine der BESH kein Soja aus Übersee verfüttert wird, sondern Soja aus dem Donauraum und Leguminosen wie Erbsen und Bohnen aus der Region. Dass dies alles grundsätzlich ohne den Einsatz von Gentechnik auf den Äckern geschieht, gilt bei der BESH längst als eine Selbstverständlichkeit. Denn nur so kann gelingen, was für Rudolf Bühler als oberste Maxime des bäuerlichen Handels gilt: "Bewirtschaften – nicht Verwirtschaften. Respekt vor der Schöpfung haben."

Genau diese Argumentation greift auch Sarah Wiener auf. Die als Fernsehköchin bekannte österreichische EU-Abgeordnete von den Grünen macht nachdrücklich darauf aufmerksam, wie die Konzentration in der Landwirtschaft mehr und mehr zunimmt, wie die großindustriellen Saatgut- und Düngemittelkonzerne mit immer stärkerer Marktmacht die Preise bestimmen. So haben sich die Kosten für Saatgut in den vergangenen drei Jahrzehnten vervierfacht. Gleichzeitig rennt die Saatgutlobby immer heftiger gegen die Brandmauern in Sachen Gentechnikverbote in der Landwirtschaft an. Ausgerechnet jetzt! Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Weichen dringend in eine nachhaltige Zukunft gestellt werden sollten, in der die bäuerliche Landwirtschaft eine reelle Chance hat, anstatt mit den ewig gleichen Argumenten in eine Sackgasse zu steuern. Viele – aber längst nicht alle – im Saal haben da geklatscht.

Da köcheln ganz schön viele spezielle Süppchen

Kaum hat Sarah Wiener ihre Rede beendet, erklimmt ein Vertreter der Kleinbauern und Nebenerwerbslandwirte die Bühne und hält einen Vortrag, der ziemlich genau das Gegenteil von all dem beinhaltetet, was in der Stunde zuvor postuliert worden ist.

Und schließlich ist da am Ende noch die ehemalige Landwirtschaftsstaatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, die mittlerweile "im Ehrenamt für die Initiative Pro Region Heilbronn-Franken" tätig ist und verspricht, keine politische Rede zu halten, was sie freilich dennoch macht. So fordert sie ein Ende ausgerechnet jener überbordenden Bürokratie in der Landwirtschaft, die sie als Politikerin jahrzehntelang selbst kräftig mit befördert hat. Vielleicht ist das der Grund, weshalb zu diesem Zeitpunkt von den knapp 1.000 Zuhörenden höchstens noch ein gutes Dutzend zuhören mag.

Es ist schon eine einigermaßen verwirrende Gemengelage, die sich zurzeit in der Landwirtschaft zusammenmischt, wo gerade jedwede Interessengruppe Morgenluft zu wittern scheint, um ihr ganz spezielles Süppchen kochen zu können. Diesen Eindruck verstärkt einige Tage später ein ganz anderer Bauernevent am Heuchelberg bei Heilbronn, den am Abend 300 mit steuersubventioniertem Agrardiesel betriebenen Monster-Traktoren stundenlang taghell erstrahlen lassen. Zur Feier des Protests gibt es Wein und Grillwürstle sowie das eine oder andere Statement, dass es "so nicht mehr weitergehen" könne. Erstaunlicherweise handelt es sich bei einigen der Wortführer um Landwirte, die ihre Höfe mithilfe von Steuersubventionen längst zu Pferdehöfen umgewandelt haben und auf denen eher weniger Kartoffeln oder Getreide angebaut werden. Aber einen PS-starken Dieselschlepper brauchen sie natürlich schon.


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