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Die rechte Masche ist einfach und erfolgreich: Realängste vor einer Pandemie oder der Klimakrise in neurotisch-paranoide Ängste transformieren.
Ist Angst ein guter oder ein schlechter Ratgeber? Man sollte im Sinne von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, zunächst Realangst, Gewissensangst und neurotische Angst unterscheiden.
Realangst, etwa die realitätsbezogene Angst vor dem Treibhauseffekt, einem Wassermangel, dem Artensterben, den Folgen des russischen Angriffskriegs oder einer lebensgefährlichen Infektion, ist sicherlich ein guter Ratgeber – auch wenn wir uns in Bezug auf den Klimawandel lange wie eine Person verhalten haben, die die regelmäßig wiederkehrenden lästigen Briefe vom Amt einfach in die unterste Schublade des Schreibtischs oder in den Papierkorb befördert und sich dann wundert, wenn plötzlich der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.
Die rechten Populisten befördern systematisch solche Mechanismen der Verleugnung und der Bagatellisierung gegenüber den Realängsten. Sie zeigen sich betont furchtlos, so als wären die Probleme nur von einigen hysterischen Personen, von der „Impfmafia“ oder den „Heizungsideologen“ erfunden worden, über welche man sich durchaus lustig machen kann.
Auch unsere Gewissensangst – die Angst, Unrecht zu tun – ist ein guter Ratgeber, wenn sie uns daran erinnert, dass wir eigentlich Kranke besuchen, Verletzte, Unbekleidete, Hungernde und Verfolgte ohne Haus und Heimat versorgen sollten. Besonders die Bilder verletzter, sterbender und gestorbener Kinder kann kaum jemand aushalten. Sie überwinden die Schranken der Hautfarbe und aller rassistisch begründeten, vorgeblichen Unterschiede.
Pauschale Kriminalisierung und „woker Terror“
Die Rechtspopulisten haben aber zahlreiche rhetorische Figuren erfunden, um die Gewissensregungen außer Kraft zu setzen. Dazu gehören die pauschale Kriminalisierung der notleidenden Gruppen, ihre Beschmutzung zum Beispiel als Migranten aus „shit hole countries“ (O-Ton: Donald Trump), die Verächtlichmachung der HelferInnen als „Gutmenschen“, und die Unterstellung eines bedrohlichen Terrorregimes der Political Correctness oder neuerdings „Wokeness“.
Die Gewissensrepräsentanten erscheinen in diesen Erzählungen dann als „selbsternannte“ Oberlehrer und Elite, die uns jeglichen Spaß, zum Beispiel die Freude am schnellen Autofahren, verderben wollen. Die Demagogen erweisen sich dagegen als Protagonisten eines aggressiven kabarettistischen Humors, der auf Kosten von sogenannten Moralaposteln und von realen Minderheiten geht, die sich – mehr oder weniger wehleidig – über Diskriminierung beklagen.
Der österreichischer ÖVP-Politiker Jochen Danninger sprach Anfang Juni 2023 von einer unerträglichen Arroganz des „moralischen Hochadels“. „Die Grünen baden schon viel zu lange selbstherrlich in ihren realitätsfremden Vorstellungen, der politischen Korrektheit, wo man keinen ‚M*** im Hemd‘ essen darf, jeder Satz mit Gender-Sternchen unleserlich gemacht werden muss, und die Kinder sich nicht mehr als Indianer verkleiden dürfen.“
Die dritte Art von Ängsten sind die neurotischen Ängste, die sich auf unser teils lustvolles, teils brodelnd-aggressives Innenleben beziehen. Hier gibt es eine Angst vor seltsamen Gespenstern, monströsen Triebtätern, bösartigen Verfolgern und Unholden, welche wir zum Teil selbst sind. Unsere neurotische Angst ist mit einer Vielzahl von Hirngespinsten verbunden. Deshalb kann man sie auch neurotisch-paranoide Angst nennen.
Die Ängste personalisieren
Erfolgreiche Demagogen und Verschwörungstheoretiker arbeiten vor allem damit, dass die Realängste systematisch in neurotisch-paranoide Ängste transformiert werden. Die Ängste der Menschen werden von den Demagogen mit großer psychologischer Sensibilität aufgespürt, wie mit einem Staubsauger eingesammelt und mit den Hirngespinsten vermengt. Die Ängste werden dabei konkretisiert und personalisiert. Das heißt, es wird so getan, als ob es nur einige wenige dingfest zu machende Ursachen für die Angst gäbe, die von einer Gruppe beherzter Personen rasch beseitigt werden könnten, zum Beispiel durch den Sturm auf das Machtzentrum.
Und die Ängste werden personalisiert: Es wird so getan, als ob sich hinter den bedrohlichen Missständen eine steuernde Elite versteckt, die entmachtet und verfolgt werden muss. So sollen es die Freunde des US-amerikanischen Investors George Soros und andere finstere Figuren sein, die in den westlichen Ländern einen „großen Austausch“ der Bevölkerung planen, um die angestammten Bewohner des Landes zu schwächen.
Der rechtspopulistische Staubsauger ist mit einer Dreckschleudervorrichtung versehen, die auf Personen und bestimmte Gruppen gerichtet wird. Bei der Großversammlung unter dem Titel „Stoppt die Heizungsideologie“ im bayrischen Erding am 10. Juni stand der bayerische Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger von den Freien Wählern am Mikrofon und versprach schreiend, dass man sich von den Regierenden „die Demokratie zurückholen“ werde. „Ihr habt’s wohl den Arsch offen da oben.“
Markus Söder und die Kabarettistin Monika Gruber, die das Ganze organisiert hatte, standen eher hilflos daneben. Auch deswegen, weil die gesamte Veranstaltung auf einer ähnlich paranoiden Massenmobilisierung beruhte, wie sie dann im frenetisch geteilten Auftritt von Aiwanger deutlich wurde. Söder sprach dann noch von Personen, die uns zwingen wollen, nur noch vegan zu essen, und zwanghaft gendern wollen.
Wie reagieren auf die Dreckschleuder?
Jeder kleine Mann oder jede kleine Frau kann sich heute mithilfe der sozialen Medien als emotionaler Volksredner mit begeisterten Followern inszenieren, ungestraft gehässige Kommentare abgeben und die Bestrafung von Schuldigen verlangen. Der eruptive Einsatz der Dreckschleuder und der Austausch mit dem Publikum sind, wie der Fall Aiwanger zeigt, hochgradig lustvoll. Derlei findet ständig im ganzen Land statt.
Wie kann man darauf antworten? Ein erster Reflex könnte es sein, den Dreck zurückzuschleudern. Viel schwieriger ist es, die im Hintergrund und in der Realität vorhandenen Missstände, Dilemmata und Lösungsvorschläge – wie bei der dringend notwendigen Umstellung unserer Heizungen – Schritt für Schritt in Ruhe zu erklären und plausibel zu machen. Wirtschaftsminister Robert Habeck ist für seine Bemühungen in dieser Richtung zu bewundern. Manchmal helfen aber auch nur Strafanzeigen.
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