Freitag, 2. Juni 2023

Zu viel Flächenfraß: 16 Verbände fordern Ende der Neubaugebiete

 Schwäbische Zeitung hier Sabine Krauss 27.05.2023

Eigentlich wollte die Landesregierung den Flächenverbrauch reduzieren, doch da sie das nicht tut, werden 16 große Verbände und Vereine aktiv. Sie sammeln Unterschriften für einen Volksantrag. 

Immer mehr Straßen, Wohn– und Gewerbegebiete? Das geht nicht, sagen die Akteure und fordern landesweit zum Protest auf.

Neue Straßen, Gewerbegebiete, Wohnsiedlungen: Jeden Tag fallen in Baden–Württemberg fünf bis sechs Hektar neues Land zum Opfer. Dagegen mobil machen nun 16 große Naturschutz– und Bauernverbände Baden–Württembergs. Unter dem Titel „Ländle leben lassen“ starten sie eine gemeinsame große Protestaktion. Worum es konkret geht und wie man mitmachen kann, erklärt Gunter Müller von der Sektion Tuttlingen des Deutschen Alpenvereins, der als DAV–Vertreter im Landesnaturschutzverband vorne mit dabei ist.

Herr Müller, worum geht es bei der Initiative konkret?

Wir wollen, dass die Landesregierung gezwungen wird, sich mit ihren eigenen Vorgaben und Zielen auseinanderzusetzen. Im Jahr 2021 wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, den Flächenverbrauch kurzfristig auf 2,5 Hektar pro Tag und bis 2035 sogar auf null zu reduzieren. Aber die Realität ist eine andere: Immer noch sind es pro Tag im Schnitt fünf bis sechs Hektar Land, die in Baden–Württemberg neu verbraucht werden. Das ist viel zu viel — und alles, was wir wollen ist, dass sich die Regierung an das hält, was sie sich selbst vorgenommen hat.

Wie soll das funktionieren?

In den nächsten Wochen läuft eine große Unterschriftenaktion. Wir wollen einen Volksantrag in den Landtag einbringen und brauchen dazu knapp 40.000 Unterschriften wahlberechtigter Bürgerinnen und Bürger. Ein Volksantrag verpflichtet den Landtag, sich mit einem bestimmten Anliegen zu befassen. Wir wollen unserem Antrag allerdings gleich mehr Gewicht geben und versuchen deshalb, sogar 120.000 Unterschriften zu bekommen.

Warum 120.000 Unterschriften?

Das wäre die Hürde für ein Volksbegehren — damit kann ein ausgearbeiteter Gesetzesentwurf in den Landtag eingereicht werden. Nimmt der Landtag den Gesetzesentwurf nicht an, würde es zur Volksabstimmung kommen. Darum geht es uns vorerst aber gar nicht. Es geht zunächst darum, dem Parlament zu zeigen: ,Hey, wir meinen es ernst und wir haben schon im ersten Schritt so viele Unterschriften, dass auch der zweite Schritt kein Problem für uns wäre.’

Zurück zum Flächenverbrauch: Brauchen wir die neuen Straßen, Wohn– und Gewerbegebiete etwa nicht?

Manche sicher ja, aber dennoch gehen wir viel zu verantwortungslos mit unseren Flächen um. Schaut man auf die letzten 50 Jahre, so haben die vergangenen zwei Generationen so viel neue Siedlungsfläche in Anspruch genommen wie 80 Generationen zuvor. Doch wir haben nur eine Erde. Unser Boden ist eine endliche Ressource, mit der wir sparsam umgehen müssen. Mit jeder neu versiegelten Fläche gehen Böden für die Lebensmittelproduktion, Landschaften, seltene Lebensräume und Biotope für immer verloren.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Man kann die Bedürfnisse von Wirtschaft und Bevölkerung auch mit geringerem Flächenverbrauch befriedigen. Hierzu könnte ich jetzt einen ganzen Vortrag halten, doch in aller Kürze ein paar Stichwort: Verlagerung von Verkehr auf die Schiene, Vorantreiben von Innenentwicklung oder mehrstöckige Bauweisen auch in Gewerbegebieten. Stattdessen aber gibt es aber Paragraphen wie Nummer 13b des Baugesetzbuches, der den Flächenfraß noch mehr befeuert: Er unterstützt ein beschleunigtes Bebauungsverfahren auch für Außenbereichsflächen.

Wie sieht der Zeitplan von „Ländle leben lassen‟ aus?

Wir haben nun zwölf Monate Zeit, um die Unterschriften zu sammeln. Wir möchten das Ziel aber bereits vor den Sommerferien erreichen — ebenfalls um zu zeigen, wie wichtig dieses Thema ist.

Wie kommt es, dass Sie bei der Initiative dabei sind?

Ich bin seit vielen Jahren Mitglied des DAV, der ja nicht nur ein Bergsport–, sondern auch ein anerkannter Naturschutzverein ist. Ich wohne inzwischen zwar in Aldingen, bin als Naturschutzreferent aber in der Sektion Tuttlingen aktiv. Vor rund zweieinhalb Jahren wurde ich als DAV–Vertreter in den Landesnaturschutzverband gewählt und bin seitdem auch an der Umsetzung von „Ländle leben lassen“ beteiligt.

Die Initiative „Ländle leben lassen‟ ist ein Zusammenschluss von 16 Verbänden, Vereinen und Arbeitsgemeinschaften Baden-Württembergs, darunter unter anderem auch der BUND, Nabu, Schwäbischer Albverein, Schwarzwaldverein, Landesbauern-, Landesfischerei-, Landesjagdverband und Friday For Future.

 Homepage, auf der es neben Informationen und auch den Link zum Unterschriftenblatt gibt: www.laendle-leben-lassen.de

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