Brüssel schließt Verfahren wegen Nitratverschmutzung in Deutschland nach jahrzehntelangem Streit ab – EURACTIV.com
June 1, 20230 hier
Deutschland hält nun die EU-Vorschriften zur Nitratverschmutzung ein und ist für die weitere Bekämpfung der hohen Verschmutzung des Grundwassers gerüstet, gab die Europäische Kommission am Donnerstag (1. Juni) bekannt und beendete damit ein jahrzehntelanges Hin und Her mit Brüssel und der Androhung hoher Bußgelder .
01.06.2023 hier im Südkurier
Deutschland entgeht im Streit über nitratbelastetes Wasser einer Millionenstrafe der EU. Wie die EU-Kommission mitteilte, stellte sie ein entsprechendes Verfahren gegen die Bundesrepublik ein. Von Bund und Ländern erlassene Regeln entsprächen nun EU-Recht und würden der Notwendigkeit gerecht werden, die hohe Nitratbelastung der Gewässer anzugehen. Nitrate stammen meist aus Düngern der Landwirtschaft. Ein Übermaß schadet der Umwelt und birgt Gesundheitsrisiken für Menschen. Im Fall einer Verurteilung hätte Deutschland laut Bundesregierung eine Strafe von mindestens 17,25 Millionen Euro und ein Zwangsgeld bis zu 1,1 Millionen Euro täglich gedroht.
Die genaue Strafhöhe wird vom Europäischen Gerichtshof festgelegt. Dabei kann das tägliche Zwangsgeld den Druck erhöhen, dass ein Land schnell wieder im Einklang mit EU-Recht handelt.Der Streit über die Belastung durch Dünger läuft seit Jahren. Der EuGH hatte Deutschland bereits 2018 wegen der Verletzung von EU-Recht verurteilt, weil die Regierung über Jahre zu wenig gegen Nitrate im Grundwasser unternommen hatte.
Nitrat ist wichtig für das Pflanzenwachstum. Doch wenn zu viel gedüngt wird, sammeln sich Rückstände im Grundwasser sowie in Bächen, Flüssen und im Meer an. Aus Nitrat entsteht durch chemische Prozesse Nitrit, das für Menschen schädlich sein kann. Bei der Trinkwasseraufbereitung muss Nitrat teils umständlich herausgefiltert werden, um die Grenzwerte einzuhalten. Bereits 2020 traten nach zähen Verhandlungen strengere Düngeregeln in Kraft. Die EU-Kommission kritisierte diese aber Mitte 2021.
Auch die 2020 in Kraft getretene Düngeverordnung komme möglicherweise dem EuGH-Urteil nicht nach, schrieb EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius an die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Ex-Bundesagrarministerin Julia Klöckner. Er bemängelte, dass Gebiete mit hoher Nitratbelastung im Grundwasser und schädlicher Nährstoff-Anreicherung in Deutschland nicht korrekt ausgewiesen gewesen seien.
Nun hat Deutschland offensichtlich genug getan: Es gebe längere Sperrfristen, in denen gar nicht gedüngt werden dürfe, ein Düngeverbot für gefrorenen Boden sowie strengere Regeln zur Düngung von geneigten Flächen, teilte die Kommission mit. „Diese Regeln werden die negativen Auswirkungen auf Boden und Wasserressourcen verringern.“
Die Bundesregierung begrüßte das Ende des Verfahrens. Agrarminister Cem Özdemir sagte: „Dass wir die hohen Strafzahlungen abwenden konnten, ist ein großer Erfolg, zu dem viele beigetragen haben.“ Nach Jahren der Unsicherheit für Landwirte würden die Düngeregeln nun zukunftsfest gemacht, was Anerkennung in Brüssel finde. Umweltministerin Steffi Lemke sprach von einem sehr langen Weg mit schwierigen Verhandlungen. Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch weitere Änderungen der Düngeregeln auf den Weg gebracht.
Sü+ddeutsche Zeitung hier 1. Juni 2023
Nitrat-Verfahren: Deutschland entgeht Millionenstrafe
Die EU-Kommission stellt ein Verfahren wegen erhöhter Nitratwerte im Grundwasser ein, nachdem Berlin neue Düngeregeln auf den Weg gebracht hat. Im Falle einer Verurteilung hätte eine hohe Strafe gedroht.
Prokrastination nennt man die krankhafte Neigung, unangenehme Dinge immer weiter aufzuschieben, umgangssprachlich ist die Rede von "Aufschieberitis". Diesen Begriff wählte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nach seinem Amtsantritt im Dezember 2021 für ein Problem, das er von seinen Vorgängerinnen und Vorgängern geerbt hatte: das Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen zu hoher Nitratbelastung im deutschen Wasser.
Mehr als zehn Jahre lang haben es deutsche Regierungen nicht geschafft, der EU-Kommission einen Plan vorzulegen, der dieses Problem behebt. Özdemir hat die Aufschieberitis beendet, das Strafverfahren ist eingestellt, wie am Donnerstag bekannt wurde. "Dass wir die hohen Strafzahlungen abwenden konnten, ist ein großer Erfolg, zu dem viele beigetragen haben", ließ Özdemir verlauten. Im Fall einer Verurteilung hätte Deutschland laut Özdemirs Ministerium eine pauschale Strafe von 17 Millionen Euro und ein tägliches Zwangsgeld von einer Million gedroht.
Nitrate stammen meist aus Düngern der Landwirtschaft. Ein Übermaß schadet der Umwelt und birgt Gesundheitsrisiken für Menschen. Deutschland reißt den Nitrat-Grenzwert der EU von 50 Mikrogramm je Liter Grundwasser seit es ihn gibt, das heißt seit 30 Jahren. Überschreitungen finden sich in fast jedem Bundesland, vor allem aber dort, wo viel Gülle anfällt, also im Norden Deutschlands. Das Vertragsverletzungsverfahren wurde 2013 eröffnet. Mehrere Änderungen der deutschen Düngeverordnung reichten der Kommission nicht, zuletzt ging es vor allem um die Größe der "Roten Gebiete", in denen weniger gedüngt werden darf. Özdemir fand nun einen Kompromiss mit der Brüsseler Behörde.
Mit dem Entwurf des neuen Düngegesetzes, der am Mittwoch durch das Bundeskabinett ging, will Özdemir zudem die Grundlagen dafür legen, dass das Verursacherprinzip angewendet werden kann. Wer durch Überdüngung das Wasser belaste, werde stärker in die Pflicht genommen, wer Wasser schütze, werde entlastet.
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