hier in Frankfurter Rundschau Artikel von Antje Mathez • 5.4.22
Stühlerücken beim Global Challenges Index: Einige Unternehmen müssen ihn verlassen, neue werden aufgenommen. Die FR nimmt das zum Anlass, den Index genauer zu beleuchten.
Grüne Geldanlagen sind längst keine Nischenprodukte mehr. Und seit die EU eine grüne Taxonomie ausgegeben hat, die nicht nur Fachleute unter dem Begriff Greenwashing einordnen, schauen Anlegerinnen und Anleger ebenso wie institutionelle Investoren genauer hin, wenn sie ihr Geld oder das ihrer Kund:innen wirklich nachhaltig anlegen wollen. Wer sich grüner darstellt als er ist, wird abgestraft, das Mindeste ist ein Reputationsschaden. Wer heute noch in klimaschädliche Papiere investiert, muss sich morgen um stranded assets, also wertlos werdende Geldanlagen, sorgen.
Seit dem 2. August 2022 besteht die gesetzliche Pflicht, in Beratungsgesprächen nach den Nachhaltigkeitspräferenzen der Anlegerinnen und Anleger zu fragen. Doch je größer das Angebot an nachhaltigen Fonds und ETF wird, desto unübersichtlicher ist es. Nicht umsonst raten Fachleute dazu, sich auch selbst mit seiner Geldanlage zu beschäftigen. Denn auch wenn man eine Anlagenberatung oder Vermögensverwaltung hinzuzieht, sollte man doch immer verstehen, was genau man mit seinem Geld eigentlich finanziert und wo die Risiken liegen.
Die Frankfurter Rundschau veröffentlicht seit 2014 auf ihrer Börsenseite täglich den Nachhaltigkeitsindex GCX. An diesem Freitag vollzieht der Global Challenges Index sein halbjährliches Rebalancing, das heißt, die Unternehmen im Index werden überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht (siehe Box). Das soll die Gelegenheit sein, Funktionsweise, Risiken und Wertentwicklung des Global Challenges Index noch einmal genau zu erklären:
Strenge Kriterien für die Aufnahme in den GCX
Der GCX, den die Börsen Hamburg und Hannover im Jahr 2007 in Zusammenarbeit mit der Nachhaltigkeits-Ratingagentur ISS ESG (früher Oekom Research) lanciert haben, enthält 50 weltweit tätige Großunternehmen sowie mittelständische Betriebe vor allem aus Europa und den USA, die durch ihre Produkt- und Dienstleistungspalette aktiv dazu beitragen, soziale und ökologische Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen .
Das Besondere am GCX: das Auswahlverfahren. Es ist so streng, dass die Stiftung Warentest dem Index im vergangenen Jahr bei der Nachhaltigkeit die Bestnote verliehen hat. Die Unternehmen werden auf eine Vielzahl von Positiv- und Negativkriterien hin abgeklopft. Sieben Handlungsfelder liegen dem Nachhaltigkeitsbegriff dabei zugrunde: der Kampf gegen den Klimawandel, die Sicherung der Trinkwasserversorgung, das Engagement gegen die fortschreitende Entwaldung, der Erhalt der Biodiversität, der Kampf gegen Armut, Herausforderungen, die sich aus der Bevölkerungsentwicklung ergeben und gute Unternehmensführung. Ausgewählt werden also beispielsweise Unternehmen, die zur Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels beitragen – etwa durch energie- und kraftstoffsparende Produkte oder Bereitstellung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Aber auch solche, die sich um die Folgen des Klimawandels kümmern, zum Beispiel in den Bereichen Versicherungs- oder Hochwasserschutz.
Die Auswahl erfolgt dabei nach dem sogenannten Best-In Class-Prinzip. Das bedeutet, das die Unternehmen ausgesucht werden, die in einem bestimmten Merkmal (hier: Nachhaltigkeit) die Führenden ihrer Branche oder eines Marktes sind. Kritiker:innen wenden ein, dass Aktien nach dem Best-In-Class-Ansatz auszuwählen nicht zwingend bedeutet, dass diese Firma sehr nachhaltig arbeitet. Sie ist lediglich weniger schlecht als die anderen. Das gilt insbesondere für Branchen wie die Öl-, Gas- oder Atomstrom-Erzeugung, oder die Waffenproduktion.
Hier kommen die Ausschlusskriterien des GCX ins Spiel: Kontroverse Geschäftsfelder wie Atomenergie, grüne Gentechnik und Rüstung sind tabu. Auch bei Kohle und Erdöl gibt es strenge Obergrenzen.
Zudem werden die Kriterien fortlaufend an aktuelle internationale Richtlinien und Standards angepasst, um die Anforderungen von Institutionen, wie etwa dem Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) und dem österreichischen Umweltzeichen (UZ49), zu erfüllen. GCX-Anlageprodukte wurden bereits von diesen bewertet und mit Siegeln ausgezeichnet. Neben der Ratingagentur überwacht ein Expertenbeirat die Indexauswahl. Unternehmensporträts und Begründungen für die Aufnahme in den GCX lassen sich auf der Homepage der Börse Hannover nachlesen.
Investitionen in den GCX bergen aus zwei Gründen ein gewisses Risiko: Erstens ist der Index mit nur 50 Unternehmen im Vergleich zu klassischen Indizes relativ klein. Probleme einzelner Unternehmen oder Branchen können so stärker auf den Index durchschlagen. Zweitens sind im Index viele US-Firmen gelistet, wodurch immer ein Wechselkursrisiko besteht. Mit einer Performance von rund 280 Prozent seit Auflegung habe der GCX allerdings „Stabilität bewiesen“, sagt Hendrik Janssen, Geschäftsführer der Börse Hannover. Und hier noch eine Zahl, die für sich spricht: Seit seinem Start im Jahr 2007 hat der Index Anleger:innen rechnerisch pro Jahr rund acht Prozent Rendite eingebracht.
Das größte Manko: Ein ETF auf den Index existiert bislang nicht. Zwar haben verschiedene Anbieter Produkte auf den GCX in ihrem Portfolio. So hat die Anlagegesellschaft Warburg Invest den Global Challenges Indexfonds aufgelegt, der den GCX fast eins zu eins abbildet. Doch alle haben eines gemein: Im Unterschied zu einem ETF haben Fonds deutlich höhere Kosten.
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