Spektrum der Wissenschaft hier von Björn Lohmann
Zwei der Architekten des Pariser Klimaschutzabkommens geben Ratschläge, wie wir das Klima retten können – und dabei zuallererst uns selbst helfen.
Ignoranz, Verdrängung oder auch Angst – die Muster, mit denen Menschen auf die Klimakrise reagieren, sind unterschiedlich. Doch sicher ist: Nur wenn wir jetzt auf allen Ebenen Maßnahmen ergreifen, können wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels noch abwenden. Zwei Personen, die wesentlich daran beteiligt waren, dass das Pariser Klimaschutzabkommen zu Stande gekommen ist, haben darüber ein Buch geschrieben: »Die Zukunft in unserer Hand. Wie wir die Klimakrise überleben«.
Erwarten würde man wohl einen Überblick über all jene Klimaschutzmaßnahmen, die vom Privatleben bis zur großen Politik die Erderwärmung begrenzen. Tatsächlich jedoch widmet sich das Buch diesen Fragen praktisch gar nicht. Vielmehr verdeutlicht es: Klimaschutz ist eine Frage der Haltung, des Umgangs mit uns selbst und danach, wie wir leben wollen.
Das spannendste Kapitel in der Menschheitsgeschichte
Schon am Anfang stellen Figueres und Rivett-Carnac klar, dass die Klimakrise ganz besonders eine soziale Krise ist: »Von den Unabhängigkeitsbestrebungen in Indien bis zur Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten kam es zum Ausbruch zivilen Ungehorsams stets dann, wenn eine herrschende Ungerechtigkeit unerträglich wurde – wie wir es nun hinsichtlich des Klimawandels erleben.«
Dabei ist Klimaschutz für die beiden nicht durch Verzicht geprägt, sondern eine Verbesserung der Lebensqualität: »Wie wir es erreichen, dass auf einem blühenden Planeten alle Menschen überall gut leben können, wird das spannendste Kapitel in der Menschheitsgeschichte werden.«
Das nötige Wissen, die Technologie und das Kapital seien vorhanden – doch es brauche eben noch etwas anderes.
Indem die Autorin und der Autor ausführlich ausmalen, auf welche Welt wir aktuell zusteuern – und vor allem auf welche wir zusteuern könnten –, verdeutlichen sie die wahre Wahl, vor der die Menschheit steht. Sie weiten damit die Perspektive und verlassen den Tunnelblick einer oftmals abstrakten Debatte um CO2-Konzentrationen und Zehntelgrade.
Beispiele einer lebenswerten Zukunft gefällig? »Die weltweite Walddecke beträgt nun 50 Prozent, und auch der Agrarsektor hat sich in Richtung einer baumbasierten Landwirtschaft weiterentwickelt. (…) Niemand scheint die endlosen Agrarflächen oder Monokulturen zu vermissen.« Oder: »Dank besserer digitaler Vernetzung arbeiten viele Menschen im Home Office, wodurch sie flexibler sind und über mehr Freizeit verfügen.« Besonders schön: »Die meisten kleinen Kinder können kaum glauben, dass wir einmal Tiere getötet haben, um sie zu Lebensmitteln zu verarbeiten.« All das hängt mit dem Klimaschutz zusammen.
Der zentrale Teil des Buchs ist der Frage gewidmet, wie wir in diese bessere Zukunft gelangen können. »Um Raum für eine Transformation zu schaffen, müssen wir unser Denken und unser Selbstverständnis grundlegend verändern«, schreiben Figueres und Rivett-Carnac und stellen drei Denkweisen in den Vordergrund: »hartnäckigen Optimismus, unerschöpflichen Reichtum und radikale Regeneration«. Im Folgenden geben sie Anleitungen, wie man zum Optimisten wird und damit nicht nur die Klimaangst überwinden kann, sondern generell glücklicher durch den Alltag geht. Sie erläutern, was Reichtum mit Ökosystemen und Kooperation zu tun hat. Und sie legen dar, wie man – anstatt andere auszubeuten – sich, andere und die Natur regenerieren kann:
»Von intakten Ökosystemen hängt nicht nur unser unmittelbares Überleben ab. Zum großen Teil basiert auch unsere körperliche und seelische Gesundheit auf dem Kontakt mit der natürlichen Welt, die uns umgibt.«
Auch die zehn Maßnahmen, die das letzte Drittel des Werks bilden, haben mehr von einem soliden Lebensratgeber, als dass sie sich in Details verlieren.
Der Ansatz des Buchs kommt wohl nicht von ungefähr: Figueres ist die Tochter jenes ehemaligen Präsidenten von Costa Rica, der in seinem Land das Militär zu Gunsten des Sozial- und Bildungswesens abgeschafft hat, der die Hälfte der Landfläche zu Naturschutzgebieten erklärte und dem das Land es verdankt, dass es heute vollständig durch erneuerbare Energie versorgt wird. Seine Tochter leitete zunächst bei den Vereinten Nationen das Klimasekretariat in Bonn und war später Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention. Mit Rivett-Carnac – einem Manager und einstigen buddhistischen Mönch – als Senior Advisor an ihrer Seite rettete sie durch geschickte Verhandlungen nach dem ergebnisarmen Klimagipfel in Kopenhagen die internationale Klimaschutzpolitik in Paris, was im bekannten Konsens mündete, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Die Haltung, die den beiden dabei geholfen hat, vermittelt dieses Buch. Es ist nicht nur für all jene lesenswert, die das Klima nicht aufgeben wollen, sondern für jeden Menschen, der durch einen guten Umgang mit sich selbst und anderen zu einem besseren Leben finden möchte.
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